Dass die Nacht nicht so richtig erholsam war, merke ich schon beim Aufwachen. Vier Mal drücke ich die Snooze-Taste, bis ich mich endlich aus dem Bett quälen kann. Ein Blick aufs iPhone zeigt mir, woran es liegt. Erst dauerte es bis weit nach 1 Uhr, bis ich überhaupt eingeschlafen war. Dann war ich um 3 Uhr schon wieder wach - und um kurz nach 7 Uhr musste ich schon wieder raus. Wirklich tief geschlafen habe ich nur um kurz nach 4. Schuld waren offenbar der späte Kaffee und die späte Deadline.
Aber ich arbeite dran. Mit Sleep Cycle. Die App soll mir helfen, meinen Schlaf besser zu verstehen und im Idealfall das Optimale aus der Nacht herauszuholen. Mein kleines persönliches Schlaflabor liegt seit knapp einer Woche jede Nacht am oberen rechten Rand meiner Matratze, seit eine Freundin mir von der App erzählte. Es sei ihr neues Hobby, sagte sie sehr überzeugend. Nun gut. Meines jetzt also auch.
Überwachung und Auswertung des Schlafes
Von der Matratze aus überwacht mein iPhone nun also - mit dem Gesicht nach unten - meine nächtlichen Bewegungen. Werfe ich mich hin und her, geht die App dank des Bewegungsmelders des iPhones davon aus, dass ich wach bin. Ist es ruhig, bin ich offenbar eingeschlafen. Sogar nächtliche Toilettengänge bleiben dem Programm so nicht verborgen. Am nächsten Morgen spuckt Sleep Cycle dann eine ausführliche Analyse aus. Wachzustand, Schlafphase, Tiefschlaf - alles lässt sich an dem Diagramm ablesen. Fünf Nächte braucht die App, um sich zu kalibrieren und mir am Morgen mit einer präzisen Prozentzahl die erreichte Schlafqualität mitzuteilen.
Bei mir liegt die seit dem Start zwischen 60 und 91 Prozent. Die fast perfekte Nacht am vergangenen Sonntag macht mich ein bisschen stolz. Seit ich die App benutze, schicken meine Freundin und ich uns morgens unsere Diagramme und vergleichen Stundenzahl und Prozentwerte. Als ich mich mit meinen 82 Prozent nach der ersten Nacht unzufrieden zeige, beruhigt sie mich: Eine Freundin schaffe es im Schnitt gerade mal auf etwas über 50. Na bitte.
Intelligente Snooze-Funktion soll optimalen Weckzeitpunkt finden
Sleep Cycle will mich mit zahlreichen Hilfestellungen durch die Nacht begleiten. Bei Bedarf kann ich mich von Meeresrauschen, Regen, Herbstblättern oder zahllosen anderen Geräuschkulissen (Brown Noise?) in den Schlaf wiegen lassen, die aufhören, sobald ich tatsächlich schlafe. Vor dem Einschlafen kann ich das Programm noch schnell wissen lassen, ob ich zu später Stunde Kaffee getrunken (meistens ja), einen stressigen Tag hatte (meistens ja) oder Sport getrieben habe (morgen wieder). Warum fehlt ausgerechnet Alkohol in der Liste?
Am Morgen merkt mein Schlaflabor, wann ich dabei bin, ins Diesseits zurückzukehren - und weckt mich innerhalb einer selbstgewählten Spannbreite zum optimalen Zeitpunkt. Denn ein Weckton im falschen, weil zu tiefen Moment kann den Tag laut Webseite in einen einzigen langen «Zombie-Marathon» verwandeln. Die intelligente Snooze-Funktion gibt mir Zeit bis zum Ende der Frist - und passt die Abstände entsprechend an, damit ich am Ende nicht verschlafe. Wer will, kann die App sogar mit Smartphone-gesteuerten Lampen verbinden, um sich vom künstlichen Sonnenaufgang sanft zurückholen zu lassen. Nach dem Aufwachen fragt mich die App nach meiner Stimmung: :), :/ oder doch eher :(? Glücklich aufgewacht bin ich in Woche 1 noch nicht.
Wie genau ist die Auswertung?
Ich bin begeistert angesichts solcher Präzision für so wenig Geld (99 Cent kostet die App im US-Store). Allerdings: Wer sagt mir, dass die Diagramme tatsächlich treffsicher sind? Schliesslich schlafe ich - und weiss deshalb nicht, ob die App meine Bewegungen richtig interpretiert. Diese Frage haben sich auch andere gestellt. «Präzise oder Placebo» fragte etwa das Fachmagazin «Psychology Today». Das Fazit: Die Apps hätten ihre Tücken und seien sicher nicht der akkurateste Weg, die Schlafqualität zu bestimmen. Aber immerhin würden Menschen durch Programme wie Sleep Cycle den Schlaf endlich wichtiger nehmen. Ich plane einen Selbstversuch mit Übernachtungsbesuch und iPhones auf beiden Seiten des Kopfendes.
Noch einen Haken gibt es: Bis ich Sleep Cycle hatte, habe ich mich zuverlässig von Podcasts in den Schlaf reden lassen. Schalte ich sie jetzt ein, schaltet sich die App aus. Also bleibt mir nur, neben dem iPhone auch das iPad ans Kopfende zu legen. Ob derart viele Wellen in Kopfnähe den Schlaf tatsächlich erholsamer machen, weiss ich nicht. Aber solange ich besser schlafe als meine Freunde, bin ich schon zufrieden.
Sleep Cycle gibt es für iOS und Android.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Bold Economy – das umfassende Nachrichtenportal zur digitalen Revolution.