«Das verrückteste Hotel der Schweiz», «Gewöhnungsbedürftiger Glamour», «Die Lady Gaga unter den Hotels» - vor einem Jahr überschlugen sich die Schlagzeilen, als das neue Kameha Grand Hotel in Opfikon eröffnete. Das Lifestyle-Hotel hebt sich von den Zürchern Grandhotels ab, ist anders, extravaganter, was wohl auch der Natur des charismatischen Patrons entspricht.

Carsten Rath ist Gastgeber und Galionsfigur des Kameha Grand und zugleich Gründer und CEO der Lifestyle Hospitality & Entertainment Group, die alle Hotels mit dem Namen Kameha betreibt. Nach einem Jahr Hotelbetrieb im Zürcher Glattpark fällt seine Bilanz durchwachsen aus. «Als wir gestartet sind, hätten wir uns keinen schwierigeren Zeitpunkt aussuchen können», sagt der deutsche Unternehmer im Gespräch mit bilanz.ch.

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Schwierige Umstände

Der Grund sei das Ende des Euro-Mindestkurses, das kurz vor der Eröffnung einschlug. Doch auch die Krisen in Europa wie die Annexion der Krim habe das noch junge Hotel zu spüren bekommen. Die Konsequenz: Das anfängliche Ziel, 59 Prozent Belegung zu schaffen, wurde verfehlt. «Wir liegen 10 Prozent unter dem Budget», so der Hotelier.

Den anderen Zürcher Grandhotels ergeht es da besser: Mit einer Zimmerauslastung von 59 Prozent im Jahr 2015 liegt das Dolder Grand knapp 1 Prozent über Vorjahr. Und auch das Park Hyatt verzeichnet eigenen Angaben zufolge «ein ausserordentlich gutes Jahr». Die Zahlen würden in vielen Bereichen über dem Vorjahr liegen und die Auslastung sei gesteigert worden, lässt das Fünf-Stern-Hotel mitteilen, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

Positive Überraschungen

Doch trotz des mühsamen Startes verzeichnet das Kameha positive Überraschungen: «Wir haben deutlich mehr Schweizer Gäste, als wir uns je zu träumen gewagt hätten», sagt Rath. So seien 56 Prozent der Logier-Gäste und 78 Prozent der Gastronomie-Gäste Schweizer. Danach kämen mit deutlichem Abstand Gäste aus England, Amerika und Deutschland.

Und noch etwas zeichnet sich laut Rath nach einem Jahr Hotelbetrieb ab: «Unsere Gastronomie ist erfolgreicher, als wir gedacht hätten.» Sowohl das Restaurant L’Unico wie auch das kürzlich umbenannte «You» sind laut Rath gut ausgelastet.

Es sind zwei Restaurants, die ins Auge fallen: Während im italienischen Restaurant - in dem ein Teller von sechs Meter Durchmesser an der Decke hängt - Teigwaren in der Pasta-Werkstatt direkt vor den Augen der Gäste zubereitet werden, ist Letzteres japanisch-fernöstlich angehaucht. Dies zeigt sich bereits am Interieur: Holzpaneele an den Wänden erinnern an die Schweizer Scherenschnittkunst und zeigen zugleich japanische Motive. Mit Norman Fischer kocht hier jedoch kein Japaner, sondern ein Norddeutscher, ausgestattet mit einem Michelin-Stern und 15 Gault-Millau-Punkten. Das kommt an.

Eigenwilliges Design

Insgesamt ist es so laut Rath gelungen, Kameha als positiv besetzte, charmante Marke im Markt zu positionieren. Dazu beigetragen hat sicherlich auch das eigenwillige Design mit seinem Hang zum Bizarren. Rath sagt: «Das Kameha ist gebaut worden als ein Hotel mit moderner Interpretation der Grand Hotellerie.»

Einer sehr modernen Interpretation. Denn betritt man das Hotel, fährt der Blick erstmal Achterbahn: riesige Kuhglocken baumeln in der Lobby von der Decke, die Hotelbar ist mit unzähligen Goldpailletten übersät und Wände erscheinen in grossen Schoggitafeln – um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen.

Elf Themensuiten - beliebt bei Schweizern

Zudem kann der Gast zwischen elf Themensuiten wählen – eine Idee, die laut Rath funktioniert und sehr gut ankommt. Zur Auswahl stehen unter anderem die «Space Suite», ganz in Weltall-Optik mit freischwebendem Bett, Raketenlampe und Nasa-TV, die «Princess Suite», ausgestattet natürlich mit einem Schminktisch oder die «Burlesque Suite», in der sich alles um Erotik dreht – inklusive Sexspielzeug. Da erübrigt sich fast die Frage, welche Suite am meisten gebucht wird. «Die Burlesque-Suite – mit deutlichem Abstand und vor allem von Schweizern», so Rath.

Für den Standort, der einst von Kritikern als Nachteil beäugt wurde, würde sich Rath auch heute wieder entscheiden. «Aber ich würde ein anderes Produkt bauen, mit weniger Zimmern und einem Drittel Luxus-Apartments», sagt der Unternehmer. «Das ist ein Markt, der immer stärker werden wird, vor allem hier in Zürich wegen den Expats.»

Nicht alle Ideen gehen auf

Doch nicht alle Ideen, die sich der Deutsche einst in den Kopf gesetzt hatte, gehen auf. Dazu zählt der «Dome», der mit mehr als 700 Quadratmetern grösste Festsaal der Schweiz. Laut Rath ist die Belegung «eine Enttäuschung». «Uns ist es bislang nicht gelungen, den Ballsaal zu vermarkten.» In der Konsequenz liegen die Buchungen deutlich tiefer als erhofft.

Der Unternehmer weiss, warum: das Herzstück befindet sich in der ersten Etage, so wie es der Deutsche damals trotz Widerstände durchgesetzt hatte. Das Problem dabei: Die Location ist nicht ersichtlich. «Sie können wochenlang in diesem Hotel wohnen, ohne diesen Dome auf der ersten Etage überhaupt wahrzunehmen.»

Ein ähnliches Phänomen beobachtet er bei seinem Spa, dass sich in der sechsten Etage befindet. «Vielleicht hätte ich damals bei der Planung alles, was mehr Publikum braucht, wie der Spa oder der Dome, ins Erdgeschoss legen müssen. Aber ändern können wir es jetzt auch nicht mehr», sagt Rath.

Veränderungen in der Sales-Struktur

Zudem macht dem Hotelier die Wahrnehmung des Kameha Sorgen. «Bislang misslingt uns noch, dass wir der absolute gesellschaftliche Mittelpunkt derjenigen sind, die ein tolles Design wollen, die einen grossen Lifestyle haben und den modernen Luxus lieben», so der Hotelier. Doch Rath hat bereits die Konsequenz daraus gezogen und die gesamte Sales-Struktur auf den Kopf gestellt.

Statt Russland steht der lokale Markt im Fokus. «Wir haben zwei Leute im Sales, die nur hier im Umkreis von zwei Kilometern aktiv sind, um die Firmen vor Ort zu akquirieren.» Zudem sind Projekte wie eine hauseigene Buchhandlung in Planung, die für eine stärkere emotionale Bindung der Gäste sorgen sollen.

Noch mehr Swissness

Vor allem das Thema «Swissness» spiele dafür eine grosse Rolle. «Swissness erleben heisst auch mehr Swissness zeigen», sagt Rath. Und auch hier hat der Unternehmer bereits reagiert, indem er den Schweizer Hotelier Werner Knechtli als Botschafter engagiert hat. Zudem soll im Sommer ein Schweizer General Manager eingestellt werden.

«Ich hatte jetzt ein Jahr Zeit, dem Hotel meinen Stempel zu geben. Meine Stärke lag immer darin, etwas aus dem Boden heraus zu kreieren, von Null auf 100. Aber meine Stärke ist nicht aus 100 110 zu machen. Und dieses Haus braucht, gerade weil der Schweizer Markt so wichtig geworden ist, eine Schweizer Prägung», sagt Rath. Es sei daher an der Zeit, loszulassen.