Auch dieses Jahr wird es nicht anders sein. Die Analysen der Depots des Jahres 2021 werden zeigen, dass die Anlegerinnen und Anleger auch heuer nichts aus ihren Fehlern gelernt haben: «Zu unausgewogen, zu zufällig zusammengesetzt, zu spekulativ, zu kostenlastig», wird das Urteil der Experten lauten.
Wieso jedes Jahr die gleichen Irrtümer passieren, könnte man mit dem deutschen Musiker Herbert Grönemeyer einfach erklären: «Der Mensch ist das Problem». Er ist in der Tat weit davon entfernt, auch nur ansatzweise rational zu handeln.
Er raucht weiter, obwohl er schon Hunderte Male aufhören wollte, er isst Süssigkeiten, obwohl er abnehmen möchte usw. Gelüste, das Bauchgefühl und andere psychologische Faktoren kommen auch dem Anleger oder der Anlegerin immer wieder in die Quere. «Die Art und Weise, wie wir auf Finanzmärkten agieren, ist nicht natürlich. Wir können keinen unserer Sinne gewinnbringend einsetzen», sagt Thorsten Hens, einer der führenden Behavioral-Finance-Experten der Schweiz.
Die Wissenschaft hat mittlerweile über vierzig psychologische Fallgruben eruiert, in die Anlegerinnen und Anleger immer und immer wieder geraten. Die wichtigsten:
- Das übergrosse Selbstvertrauen: Anleger und Anlegerinnen überschätzen die eigenen Fähigkeiten systematisch. Die meisten Leute haben das Gefühl, überdurchschnittlich gut mit Geld umgehen zu können, so, wie fast alle das Gefühl haben, überdurchschnittliche Autofahrerinnen oder Autofahrer zu sein. Bei den Anlegern manifestiert sich die Selbstüberschätzung beispielsweise darin, dass sie glauben, immer den richtigen Titel im richtigen Augenblick erwerben zu können.
Die Selbstüberschätzung macht im Übrigen auch nicht vor professionellen Investoren und Anlageexperten und -expertinnen Halt. Ganz im Gegenteil: Bei Prognosen schneiden Experten regelmässig schlechter ab als Laien (ähnlich wie etwa auch im Fussball).
- Bekanntes überbewerten. Anlegerinnen und Anleger tendieren dazu, ihre Kenntnisse und Informationen zu überschätzen. Unternehmen mit bekanntem Namen werden positiver eingestuft als unbekannte. Ein hoher Bekanntheitsgrad vermittelt Sicherheit. Fälschlicherweise. Bekannte Titel sind nicht zwingend besser.
- Das Herdenverhalten: Menschen springen reflexartig auf den fahrenden Zug auf. Die meisten Trends und Hypes basieren auf diesem Effekt, dem Wunsch, dazuzugehören. Man investiert deshalb lieber in Wertpapiere, die auch bei anderen beliebt sind. Doch Titel und Branchen, die bereits in aller Munde sind, sind immer schon hoch bewertet, man läuft dem Markt nur hinterher. Der Bitcoin und Tech-Raketen wie Moderna, Tesla oder Zoom lassen grüssen.
- Verlustaversion und Dispositionseffekt
Auf der anderen Seite versäumen es Privatanlegerinnen und Privatanleger immer wieder, Gewinne laufen zu lassen und Verluste zu begrenzen: «Das ist der sichere Weg zu einem Depot aus Verlierern», erklären Anlageexpertinnen. Doch die Aussicht auf einen Verlust bereitet den Anlegern offenbar ein weit grösseres Unbehagen, als dass die Aussicht auf einen gleich hohen Gewinn für Freude sorgt – das hat als Erster der Verhaltensökonom Daniel Kahneman erkannt.
Die gute Nachricht: Um als Anlegerin oder Anleger Erfolg zu haben, muss man nicht die ganze Börsenpsychologie aus dem Effeff kennen. Es genügt, einige wenige bewährte Regeln einzuhalten und sich gut gegen die häufigsten Irrtümer und Fehlentscheide zu wappnen.
Handeln, aber nicht hektisch
So schädlich blinder Aktivismus ist, so nachteilig ist auch das Gegenteil. Mit Abwarten und Teetrinken resultieren unter dem Strich ebenfalls nur Verluste. Aus Angst, beim Geldanlegen Fehler zu machen, bunkern vor allem Private ihre Mittel nach wie vor auf Sparkonti oder in (Bank-)Tresoren.
Nach Angaben der Schweizerischen Nationalbank haben sich die kaum mehr verzinsten Kundengelder bei den Banken innerhalb von zehn Jahren um einen Drittel auf über 2088 Milliarden Franken erhöht und damit einen neuen Rekordstand erreicht. Die totale Defensivtaktik im Anlagebereich ist aber ein untauglicher Versuch, sein Vermögen zu erhalten. Nach Steuern und Inflation schmilzt dieses nämlich trotzdem langsam, aber stetig dahin.
Heiss ist wenig bekömmlich
Bei angeblich heissen «Themen und Titeln» ist allergrösste Vorsicht geboten. Sie werden in aller Regel gerade dann angeboten, wenn das Thema bereits ausgereizt ist. Hände weg, muss hier die Devise lauten. Auf Themen zu fokussieren, die gerade gross in Mode sind, ist wenig erfolgversprechend. So kauften viele Anlegerinnen und Anleger im New-Economy-Boom der Jahrtausendwende Technologieaktien und verloren ihr Geld dann im Crash zum Teil komplett. Ähnliches passierte während der Finanzkrise mit Bric-Titeln oder später mit Solaraktien.
Der Markt weiss alles
Versuche, mit einer Reihe von Einzeltiteln der Markt zu schlagen, gehen regelmässig schief. Wer es trotzdem versuchen will, sollte es nicht mit dem ganzen verfügbaren Kapital tun, sondern nur mit einem kleinen Teil davon. Anlegen darf ja durchaus Spass machen. Unsere Depots können hier einige Impulse geben.
Trau, schau, wem
Weit überhöhte Renditeversprechen, womöglich auch noch per Telefon, sind ein unmissverständliches Alarmzeichen. Wie die Fälle der Betrüger Dieter Behring, Bernard Madoff und Co. gezeigt haben, achten Anlegerinnen und Anleger häufig nicht genügend auf die Transparenz. Wer Black Boxes kauft, ist selber schuld.