Die deutsche Forschungsfirma Biontech und ihr Industriepartner Pfizer wollen nach positiven Studiendaten noch im November den Zulassungsantrag für ihren Corona-Impfstoff in den USA stellen. Anleger hoffen auf einen wichtigen Schritt zurück zur Normalität.
Das kündigten die beiden Unternehmen am Montag an. Den Daten zufolge war das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, für Studienteilnehmer mit Impfung um mehr als 90 Prozent geringer als ohne Impfung. Dies ergaben die Phase-III-Studien mit Zehntausenden Freiwilligen.
94 Fälle
Bislang infizierten sich lediglich 94 Teilnehmer. Die Erfolgsrate ist damit so hoch, dass die Anforderungen erfüllt sind. Biontech und Pfizer setzen die Tests aber fort, bis insgesamt 164 Personen infiziert sind. Eine Senkung der Infektionsraten um über 90 Prozent ist ein Wert, der deutlich über den erhofften 60 bis 70 Prozent liegt.
«Dies zeigt, dass Covid-19 kontrolliert werden kann», sagt Ugur Sahin, Mitgründer und CEO der Mainzer Firma Biontech. «Am Ende des Tages wird das wirklich ein Sieg der Wissenschaft sein.»
Euphorisch lässt sich auch William Gruber zitieren, der Senior Vice Presicent für die klinische Impfforschung von Pfizer: «Es ist wohl die beste mögliche Nachricht für die öffentliche Gesundheit der Welt und der Vereinigten Staaten.» Die Resultate seien besser als alles, was er erhofft habe.
Allerdings gibt es immer noch einige offene Fragen, zum Beispiel, wie stark die Wirkung (und auch die Nebenwirkungen) bei bestimmten Sub-Gruppen sind, insbesondere bei den Älteren. William Gruber räumte auch ein, dass noch offen ist, wie sehr der Impfstoff eine schweren Krankheitsverlauf verhindern kann – da keiner der 94 Infizierten ernsthaft erkrankte.
Sobald genügend Daten zur Sicherheit des Impfstoffs vorlägen – womit in der dritten Novemberwoche gerechnet wird – wollen die Partner den Antrag einreichen. Bislang seien in der Studie keine ernsten Sicherheitsbedenken aufgekommen.
Kursfeuerwerk an den Börsen
An der Frankfurter Börse sprangen die Biontech-Aktien um 20 Prozent nach oben. Zahlreiche Regierungen haben sich bereits Millionen Dosen der Impfung vorab gesichert, darunter die USA, Japan und Grossbritannien. Auch die Europäische Kommission hat mit Biontech und Pfizer Sondierungsgespräche über den Kauf von bis zu 300 Millionen Dosen abgeschlossen.
Die Aussicht auf die nahende Zulassung löste ein Kursfeuerwerk an den Börsen aus. Dem Dax beschert die Nachricht den grössten Kurssprung seit einem halben Jahr. Der SMI sprang nach einem lauen Handelstag innert Minuten auf ein Plus von 2 Prozent.
Naeem Aslan, Chef-Analyst des Brokerhauses Avatrade sprach gegenüber der Agentur «Reuters» von dem «Unterbrecher, auf den Gesundheitsexperten in dieser Pandemie gewartet haben». Die Nachrichten bringe uns einen Schritt näher zu einem normalen Leben.
«Wir sind zwar noch nicht am Ziel, aber die Nachricht, dass dieser Impfstoff hoch-effizient sein könnte, ist das Beste, auf das die Märkte hoffen können», so Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. «Es herrscht enormer Optimismus heute - Licht am Ende des Tunnels. Hoffen wir bloss, dass uns die Impf-Verweigerer keinen Strich durch die Rechnung machen, aber die Aussichten für 2021 haben sich deutlich aufgehellt.»
Analyst Timo Emden von Emden Research ergänzt: «Dies ist die Erfolgsmeldung, auf welche die Börsen sehnsüchtig gewartet haben.» Allerdings müssten sich die heute geernteten Vorschusslorbeeren am Ende des Tages aber bewahrheiten.
Schweiz hat Impfstoffe von Moderna und AstraZeneca reserviert
Biontech und Pfizer erwarten, in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen auszuliefern und im kommenden Jahr bis zu 1,3 Milliarden Dosen.
Dazu hat Biontech unter anderem die GMP-zertifizierte Produktionsanlage in Marburg von Novartis übernommen. Bei vollem Betriebsumfang werde die Produktionsanlage Biontechs Covid-19-Impfstoff-Produktionskapazitäten um bis zu 750 Millionen Dosen pro Jahr oder mehr als 60 Millionen Dosen pro Monat erweitern, teilte die Firma im September mit.
Die Schweiz hat andere Impfstoffe – für den Fall eines Erfolgs – reserviert, nämlich jenen der US-Biotech-Firma Moderna mit Industriepartner Lonza und den von AstraZeneca. Der Erfolg von Biontech nährt aber die Hoffnung, dass der nach ähnlichen Prinzipien funktionierende Stoff von Moderna ebenfalls wirksam sein wird.
(rap/gku/bloomberg/reuters)