Herr Kasper, warum lohnt es sich als Versicherer, grüner zu werden?

Der Klimawandel bringt mehr Wetterereignisse und höhere Frequenzen an Schäden. Das wiederum hat Auswirkungen auf Versicherungsleistungen und das Schadenvolumen, welches wir als Branche stemmen müssen. Der Weg zu Net Zero ist eine grosse Herausforderung, weil wir uns heute über etwas Gedanken machen müssen, dessen Auswirkungen erst in zwanzig, dreissig Jahren in unseren Büchern auftauchen werden.

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Wie soll die Branche mit diesen Herausforderungen umgehen?

Sie sollte aufzeigen, welches kurz- und mittelfristig die drei wirksamsten Hebel auf dem Weg in Richtung Net Zero sind. 

Welche Hebel sind das?

Einerseits ist da das enorme Wachstumspotenzial für uns als Versicherer. Wirtschaft und Gesellschaft werden sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren stark transformieren. Diese Transformation führt auch zu Innovationen, die neue Risiken mit sich bringen. Bei diesem Thema haben wir als Versicherer eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Wir können diese Veränderungen unterstützen und begleiten und mit unserem Know-how sowie neuen Lösungen zur Risikobewältigung beitragen.

Der zweite Hebel betrifft die Investmentseite. Als Axa schauen wir sehr genau, wo und wie wir investieren, und auch wir werden genau angeschaut, bevor man in uns investiert. Sprich: je besser wir den Wandel bewältigen, desto positiver werden wir von unseren Investoren beurteilt und desto einfacher haben wir es, am Kapitalmarkt gute Renditen zu erzielen oder gute Konditionen zu erhalten.

Und der dritte Hebel?

Das ist ganz klar die Regulation. Einerseits ist da die Finma, anderseits aber auch die EU, die uns auffordert, in Non Financial Reports Transparenz zu schaffen. In diesen werden wir zeigen müssen, wie hoch unser Anteil an nachhaltigem Geschäft ist. 

Auf EU-Ebene kommt ein Mega-Regelwerk auf uns zu und die Unternehmen werden bereits ab 2024 dazu verpflichtet sein, solche Nachhaltigkeitsberichte als fixen Bestandteil der jährlichen Berichterstattung zu veröffentlichen.

Eigentlich müsste Axa Schweiz die EU-Taxonomie nicht übernehmen …

Natürlich übernehmen wir diese! Bereits im vergangenen Jahr haben wir in einem Pilotversuch nach bestem Wissen und Gewissen gemessen. Per 2023, spätestens 2024 werden wir unsere Prozesse nachjustieren und an die EU-Taxonomie anpassen. 

Gruppenweit existiert bereits jetzt ein Climate Report, der beim Thema Investment sehr transparent ist. So ist die CO₂-Intensität unseres Vermögensverwaltungportfolios darin ausgewiesen. Die Themen Underwriting und Risk Management werden wir in den kommenden Jahren noch ausbauen.

Denken Sie, das wird zu messbaren Grössen im Underwriting und im Risk Management führen?

Ja, aber der Pilot hat klar gezeigt, dass die Herausforderung häufig darin liegt, ob man die Daten zur Verfügung hat, um etwas als nachhaltig auszuweisen. 

Können Sie dazu ein Beispiel geben?

Forstbetriebe zu versichern, wäre auf der grünen Seite, aber nur wenn diese mit einem FSC-Label ausgezeichnet wurden. Als Axa Schweiz versichern wir Forstbetriebe, haben aber wenig Ahnung, ob diese ein FSC-Label haben oder nicht. 

Ich bin gespannt, wie die Richtlinie künftig aussehen wird und wie unsere Datenbestände transparenter werden, damit wir Kunden, Branchen oder einzelne Maschinen als nachhaltig ausweisen können. Hier betreten alle Neuland.

Welche Auswirkungen erwarten Sie für das Geschäft?

Bis dato gibt es noch keine Regulierung, die uns vorschreibt, wie hoch unser Grünanteil sein muss. Die EU-Taxonomie ist lediglich eine Verpflichtung zur Transparenz. Dazu schaffen wir innerhalb der Axa entsprechende Government-Strukturen.

Axa-intern ist aber klar, dass wir mehr wollen, als die EU-Taxonomie vorgibt, und uns Ziele setzen, bis wann wir einen wie hohen Nachhaltigkeitsanteil haben werden. Der Sinn und Zweck der Regulation ist es ja, das Bewusstsein von Kunden und Investoren zu schärfen. Und wir sind überzeugt, dass dies auch den Kaufentscheid der Kunden beeinflussen wird; insofern möchten wir uns natürlich als nachhaltiger positionieren als unsere Mitbewerber.

In der Schweiz hat Axa viele Kunden im KMU-Segment. Diese haben meistens andere Themen auf der Agenda als netto null …

Korrekt. Wir haben kürzlich eine Kundenumfrage durchgeführt, deren Ergebnisse ernüchternd waren: Erstens haben KMU typischerweise wenig Ahnung von ihrem CO₂-Ausstoss und zweitens ist das Thema auch nicht top of mind. Das Bewusstsein, der Wille und Aktivitäten fehlen noch. Je kleiner das Unternehmen ist, desto weniger präsent ist das Thema CO₂-Reduktion.

Und wie versuchen Sie als Versicherer, das Thema in die KMU zu bringen?

Wenn es um Gebäude oder Maschinen geht, kommen wir vom klassischen Risikothema  und den Themen wie Flut oder Wasserschäden schnell zu Umweltschäden und generellen Umweltthemen. Hier können wir den Kunden relativ einfach darin beraten, wo er sein Gebäude bauen soll und wo lieber nicht.

Im Zusammenhang mit der CO₂-Reduktion ist es etwas schwieriger. Bei diesem Thema haben wir noch keine Glaubwürdigkeit und müssen eine Brücke zu Spezialisten bauen. 

Also wird Axa in absehbarer Zeit keine CO₂-Beratungen machen?

Aktuell nimmt uns der Kunde auf diesem Gebiet noch nicht als kompetent war; wir können aber gut eine Vermittlerrolle spielen, die Leistung wird letztlich durch Partner erbracht werden.

Ist das auch die Strategie der Axa Gruppe?

Nein, auf internationaler Ebene präsentiert sich die Lage etwas anders, denn mit Axa XL versichern wir ja sehr grosse Unternehmen. Daher hat der Konzern mit Axa Climate eine Einheit aufgebaut, die die Unternehmen im Bereich Umweltrisiken berät. 

Das wäre ja auch etwas für den Schweizer Markt …

Wenn sich ein Produkt bei Grosskunden bewährt, wird dieses früher oder später sicher auch runterskaliert. Aber im Schweizer Markt muss sich noch einiges bewegen, denn solange die Nachfrage der Kunden nicht da ist, ist es zwar nett, wenn man das Angebot hat – wenn es aber von niemandem genutzt wird, bringt das nichts.

Was müsste denn passieren, damit auch kleinere Unternehmen ein solches Angebot nutzen?

Das ist eher ein gesellschaftliches und politisches Thema. Meines Erachtens gibt es drei Ansätze: Erstens die persönliche Überzeugung – diese wird sich in den nächsten Jahren mit zunehmenden Schäden verstärken. Auf der Privatkundenseite sehen wir schon heute ein gestiegenes Bewusstsein, auf der Unternehmensseite wird es mittelfristig folgen. 

Der zweite Ansatz wäre die Bepreisung des CO₂, auch wenn das gesellschaftlich schwierig ist. Der dritte, gleichzeitig ineffizienteste Hebel, wären weitere Regulationen.