Gary Cohn hat erst vor wenigen Monaten seinen «Traumjob» im Weissen Haus angetreten und wird bereits für höhere Weihen gehandelt: Der Wirtschaftsberater von Präsident Donald Trump gilt als heisser Anwärter auf den Posten an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve. Es sei aber nicht an der Zeit, sich Gedanken über eine Nachfolge von Fed-Chefin Janet Yellen zu machen, wies der frühere Goldman-Sachs-Manager jüngst in einem TV-Interview Ambitionen auf den Top-Job lächelnd zurück.

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Es wäre ein Novum

Ein klares Dementi kam dem bullig wirkenden 56-Jährigen mit der hohen Stirn jedoch nicht über die Lippen. Sollte er tatsächlich in gut einem halben Jahr an die Fed-Spitze wechseln, wäre dies ein Novum in der jüngeren Geschichte der Notenbank.

Seit fast 40 Jahren hat es niemand mehr an den geldpolitischen Schalthebeln gegeben, der kein ausgewiesener Volkswirtschaftler ist. Aus der Elite in diesem Fach mit seinen Theorien zur Inflation und zum Arbeitsmarkt rekrutiert sich normalerweise das Spitzenpersonal der Fed, die Vollbeschäftigung und stabile Preise fördern soll. Der Mann aus Ohio, der sich in klassisch amerikanischer Manier nach oben gearbeitet hat, könnte jetzt mit der goldenen Aufnahmeregel für die Fed-Spitze brechen.

Ein Bluffer mit Legasthenie

Cohn hatte bereits als Schüler ein Handicap, das ihm schwer zu schaffen machte - Legasthenie. Er wurde gehänselt, hatte letztlich 1982 aber trotz Lese- und Rechtschreibschwäche doch einen Studienabschluss als Betriebswirt in der Tasche.

Wie Cohn vor einigen Jahren an seiner früheren Universität in Washington bekannte, schlug er sich zunächst mehr schlecht als recht durch. In seiner Freizeit lungerte er vor der Rohstoffbörse in New York herum: «Denn ich hatte eine brennende Leidenschaft für die Finanzmärkte.»

Schliesslich gelang es ihm, einen Börsianer zu überreden, ihn zum Bewerbungsgespräch einzuladen. Doch Cohn hatte nur geblufft und musste sich sein angebliches Wissen über Optionen erst nachträglich anlesen. Dennoch bekam er die Stelle und sollte später bei Goldman Karriere machen.

Darf auf breite Zustimmung hoffen

Falls ihn Trump nun zum Fed-Chef befördern sollte, würde er einen weit grösseren Coup landen. Als Direktor des ökonomischen Beratergremiums National Economic Council ist er im Weissen Haus auf dem Sprung, sich für höhere Weihen zu empfehlen.

Zuletzt hatte US-Präsident Jimmy Carter 1978 mit William Miller einen Mann an die Spitze der Fed berufen, der nicht aus der Ökonomen-Gilde stammte: «Falls Gary den Job haben möchte, wird er ihn auch bekommen. Und ich glaube, dass er ihn will», zitierte jüngst das Magazin «Politico» einen Republikaner. Auch wenn einige Parteifreunde im Senat Magenschmerzen mit der Berufung des Demokraten haben dürften, könne Cohn auf breite Zustimmung hoffen.

Höchstes Lob für Trump

Doch soweit ist er noch nicht und hält einstweilen den Ball flach: In Interviews schwärmt Cohn von seinem «Traumjob» im Weissen Haus und dem dort herrschenden Teamgeist: «Präsident Trump liebt es, verschiedene Meinungen zu hören.» Aus dessen Umfeld heisst es, Trump spreche von Cohn geradezu ehrfurchtsvoll als «eines meiner Genies».

Der loyale und nicht polarisierende Top-Berater hat auch einen guten Draht zu Trumps Schwiegersohn, Jared Kushner, der einst bei Goldman als Praktikant anheuerte. Cohn arbeitet für Trump federführend an der Steuerreform, die der Staatschef als «phänomenal» angekündigt hat. Sollte er dieses Projekt nach holprigem Start zur Zufriedenheit Trumps durch den Kongress bringen, würde er sich damit wohl für den Posten an der Fed-Spitze empfehlen.

Entscheidung kommt Ende 2017

Dass Trump Yellen im Februar 2018 mit einer zweiten Amtszeit belohnt, erscheint nach dem Wahlkampf mindestens fraglich: Er warf ihr vor, auf Geheiss des früheren Präsidenten Barack Obama die Zinsen künstlich niedrig gehalten zu haben, um das Platzen einer Preisblase an der Wall Street zu dessen Amtszeit zu verhindern.

Dem «Wall Street Journal» sagte Trump gerade, Yellen sei noch im Rennen, es gebe aber noch zwei oder drei andere Kandidaten. Namen nannte er dabei nicht. Die Entscheidung will der Republikaner Ende 2017 fällen.

Eine andere Führungsfigur

Mittlerweile hat die Fed die Zinsen seit der Wahl Trumps im November 2016 bereits drei Mal angehoben und verabschiedet sich langsam vom Krisenmodus: «Die Fed ist auf einem Kurs hin zur Normalisierung, so dass ein neuer Chef das Ruder wohl nicht herumreissen dürfte», sagt Ökonom Eric Stein vom Finanzhaus Eaton Vance.

Dennoch würde der pragmatische «Macher» Cohn eine andere Führungsfigur abgeben als die Yale-Absolventin Yellen oder deren Vorgänger Ben Bernanke, der sich akademische Lorbeeren an den Elite-Universitäten Harvard und Cambridge verdiente. «Cohn dürfte wohl mehr über die Märkte wissen als je ein Notenbankchef, auch wenn sein geldpolitischer Hintergrund beschränkter ist», so Stein.

Bescheidenere Bezüge als bei Goldman Sachs

Cohn ist wie Trump ein passionierter Golfer und zugleich ein Familienmensch: Die Erziehung seiner drei Töchter bezeichnete der frühere President und Chief Operating Officer von Goldman Sachs augenzwinkernd als die «härteste meiner Aufgaben». Sollte er zur Fed wechseln, werden ihm bekannte Gesichter begegnen: Mit dem New Yorker Fed-Chef William Dudley, Minneapolis-Fed-Präsident Neel Kashkari und Dallas-Fed-Chef Robert Kaplan waren gleich drei Führungsmitglieder früher für Goldman Sachs tätig.

Als Cohn Anfang 2017 ins Weisse Haus wechselte, wurde ihm der Abgang mit einem goldenen Handschlag versüsst: Mindestens 85 Millionen Dollar flossen auf sein Konto. Sollte er nächstes Jahr an die Spitze der mehr als 100 Jahre alten US-Notenbank wechseln, werden die Bezüge im Vergleich dazu bescheidener sein: Cohn müsste sich mit etwas mehr als 200'000 Dollar im Jahr begnügen. 

(sda/ccr)

So viel verdienen die Notenbankchefs: