Die Börsen scheinen im Moment völlig losgelöst von allem, was um sie herum geschieht: Die Zinsen verharren in den meisten Industrieländern nahe oder unter null und die Notenbanken haben die Finanzmärkte mit unkonventionellen Massnahmen manipuliert. Das wiederum führte zu Bewertungsexpansionen, die Fallhöhe ist bei vielen Titeln mittlerweile beachtlich. Dies in einem Umfeld, in dem täglich Horrorszenarien wie ein möglicher Zerfall des Euro, Flüchtlingskrisen und das Säbelrasseln von Potentaten grassieren. Heftige Kurseinbrüche könnten sich daher jederzeit ereignen. Denn wir wissen: Mr. Market ist ein launischer Kerl.

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Die «Handelszeitung» hat Ökonomen, Fondsmanager und Vermögensverwalter  befragt und versucht, die drängendsten Fragen der Anleger zu beantworten: Lohnt es sich noch, in Aktien zu investieren oder sollte nach mehr als acht Jahren Hausse der Ausstieg vorbereitet werden?

Störfeuer aus China, USA und Europa

Auf fünfzig zu fünfzig schätzt Thomas Heller die Chance einer Korrektur. Dem CIO der Schwyzer Kantonalbank käme ein Kursrückgang an den Aktienmärkten nicht ungelegen. Denn wenn «Dampf aus dem System entweicht», hätten die Börsen wieder Potenzial nach oben, sagt er. Doch was könnte die Anleger dazu bewegen, aus den Finanzmärkten zu flüchten? Störfeuer könnten aus China kommen, wo sich eine Immobilienblase aufbaut. Zudem könnte die US-Zentralbank mit einer zu aggressiven Zinspolitik das weltweite Wachstum abwürgen. In Europa wiederum stehen wichtige Wahlen an.

Gewinnen Populisten wie Marine Le Pen in Frankreich, dürften die Devisenmärkte verrückt spielen. Harald Preissler, Chefökonom der Bantleon Bank, mahnt jedoch zur Besonnenheit: «Die politischen Risiken werden von den meisten Anlegern überschätzt.» Ähnlich klingt Birgitte Olsen von Bellevue Asset Management. Sie verweist auf die Normalisierung der Bond-Spreads und fragt: «Vielleicht ist Marine Le Pen, wie ihr Vater zuvor, in der zweiten Wahlrunde doch nicht mehrheitsfähig?» Bezogen auf die Politik werde eher noch der ungelösten Griechenlandproblematik zugetraut, grössere Verwerfungen auszulösen, erklärt Thomas Heller.

Der Vermögensverwalter Pirmin Hotz ist zudem besorgt wegen der «unnatürlich» tiefen Volatilität am Aktienmarkt. Für ihn ein Zeichen, dass Investoren die Risiken von Aktien unterschätzen und Dividendenpapiere als eine moderne Form von festverzinslichen Wertpapieren halten. «Das ist gefährlich und unredlich», sagt er.

Worauf es zu achten gilt

Hotz warnt auch vor intransparenten, illiquiden und margenträchtigen Produkten wie Hedgefonds, Private-Equity- und Infrastrukturanlagen sowie strukturierten Produkten. Die steigende Nachfrage deutet er als Alarmzeichen. «Die meisten verstehen nicht, in was für Vehikel sie investieren, und vertrauen blind den Argumenten der Verkäufer. Kommt es zur Krise, sind diese Anlagen oft nicht mehr handelbar.»

Den exakten Zeitpunkt für eine solche Krise zu prognostizieren, ist allerdings Glücksache. Ein Indiz könnte die Diskrepanz zwischen den gemäss Heller «hervorragenden» Frühindikatoren und der fundamentalen Verfassung der Wirtschaft (Industrieproduktion, Kapazitätsauslastung, Investitionen) liefern. Geht diese Schere zu weit auseinander, dürften die Märkte verschnupft reagieren.

«Jetzt Chips vom Tisch nehmen»

Der Saxo-Bank-Chefökonom Steen Jakobsen weist zudem auf den weit fortgeschrittenen Kreditzyklus hin. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent werde dieser zu weniger Wachstum und kaum Inflation führen. Zu rasch und zu hoch steigende Zinsen sieht auch Quantex-Fondsmanager Peter Frech als Grund für Korrekturen.

Umsichtige Anleger halten sich an den Ratschlag von Primin Hotz: «Jetzt Chips vom Tisch nehmen, um bei sinkenden Märkten handlungsfähig zu bleiben und nicht gezwungen zu sein, im dümmsten Moment Positionen veräussern zu müssen.»

Positive Faktoren

Aber nicht zu viele Chips, muss einschränkend ergänzt werden. Wer sich ganz zurückzieht, verliert ganz sicher Geld. Denn es gibt ebenso viele Indikatoren, die optimistisch für den weiteren Börsenjahresverlauf stimmen. Birgitte Olsen geht sogar von einer Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent aus, dass auch die nächsten drei bis sechs Monate positiv für Aktien sein werden.

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