Europäische Länder zeigen unterschiedliche Strategien im Umgang mit Risiken. Neben marktspezifischen Besonderheiten scheint vor allem die Mentalität eine wichtige Rolle zu spielen: Studien belegen, dass die Risikobereitschaft dort generell höher ist, wo persönliche Vorsorge und eigene Initiative kulturell verankert sind. Bei Rentensystemen, die Vorsorge vor allem nach dem Umlageprinzip organisieren, haben Sparende weniger Anreize, selbst Verantwortung für ihre Vorsorge zu übernehmen. In Frankreich, Deutschland oder Italien beispielsweise legen sie weniger Geld zurück und werden seltener selbst aktiv, um mit Marktschwankungen umzugehen. Diese Entwicklung ist teils systemimmanent: Bürgerinnen und Bürger in Ländern mit hoher Staatsvorsorge haben nach Abzug von Steuern, Sozialversicherung und Zuschlägen meist weniger verfügbares Einkommen übrig, das investiert werden könnte. 

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Doch die Gleichung gemeinschaftlicher Umlagesysteme funktioniert nur, wenn Einzahlende davon ausgehen, dass ihre Beiträge in die staatliche Vorsorge für ein angemessenes Alterseinkommen sorgen werden. Dieses Prinzip wird gerade durch die kippende Demografie erschüttert: Immer weniger Jüngere müssen stetig höhere Leistungen für die Älteren erbringen. Zugleich wissen sie, dass sie als Pensionisten von noch weniger Arbeitnehmenden versorgt werden.

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Hopp Schwiiz: Anlagementalität als Standortvorteil

Das Dreisäulensystem der Altersvorsorge in der Schweiz verfügt über staatliche Umlagefinanzierung, betriebliche Vorsorge und über teils staatlich geförderte private Vorsorgeoptionen. Ein Modell, das viele Länder propagieren – und dennoch hat sich in der Schweiz eine andere Mentalität des Anlegens gebildet: Für Schweizerinnen und Schweizer liegt die Verantwortung für ihre Vorsorge nicht primär beim Staat, sondern mindestens ebenso bei ihnen selbst. Auch die staatliche Altersvorsorge ist in den Kontext der Eigenverantwortung eingebettet. Der Grund dafür ist das verbreitete Verständnis, dass der finanzielle Erfolg nur mit kalkulierten Risiken zu erwirtschaften ist. 

Anleger investieren im europäischen Vergleich stärker in Vorsorgeprodukte und sind mit der Volatilität der Finanzmärkte relativ gut vertraut. Kursschwankungen werden eher in den langfristigen Kontext eingeordnet. Sie sind bereit, für ihre Altersvorsorge Portfolios mit höherem Wachstumspotenzial aufzubauen und dafür auch Risiken in Kauf zu nehmen. Diese Mentalität der Bürgersouveränität dürfte den Schweizerinnen und Schweizern angesichts des demografischen Veränderungsdrucks in der Vorsorge zugutekommen. 

Italien: Beton als Vorsorgewährung?

Italien lebt einen gewissen Widerspruch: Einerseits ist das Vertrauen in staatliche Institutionen niedrig, andererseits ist die Altersvorsorge immer noch weitgehend staatszentriert. Die Beitragszahlenden müssen einen vergleichsweise hohen Einkommensanteil für die staatliche Vorsorgekasse aufwenden. Italienerinnen und Italiener sind statistisch betrachtet vermögensreich, aber einkommensschwach. Sie legen häufig in Immobilien an und verfügen über eine der höchsten Wohneigentumsquoten des Kontinents. «Betongold» galt einst europaweit als Sicherheitspolster in kritischen Zeiten mit fast garantierten Wachstumschancen. Doch auch diese scheinbare Gewissheit schmilzt angesichts platzender Immobilienblasen, Landflucht und Bevölkerungsschwund gerade in Italien, dem Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt Europas, dahin. 

Italienerinnen und Italiener gelten im Allgemeinen als risikoscheue Anleger. Neben Immobilienwerten halten sie noch erhebliche Sparguthaben auf einfachen Konten. Doch auch hier setzt ein Umdenken ein: Anlagen in Investmentfonds und kapitalmarktbasierte Altersvorsorgeprodukte steigen in Italien an, auch deshalb, weil sich die Anleger von direkten Staatsanleihen abgewandt haben. Davon profitieren auch kapitalmarktorientierte Versicherungsprodukte, die zum Teil staatlich gefördert werden und damit das verfügbare Einkommen entlasten. 

Der demografische Wandel verändert die Koordinaten der Altersvorsorge. Europäische Gesellschaften und ihre Bürger müssen passende Modelle für eine Zukunft entwickeln, die mit dem Schwund an Beitragszahlenden und dem Zuwachs an Leistungsempfängern umgehen kann. Die Anlagementalität und finanzielle Bildung sind dabei vermutlich wichtiger als einzelne Anlageformen.