Obwohl das neue Coronavirus Sars-CoV-2 aus China stammt und wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung schon früh in anderen asiatischen Ländern auftauchte, liegen die Fallzahlen in diesem Teil der Welt weit unter denen Europas und Nordamerikas.

Über die Gründe dafür ist viel spekuliert worden: Die omnipräsenten Medizinmasken, eine Kultur des Abstandes ohne social distancing, eine diszipliniertere Bevölkerung oder gar eine breitere Akzeptanz für diktatorische Massnahmen wurden unter anderem schon als Erklärung ins Feld geführt.

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Eigener Weg – besserer Weg?

Doch nicht alle asiatischen Staaten, in denen es keine Explosion der Fallzahlen gab, ergriffen rigorose Beschränkungen. Im Gegenteil, vielerorts wurde die Freiheit der einzelnen Menschen weniger eingeschränkt als beispielsweise in Spanien oder Frankreich.

Singapur, Taiwan, Südkorea und Japan gingen alle ihren eigenen Weg – und sind damit bisher nicht schlechter gefahren.

Ein Vergleich der Massnahmen und der Entwicklung der Epidemie in diesen Ländern macht deshalb Sinn, auch wenn beispielsweise Fall- und Todeszahlen stark von der Zahl der Tests abhängen. Er zeigt, dass es neben Lockdowns noch andere Methoden zur Eindämmung von Covid-19 gibt.

Singapur Coronavirus Merlion

Keine Touristen beim Merlion, dem Wahrzeichen Singapurs.

Quelle: imago images/Le Pictorium
Singapur

Einwohner: 5,6 Millionen
Bestätigte Fälle: 13'624
Todesfälle: 12

Der Stadtstaat hatte seinen ersten Fall am 23. Januar, als ein Chinese aus Wuhan positiv getestet wurde. Danach gelang es den Behörden lange, die Kurve der Neuinfektionen flach zu halten – mittels schneller Isolierung der Erkrankten und ihrer Kontakte. Singapur war gut vorbereitet wegen der Sars-Epidemie, die das Land vor 17 Jahren stark getroffen hatte, und galt Mitte März mit rund 200 Fällen als Musterbeispiel einer erfolgreichen Covid-19-Bekämpfung.

Doch seither ist die Zahl der Erkrankungen stark gestiegen. Vor allem in den engen Schlafquartieren der Gastarbeiter aus Bangladesch und Indien bereitete sich das Virus lange unentdeckt aus. Entsprechend verschärfte die Regierung die Massnahmen, das Land befindet sich seit Anfang April im teilweisen Lockdown dessen geplantes Ende inzwischen vom 4. Mai auf den 1. Juni verschoben wurde.

Zudem soll die Zahl der als «notwendig» eingestuften Geschäfte, die noch öffnen dürfen, reduziert werden. Viele U-Bahn-Stationen sind geschlossen und das Tragen von Schutzmasken ist an vielen Orten Pflicht, ebenso wie striktes social distancing. Ausländer können mit wenigen Ausnahmen nicht mehr einreisen.

Mit inzwischen über 13'000 bestätigten Erkrankungen ist das kleine Singapur zwar keine spezielle Ausnahme mehr und die Regierung erwartet, dass die Zahl weiterhin stark steigen wird, während die Tests in den Wohnheimen der Gastarbeiter intensiviert werden. Unter den Bürgern des Landes dagegen ist die Situation weiterhin unter Kontrolle und die niedrige Zahl der Toten deutet auf eine hohe Erkennungsquote und ein gutes Gesundheitssystem.

Taiwan Coronavirus

Japanische Flughafenarbeiter entladen Masken aus Taiwan.

Quelle: imago images/Kyodo News
Taiwan

Einwohner: 23,8 Millionen
Bestätigte Fälle: 429
Todesfälle: 6

Am 21. Januar wurde eine Rückkehrerin aus Wuhan positiv auf das neue Virus getestet. Schon zuvor hatte der Inselstaat umfangreiche Schutzmassnahmen gegen die neue Gefahr vom Festland ergriffen. Bereits am 31. Dezember 2019 waren nach Berichten über eine neue Krankheit von Taiwans Gesundheitsbehörde CDC Kontrollen für Flüge aus Wuhan angeordnet worden.

Ironischerweise profitierte Taiwan davon, dass es auf Druck Chinas nicht Mitglied der Weltgesundheitsorganisation WHO ist. So setzte das Land auf eigene Erkenntnisse, als die WHO noch «keine Beweise für eine Übertragung von Mensch zu Mensch» sah und von Reisebeschränkungen gegen China abriet.

Nach dem Ausbruch verhängte die Regierung ein vorübergehendes Verbot des Exports von Schutzmasken und eine Rationierung des Verkaufs im Inland. Die Maskenproduktion wurde erhöht und der Schulstart um zwei Wochen auf den 25. Februar verschoben. Nachdem Reisende zunächst für 14 Tage in Selbstisolation gehen mussten, wurden Einreisen von Ausländern ab Mitte März mit wenigen Ausnahmen vollständig gestoppt. Verschiedenen Berufsgruppen sind Reisen ins Ausland untersagt.

Taiwan hat die Epidemie unter Kontrolle und kann inzwischen sogar wieder Masken ins Ausland liefern und so Stärke demonstrieren. Viele ausländische Medien bezeichnen das Vorgehen des Landes als mustergültig. Mit dem Ignorieren Taiwans hat die WHO ein Eigentor geschossen, wie ein Interview mit dem WHO-Epidemiologen Bruce Aylward zeigte, der das Gespräch bei der Erwähnung des Staates überhastet abbrach (siehe unten). China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und geht weltweit gegen die Anerkennung des Landes vor.

Südkorea Wahlen Coronavirus

Wahlen in Südkorea am 15. April 2020, inmitten der Corona-Pandemie.

Quelle: imago images/UPI Photo
Südkorea

Einwohner: 51,7 Millionen
Bestätigte Fälle: 10'738
Todesfälle: 243

Das neue Virus erreichte Südkorea am 20. Januar. Die Epidemie wurde zunächst vor allem durch technologisches Tracking der Kranken eingedämmt, beispielsweise über Kreditkartendaten und Überwachungskameras. Die Zahl der Infizierten stieg stark an, nachdem ein Mitglied einer christlichen Sekte erkrankte und zahlreiche Glaubensbrüder ansteckte.

Dann schien Südkorea Ende Februar in eine katstrophale Negativspirale zu fallen, in nur zwei Wochen wurden rund 4000 neue Fälle entdeckt. Doch das Land bekam den Ausbruch mit einer Mischung aus vielen Tests, Quarantäne und Überwachung überraschend schnell wieder in den Griff. Kranke müssen in Isolation gehen, ihre Kontakte werden über Standortdaten ihrer Smartphones und Kreditkartendaten ausfindig gemacht und mit Alerts aufs Handy gewarnt. Wer in Selbstquarantäne gehen soll, muss eine App herunterladen, welche die Behörden bei einem Verstoss warnt.

Restaurants und Geschäfte blieben in der Krise selbst in der stark betroffenen Stadt Daegu offen. Alle Ankömmlinge aus dem Ausland müssen in Quarantäne. Nicht einreisen dürfen Passagiere aus der chinesischen Provinz Hubei. Zudem gelten Restriktionen für japanische Bürger, welche die Regierung als Vergeltung für japanische Reisebeschränkungen erlassen hat.

Am 15. April wurde die Nationalversammlung unter starken Vorsichtsmassnahmen neu gewählt. Die Partei von Präsident Moon Jae-in errang dabei eine absolute Mehrheit, was als Bestätigung der Corona-Massnahmen der Regierung gewertet werden kann.

Japan Coronavirus Stay Home

Angestellte der Stadt Tokio im Ausgehviertel Kabukicho: «Stay Home».

Quelle: imago images/AFLO
Japan

Einwohner: 126,1 Millionen
Bestätigte Fälle: 13'441
Todesfälle: 372

Der erste Covid-19-Patient in Japan war am 6. Januar aus Wuhan zurückgekehrt. Das Land war damit nach China als eines der ersten von der Epidemie betroffen. Dennoch blieb die Fallzahl lange tief, auch wenn die Regierung in ihren Massnahmen äusserst zurückhaltend blieb. So wurde beispielsweise eine Quarantäne für Einreisende aus China erst Anfang März verhängt, nachdem zuvor wochenlang normaler Tourismusbetrieb herrschte.

Eine erste Welle der Erkrankungen gab es auf dem Kreuzfahrtschiff «Diamond Princess», das im Februar im Hafen von Yokohama unter Quarantäne gestellt wurde. Über 700 Passagiere erkrankten und 13 von ihnen starben. Doch auch nach der Aufhebung der Quarantäne und Entlassung der Passagiere nach Hause kam es nicht zur erwarteten Explosion der Fälle im Land. Zwar liess die Regierung nur wenige Tests durchführen, doch auch eine Überlastung der Spitäler blieb vorerst aus.

Erst nachdem die Olympischen Spiele in Tokio Ende März um ein Jahr verschoben wurden, nahm die Zahl der Erkrankungen stark zu. Inzwischen kommen jeden Tag mehrere hundert Fälle dazu. Am bisherigen Rekordtag, dem 10. April, wurden 743 Neuerkrankungen gemeldet. Die Regierung verhängte am 7. April den Notstand über Tokio und sechs Präfekturen. Am 16. April wurde der Notstand auf das gesamte Land ausgedehnt.

«In Tokio sollen Bars um 8 Uhr Abends schliessen. Eine Strafe für die Nichtbefolgung ist allerdings nicht vorgesehen, wer mitmacht soll finanziell belohnt werden.»

Unter der Verordnung werden die Leute dazu aufgefordert zu Hause zu bleiben, social distancing zu praktizieren und Hygieneregeln einzuhalten. Die rechtlichen Auswirkungen sind dagegen gering.

Immer mehr Geschäfte sind geschlossen. In Tokio verlangte Gouverneurin Yuriko Koike gegen den Widerstand der Regierung von Premier Shinzo Abe die Schliessung von Spielhallen und Internetcafés und beschränkte den Betrieb von Bars bis 8 Uhr Abends. Eine Strafe für die Nichtbefolgung ist allerdings nicht vorgesehen, wer mitmacht soll finanziell belohnt werden. Die Beschränkungen gelten bis zum Ende der Feiertage der Golden Week, am 6. Mai.

Strikter ist Japan gegenüber Einreisen aus dem Ausland. Reisende aus 73 Ländern, darunter der USA, Chinas und der Schweiz dürfen nicht einreisen. Der internationale Tourismus im Land ist damit quasi zum Erliegen gekommen.

Covid-19: Japans Weg ist einzigartig. Ist er auch besser?

Obwohl die Epidemie das Land als eines der ersten erreichte, kam es bisher zu keinem grossflächigen Ausbruch. Was Japan anders macht. Mehr hier.

Fazit

Während die Reaktion Singapurs mit der Kombination von Lockdown und Tests den Methoden in Europa sehr nahe kommt, setzte Südkorea in erster Linie auf technologische Lösungen. Japan reagierte langsam und ohne klare Strategie, dennoch gelang es die Ansteckungskurve lange flach zu halten. Taiwan gilt mit seiner schnellen und eigenständigen Reaktion auf den Ausbruch als Musterbeispiel und ist eines der wenigen Länder, in denen das Virus nie Fuss fassen konnte.

Die anderen drei Länder erlebten oder erleben alle Phasen, in denen die Zahl der Erkrankungen sprunghaft ansteigt. Das zeigt, wie schnell das Virus auch bei einer vermeintlich positiven Entwicklung wie in Singapur plötzlich zurückkehren kann.

Bei allen Unterschieden zwischen den Ländern gibt es indes eine übergreifende Gemeinsamkeit, die sich in Europa nicht kopieren lässt. Singapur, Taiwan und Japan sind Inseln, und Südkorea ist wegen der geschlossenen Grenze zu Nordkorea nur auf dem Luft- oder Seeweg erreichbar. Die wenigen möglichen Einreisepunkte machen die Identifikation und Eindämmung der Krankheit sicher einfacher.

Coronavirus Asien 23 04 20

Eine ständig aktualisierte Übersicht über den Verlauf der Pandemie weltweit finden Sie hier.

Quelle: JHU CSSE