Darum geht's
  • Der Risikodialog hat dazu beigetragen, dass Cyberrisiken besser erkannt und adressiert werden.
  • Schätzungen zufolge werden mehr als 50 Prozent der Cyberangriffe mit Phishing-Attacken initiiert.
  • Personalisierte Botschaften haben ein grosses Potenzial, um Verhaltensveränderungen herbeizuführen und die Cybersicherheit zu erhöhen.

Verschlüsselung von IT-Systemen, Diebstahl von vertraulichen Daten oder Drohungen, um Geld zu erpressen: Cyberkriminelle entwickeln ihre Praktiken und Angriffsmethoden laufend weiter, um Unternehmen effizienter anzugreifen. Cybervorfälle gehören zu den Top drei der Geschäftsrisiken, und die Prognosen sowie Schätzungen zeigen ein einheitliches Bild: Cyberangriffe und die daraus entstehenden Kosten werden weiter zunehmen. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren auch im Cyberversicherungsmarkt gezeigt. Starke Korrekturmassnahmen wie Prämienerhöhungen und Deckungseinschränkungen wurden umgesetzt – insbesondere für mittlere und grössere Unternehmen.

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Individuelle Risiken

Der Risikodialog ist durch die Erfahrungen der letzten Jahre gereift und hat dazu beigetragen, dass Cyberrisiken besser erkannt und adressiert werden. Die Cyberrisikoberatung von Unternehmenskunden umfasst verschiedene Bereiche: das Aufzeigen der aktuellen Gefahrenlage, das Besprechen der individuellen Risiken, das Modellieren der verschiedenen Cybervorfälle hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenausmass, die Evaluation von Cybersicherheitsmassnahmen (Key Controls), Peer-Vergleiche anhand von Benchmarkdaten sowie die Diskussion zum geeigneten Risikotransfer.

Eine Studie des Risikoberaters Marsh zeigt, dass die strikte Einhaltung der zwölf Key Controls einen grossen Einfluss auf die Schadenprävention hat und die Versicherer damit die Risiken einheitlicher selektionieren können. Heute ist der Cyberversicherungsmarkt deutlich ausbalancierter mit einem gestärkten Commitment zu dieser noch immer stark wachsenden Versicherungssparte.

Online-Verhalten schulen, Awareness schaffen

Sind damit die Cyberrisiken ganzheitlich erfasst und ist die Risikoberatung als ausgereift und fit für die Zukunft zu bezeichnen? Der Dialog aus technischer Sicht und die dazugehörigen Key Controls sind bereits in vielen Unternehmen auf einem guten Stand. Beim Faktor Mensch hingegen schlummert noch ein grosses Potenzial. In den letzten Jahren wurde bereits viel in das Thema Awareness investiert und erreicht, doch es steckt nach wie vor in den Kinderschuhen. Schätzungen zufolge werden deutlich mehr als 50 Prozent der erfolgreichen Cyberangriffe mit Phishing-Attacken initiiert. Währenddessen beschränkt sich die Diskussion heute oft auf die Frage, ob jährliche Awareness-Trainings durchgeführt werden oder nicht. Das Verhalten der Mitarbeitenden hat einen entscheidenden Einfluss auf die Cybersicherheit eines Unternehmens. Cyberkriminelle nehmen sie ins Visier, um in das Unternehmensnetzwerk einzudringen. Bei simulierten Phishing-Kampagnen beträgt die Klickrate nicht selten mehr als 20 Prozent – auch bei Unternehmen, die jährliche Trainings durchführen.

Charaktereigenschaften der Mitarbeitenden

Ein Blick in die Forschung aus den letzten Dekaden zeigt die Bestrebungen, «gutes» Online-Verhalten zu ermitteln und zu beschreiben, um daraus Massnahmen abzuleiten. Der wissenschaftliche Fokus wurde dabei insbesondere auf normatives Training – «Du sollst keine verdächtigen E-Mails oder Anhänge öffnen» – oder auf Charaktereigenschaften der Mitarbeitenden wie «neugierig» oder «impulsiv» gelegt. Ersteres scheint nur bedingt wirksam zu sein, Letzteres nur bedingt beeinflussbar. Diese Faktoren spielen beim Risikoverhalten eine Rolle, jedoch müssen die individuellen Verhaltensweisen, Motivationen und Umfelder sowie die Kultur eines Unternehmens adressiert werden.

Grosses Potenzial

Aus der Risikoforschung wissen wir, dass personalisierte Botschaften anstelle von Standard-Awareness-Schulungen mit beschränktem Bezug zum eigenen Unternehmen ein grosses Potenzial haben, um Verhaltensveränderungen herbeizuführen und die Cybersicherheit zu erhöhen. Die Frage stellt sich nun, wie sich die wichtigen, individuellen Risikofaktoren der Mitarbeitenden erheben und zusammen mit der Kultur eines Unternehmens zu gezielten Botschaften ableiten lassen – und wie diese in wirksame Gegenmassnahmen umgewandelt werden können.

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Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Insurance, und ihr Versicherungsexpertenteam liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die nationale und internationale Versicherungswelt bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt kostenlos zum Newsupdate für Insurance-Professionals anmelden.
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Die Autoren

Carlos Casián, Fachspezialist Special Risks und Hélène Donna Staubli, Teamleiterin Special Risks, Kessler & Co AG.

Gezielte Botschaften statt Pauschalaussagen

Ein Schweizer Forschungsteam der HSLU und der ZHAW untersucht gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft zurzeit mittels Methoden aus der Marktforschung die verhaltensbasierten und kulturellen Faktoren. Das Ziel: ein skalierbares Diagnostik-Tool zu entwickeln, das anhand von wenigen Fragen diese Faktoren erfassen kann. In einem ersten Schritt werden Botschaften für die Mitarbeitenden entwickelt, die ihre Verhaltensweisen nachhaltig positiv beeinflussen, sodass die Klickrate auf Phishing-Mails und die Reaktionen auf sonstige Manipulationsversuche gesenkt werden. Danach werden gezielte Cyber-Awareness-Schulungen entwickelt. Im Fokus stehen die zu internalisierenden Botschaften und ein handlungsbasiertes Lernen. Denn man lernt in der Regel am besten, wenn man etwas anwendet.

Informationen um den Faktor Mensch

Wenn der Faktor Mensch annähernd so gut verstanden wird wie die technischen Aspekte der Cybersicherheit, lässt sich der Risikodialog ganzheitlich erfassen. Dazu benötigt es weitere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft, um die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Diskussion zu lancieren. Die Vorteile sind vielfältig: Einerseits wirkt sich die Erweiterung der zur Verfügung stehenden Informationen um den Faktor Mensch positiv auf die Risikoeinschätzung der Unternehmen aus, und sie können gezieltere Trainings anbieten, um die Cyberexponierung weiter zu reduzieren. Anderseits können Versicherer mit mehr Informationen das Risiko besser erfassen. Dies kann zu einem Pricing führen, das die Investitionen eines Unternehmens besser in der Prämie widerspiegelt.