Manchmal geht Hans-Rudolf Merz aufs Ganze. Beim letzten BILANZ-Gespräch war es wieder einmal so weit (BILANZ 1/2008): Der EU werde er in Steuerfragen keinen Millimeter nachgeben, meinte er damals trotzig. Keinen Millimeter, «sonst trete ich zurück».

Heute lässt sich die Bresche, durch welche die Forderungen nicht nur der EU, sondern auch der ungleich grösseren OECD in die Schweiz drängen, nicht in Millimetern messen, sondern in Metern.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Merz’ Zögerlichkeit in der Verteidigung des Bankgeheimnisses hat den Schutz des Finanzplatzes schwieriger gemacht. Dies ist umso schlimmer, als derzeit die Weichen gestellt werden, wie der Sektor in den kommenden Jahrzehnten ausgestaltet sein wird. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg tobte der internationale Finanzstreit so heftig wie heute. Führungsstärke wäre da besonders gefragt.

Wird der Druck zu stark, reagiert Merz mitunter wie ein Vogel Strauss. Im Frühling 2005 entschied er, dass in der ersten Etage des «Bernerhofs», wo das Finanzdepartement seinen Sitz hat, keine Zeitung aufliegen dürfe. Kurz zuvor hatte der Bundesrat dem Verkauf der Swiss an die Lufthansa zugestimmt, und Merz erwartete einen Aufschrei in den Medien. Dieser kam dann auch. Merz sei eben von der Richtigkeit des Entscheids überzeugt gewesen und wollte deshalb keinerlei Kritik lesen, sagen Vertraute, die viele Jahre mit ihm zusammengearbeitet haben. Manchmal sei der Finanzminister wie eine Sphinx – freundlich lächelnd, doch was er wirklich denke, bleibe rätselhaft.

Am Tiefpunkt. Im Volk ist die Zustimmung gegenwärtig so tief wie nie zuvor. Nur gerade 44 Prozent der Schweizer wollen noch, dass Merz in der Politik eine wichtige Rolle spielt, wie das Politbarometer des Forschungsinstituts Isopublic zeigt. Sogar die eigene Partei stösst ihm nun das Messer in den Rücken: Seit FDP-Präsident Fulvio Pelli jüngst einen möglichen vorzeitigen Rücktritt des bis 2011 gewählten Finanzministers thematisierte, bringen sich bereits mögliche Nachfolger in Stellung.

Sieben Jahre nach seiner Wahl in den Bundesrat ist Hans-Rudolf Merz am Tiefpunkt angelangt. Eine einst hoffnungsvolle Karriere, geprägt durch Erfolge wie die Sanierung des Staatshaushalts (siehe «Karriere-Barometer» im Anhang), droht in Schmach zu enden.

Zwei Ereignisse bremsten den Appenzeller: ein Herzkollaps im September 2008 und seine Reise nach Tripolis im August 2009, wo er es trotz dem Bückling vor Revolutionsführer Gaddafi nicht schaffte, die Schweizer Geiseln nach Hause zu bringen.

Seither gilt Merz als miserabler Verhandlungsführer, dem jede Souplesse fehlt. Seither ist jedes Mal, wenn er sich mit ausländischen Repräsentanten trifft, das Misstrauen wieder da, dass er er sich erneut über den Tisch ziehen lässt.

Ein Beispiel ist das am 26. März ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Merz gelang es zwar, wichtige Themen wie die Einführung einer Abgeltungssteuer für in der Schweiz versteckte Vermögen einzubringen. Damit konnte er die derzeit gültige Strategie, statt des von der EU geforderten automatischen Informationsaustauschs eine anonyme Pauschalsteuer anzubieten, an oberster Stelle platzieren, nämlich bei Finanzminister Wolfgang Schäuble persönlich. Doch die Schweiz verkaufte sich insgesamt zu billig. Merz hätte als Gegenleistung klare Zugeständnisse in Bezug auf den längst geforderten Marktzutritt für die Schweizer Finanzindustrie in Deutschland einfordern sollen. Er hätte auch darauf bestehen müssen, dass die deutsche Regierung grundsätzlich auf den Einsatz gestohlener Bankdaten im Steuerstreit mit der Schweiz verzichtet. Elisabeth Meyerhans, die Generalsekretärin in Merz’ Eidgenössischem Finanzdepartement (EFD), sieht im Abkommen freilich «einen grossen Schritt vorwärts». Der Einsatz gemeinsamer Arbeitsgruppen sei ein Zeichen, dass Deutschland über das lange bekämpfte Thema einer Abgeltungsteuer «vertieft reden will». Bleibt zu hoffen, dass dies nicht nur ein weiteres taktisches Manöver der Deutschen ist. Zu oft schon spielte der wichtigste Schweizer Handelspartner auf Zeit, nur um am Ende auf der eigenen Position zu beharren.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Schweiz als Verliererin vom Platz ziehen müsste. Vor der OECD und ihrer Forderung, den in der Schweizer Rechtsauffassung bestehenden Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufzugeben, kapitulierte der Finanzminister im März 2009. Zur selben Zeit ging er auch vor Deutschland und dessen damaligem Finanzminister Peer Steinbrück in die Knie. Der drohte damit, gegen die Schweiz «nicht nur das Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche» einzusetzen und mit seiner «Kavallerie» gegen die Schweizer «Indianer» bereitzustehen. Was Merz nicht daran hinderte, Steinbrück als «Freund des Landes» zu bezeichnen.

Der Ausfall. Gegenüber den USA hatte die Schweiz schon zuvor klein beigegeben, als am 18. Februar 2009 Kundendaten der Grossbank UBS an die US-Behörden ausgeliefert wurden – dies versetzte dem Schweizer Bankgeheimnis einen schweren Schlag. Dieser Sündenfall wird vor allem Merz angekreidet, da er das Amtshilfeverfahren mit den USA im Fall UBS monatelang verschlief. Es gab weder eine Task Force noch einen Zeitplan. Seine Kollegen im Bundesrat, die darauf drängten, den Prozess vorwärtszutreiben, vertröstete er, man sei im Kontakt mit den Amerikanern und alles komme gut.

Dann fiel Merz aufgrund seines Herzkollapses aus. Auch Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die das Dossier übernahm, trieb die Sache nicht verstärkt voran. Als Merz nach sechs Wochen zurück ins Amt kam, machte das Regierungsgremium erneut Dampf. «Da hätten nach und nach Namen in die USA geliefert werden sollen, doch nichts geschah», sagt ein Involvierter. Und zwar so lange nicht, bis der amerikanischen Seite der Kragen platzte und man mit Sanktionen drohte. Der Datentransfer in Richtung USA stand im Gegensatz zum Schweizer Recht, wie das Bundesverwaltungsgericht später urteilen sollte.

Bankern wurde es beim Kurs des Bundesrats in Sachen Bankgeheimnis und Steuerstreit zunehmend mulmig. «Wir hatten das Gefühl, die Gefahr werde nicht richtig erkannt», sagt Raymond Bär, Verwaltungsratspräsident der Bank Julius Bär. Der Bär-Verwaltungsrat wurde im Herbst 2009 brieflich bei Merz-Kollegin Widmer-Schlumpf vorstellig. «In der Branche wie auf Regierungsebene wurde spät erkannt, dass ein eigentlicher Paradigmenwechsel ansteht», so Raymond Bär. Ähnlich sieht es Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen-Gruppe: «Die offizielle Schweiz wurde von der Häufung der Themen und der Dynamik regelrecht überfahren.» Diese Ansicht hat sich in der Branche durchgesetzt.

EFD-Generalsekretärin Meyerhans widerspricht. Die Schweiz habe ihre Handlungsmöglichkeiten angesichts des weltweit zunehmenden Drucks, mehr Transparenz zu schaffen, gut genützt: «Man sollte der Realität ins Auge schauen, statt jene Leute, welche die Themen auf den Tisch legen, zu teeren und zu federn.»

Auffällig ist, dass der Wendepunkt in der Karriere von Hans-Rudolf Merz zeitlich mit seinem Herzkollaps zusammentrifft. Den Tiefpunkt erreichte er just in seinem Präsidialjahr 2009, das er wenige Wochen nach seiner Rückkehr vom Krankenlager antrat. Dass Merz den Kollaps überhaupt überlebte, ist glücklichen Umständen zu verdanken. Als er am 20. September 2008 auf einer Autofahrt mit einer Bekannten zusammenbrach, brachte ihn diese umgehend ins Spital Herisau. Glück war auch, dass man sich so nahe beim Krankenhaus befand, denn jede Minute zählte. Nach den lebensrettenden Sofortmassnahmen wurde Merz verlegt. Herzchirurg Thierry Carrel vom Inselspital Bern legte beim Patienten fünf Bypässe.

Die Euphorie. Es fiel auf, mit welch ostentativer Vitalität – die Schritte demonstrativ lang, der Gang federnd – Merz am 3. November 2008 wieder ins Amt zurückeilte. Es wird immer wieder beobachtet, dass Menschen, die ein Erlebnis hatten, das sie nahe an den Tod führte und doch überleben liess, in eine Euphorie verfallen können. In ein Gefühl, fast unverletzlich zu sein. Könnte auch das einer der Gründe sein für Merz’ eigenmächtige Schnellschüsse? Darüber will Herzchirurg Carrel nicht reden. Er dürfe wegen des Arztgeheimnisses zu einzelnen Patienten keine Auskunft geben. Er bestätigt aber generell, dass es solche Phasen der Euphorie in ähnlichen Fällen in der Tat recht häufig gebe. Merz sei sicher eher ein Kämpfertyp. Ob der hohe Arbeitsrhythmus, in den er so kurz nach der Krankheit zurückfand, seiner Gesundheit schade, sei schwer zu sagen. Merz habe sich seit der Operation nicht mehr bei ihm gemeldet. Generell gelte aber, dass sich die Folgen einer starken körperlichen und intellektuellen Beanspruchung oft erst nach mehreren Jahren zeigten, so Carrel.

Merz, 1,71 Meter gross und 65 Kilo schwer, ist körperlich kein Koloss. An Statur gewinnt er vor allem verbal. Positiv wird erwähnt, wie präzis Merz formulieren kann. Er gilt als intelligent und sehr belesen. Negativ schlägt zu Buche, dass er zur verbalen Kraftmeierei neigt.

Dies steht im Kontrast zur Politik des stetigen Nachgebens. Das Bankgeheimnis sei unverhandelbar, sagte Merz lange. Er betonte auch, es gebe kein Doppelbesteuerungsabkommen ohne Marktzugang. Das wirkt angesichts der Verhandlungsrealität seltsam. «Wer zu oft ‹nur über meine Leiche› sagt, der ist irgendwann eine Leiche», ärgert sich ein hoher Vertreter der Administration in Bern.

Merz ist kein Vollblutpolitiker wie seine Bundesratskollegen, die das Lavieren über Jahrzehnte in allerlei politischen Ämtern gelernt haben. Dass er in die Politik kam, war nach eigenen Worten «reiner Zufall». Die beiden am häufigsten monierten Schwächen von Merz, nämlich politisch zu wenig abgebrüht sowie führungsschwach zu sein, erklären sich auch aus seiner Biografie: Politiker wurde er spät, operative Verantwortung trug er bis zur Wahl in den Bundesrat nie.

Merz, 1942 in Herisau AR geboren, stammt aus einfachen Verhältnissen. Er heiratete 1968. Seine Gattin Roswitha arbeitet als Künstlerin. Die beiden haben drei mittlerweile erwachsene Söhne.

Nach der Grundschule studierte er an der Hochschule St. Gallen. Damals unternahm er eine Reise in den kommunistischen Osten, doch in der Studentenzeitung verfasste Jungredaktor Merz einen völlig unpolitischen Reisebericht, der so endete: «Und nun wieder zu Hause, hätte ich eigentlich singen mögen. Vielleicht: ‹Min Vater ischt en Appezöller.›»

Nach einer Tätigkeit als Uni-Assistent wurde er Sekretär der FDP St. Gallen. Von 1974 bis 1977 war er für die UBS tätig, als Vizedirektor des Ausbildungszentrums Wolfsberg, der Kaderschmiede der Bank. Dann folgten über 20 Jahre in Diensten des Industriellenclans Schmidheiny. Merz war für die Beurteilung des Kaders zuständig – ein klassischer Beraterjob ohne Frontverantwortung.

Sprungbrett für die politische Karriere wurde sein Einstieg bei der Kantonalbank Appenzeller AR, die ins Schlingern geraten war. Als VR-Präsident verkaufte er die Bank an die UBS. Eines Abends 1997 entschied er sich, an eine Parteiversammlung zu gehen. Und wurde prompt als Kandidat für die Ständeratswahl vorgeschlagen, obwohl er damals nicht einmal Mitglied der FDP war. «Es gab keine Logik hinter der Kandidatur. Aber die Herausforderung hat mich interessiert», so Merz.

Der Kantonalbank-Retter stach die offiziellen Kandidaten der FDP aus und gewann. Fortan war Berater Merz Politiker. 2003 wurde er mit Christoph Blocher in die Landesregierung gewählt. Merz, der stets Zudiener und Erfüllungsgehilfe war, musste nun selber Marksteine setzen.

Ende Aufbruch. In der Finanzbranche galt das Duo Merz/Blocher als Garant für einen rechtskonservativen Aufbruch. So unterstützte der damalige UBS-Präsident Marcel Ospel explizit die Wahl. Heute dürfte es für Merz bitter sein, dass just unter ihm, dem «Bankenmann», die Stellung des Finanzplatzes so stark erodierte wie unter keinem seiner Vorgänger. Von der anfänglichen Aufbruchstimmung ist heute kaum noch etwas zu spüren. Merz sorgte für Verwirrung statt für einen klaren strategischen Kurs.

So zum Beispiel im vergangenen Februar, als er die erst Mitte Dezember verabschiedete «Strategische Stossrichtung zur Finanzmarktpolitik», die auf der Abgeltungssteuer beruht, aufweichte, indem er ohne Not den automatischen Informationsaustausch ins Spiel brachte. Mit diesem in den meisten EU-Ländern gültigen Standard wäre das Bankgeheimnis endgültig tot, denn dann müssten alle Kontodaten ausländischer Kunden gegenüber dem ausländischen Fiskus offengelegt werden. Erschreckt bemühten sich die Repräsentanten des Schweizer Finanzplatzes, die Bresche wieder zuzukitten. Ein solcher Informationsaustausch sei keine Option, betont Urs Roth, Chef der Bankiervereinigung, und für Martin Scholl, den Chef der Zürcher Kantonalbank, ist das «ein klares No-go».

Die Kommunikationsleute im «Bernerhof» gleich neben dem Bundeshaus bemühten sich derweil zwar darzulegen, die Aussage von Merz sei missverstanden worden, doch der Schaden war angerichtet. «Ich sehe nicht, wie ein Bundesrat seine offizielle Strategie am 16. Dezember publizieren und dann sechs Wochen später das Gegenteil verkünden kann», ärgerte sich Patrick Odier, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (siehe BILANZ 4/2010: «Das grosse Schweigen»). Es brauche Führungskraft, fordert Odier unmissverständlich, und wer diese liefern soll, ist für ihn klar: «Das muss per definitionem der Finanzminister sein.»

«Die offizielle Schweizer Seite hat orientierungslos reagiert», urteilte Konrad Hummler, Teilhaber der Bank Wegelin. Es gilt als schwierig, mit Ratschlägen zu Merz durchzudringen. Ein Privatbankier moniert, es sei fast unmöglich, an ihn heranzukommen. Im Umfeld von Merz werden Vorstösse einzelner Bankiers auch als Druckversuche interpretiert. Darauf aber dürfe ein Bundesrat nicht eingehen, betont Elisabeth Meyerhans. Ein Politiker dürfe keine Wetterfahne sein, sondern müsse eine klare Linie fahren. Das mache Merz.

«Er hat kein nüchternes Verhältnis mehr zu den Banken, er nimmt die Sache persönlich», meint ein Beobachter. «Bankenmann» Merz distanziert sich gerne von der Branche. Er habe eine regelrechte Wut entwickelt, so ein Insider, vor allem auf die UBS, für die sein Departement ein Rettungspaket schnüren musste.

Ein wenig besser ist sein Verhältnis zur anderen Grossbank, der Credit Suisse, und vor allem zu deren Präsident, Hans-Ulrich Doerig. Dieser stammt wie Merz aus dem Appenzellerland. Die beiden studierten gleichzeitig an der Handelshochschule in St. Gallen und sind seither Duz-Freunde. Doerig, ein bedächtiger Typ und mit seinen über 30 Jahren bei der CS ein erfahrener Banker, gilt als einer jener Branchenvertreter, dessen Rat Merz schätzt.

Runder Tisch. Viele Banker glauben, dass angesichts der Dringlichkeit der Themen für die Finanzindustrie ganz generell eine Intensivierung des Austauschs mit Bern nötig wäre. Andere wollen noch weiter gehen: «Einen eigentlichen runden Tisch gibt es bis heute nicht – es ist immer noch sehr ad doc», sagt Raiffeisen-Chef Vincenz. «Wenn man schon eine Finanzplatzstrategie definiert beim Bund, dann sollte man sich auch regelmässig treffen.»

Immerhin: Eine wichtige organisatorische Sofortmassnahme hat Merz endlich eingeführt. Sie betrifft die Gründung eines Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF). Dieses Amt innerhalb des EFD wurde per Anfang März geschaffen. Es ist Merz direkt unterstellt. Chef ist Michael Ambühl, ein Topbeamter, der bisher im Aussenministerium diente, als einer der engsten Mitarbeiter von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Er vertrat unter anderem fast 20 Jahre lang die Schweizer Interessen in Brüssel. Ambühl ist der Mann, der jetzt hinter Merz aufräumen muss. Er geniesst rundum Akzeptanz: «Ein hervorragender Verhandlungsführer», zeigt sich Bankiervereinigungschef Roth beeindruckt. Die Erwartungen an den Neuen sind gross. Man hofft, dass er mehr Professionalität beim mitunter handgestrickten Umgang im Departement zeigt.

Tagung verpasst. Doch auch hier wundern sich Banker, warum Merz so lange brauchte, um das Defizit in seinem Departement anzugehen. Zu lange setzte er auf seinen engen Kreis von Vertrauten. Dazu gehört Generalsekretärin Meyerhans, die wenig Politerfahrung aufweist. Wie wichtig dies gewesen wäre, zeigt die verpasste Teilnahme an der historischen OECD-Konferenz vom Oktober 2008, wo zum «Halali auf die Steuerparadiese» («Weltwoche») geblasen wurde. Meyerhans hatte in Absprache mit anderen Departementen und nach Konsultationen mit anderen Ländern entschieden, dass die Schweiz nicht teilnehmen solle.

Mit Ambühl bestehe nun die Chance, nochmals grundsätzlich über die Bücher zu gehen, sind Branchenvertreter überzeugt. Raymond Bär plädiert dafür, aus der Diskussion Geschwindigkeit herauszunehmen: «Es war immer eine Stärke der Schweiz, in Krisen etwas ruhiger zu agieren.» Es sei blamabel, was alles an Vorschlägen zur Finanzplatzstrategie herumschwirre – von Politikern, aber auch von Branchenvertretern. «Statt unausgegorener Vorschläge ist jetzt ein breiter Konsens vonnöten», so der VR-Präsident der Bank Julius Bär.

Zwei Probleme sind gleichzeitig zu lösen: der Übergang in eine Zukunft ohne unversteuerte Kundengelder, der weitere Umgang mit den bestehenden Milliarden in den Gewölben der Schweizer Banken. Einfach zu lösen ist beides nicht. Von der eigenen Partei erhält Merz nicht viel Inspiration. Die Vorschläge von FDP-Präsident Fulvio Pelli, den Banken bei der Aufnahme neuer Kundengelder eine tief gehende Kontrollpflicht aufzubürden, sind bereits von der internen FDP-Arbeitsgruppe zerzaust worden.

Noch hält die gemeinsame Front: Beim Altgeld setzen Merz und die Banker auf die Abgeltungssteuer. Experten zweifeln, ob eine solche Lösung durchsetzbar sei. «Die Zeit für Pauschallösungen ist vorbei», sagt Victor Schmid von der Kommunikationsagentur Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten, die Liechtenstein bei der Etablierung einer neuen Finanzmarktstrategie beriet. Aus Berlin kommen Signale, dass Geld allein nicht genüge. Die Schweiz setzt auf die Hoffnung, dass die verschuldeten Staaten mit schnellen Milliarden aus der Abgeltungssteuer zufrieden sind.

Doch bisher fehlen diesbezüglich klare Zugeständnisse. Merz’ Bundesratskollegen zeigen immer weniger Geduld. Seit der Klausurtagung vom vergangenen Februar, wo Merz wegen seiner Zögerlichkeit unter Druck kam, ist das Verständnis des Gremiums erschöpft. Merz muss das Tempo forcieren. Im August soll der Finanzminister konkrete Lösungen für die Weissgeldstrategie präsentieren.

Eigene Visionen bleiben aus, es hagelt Vorschläge aus Bankkreisen, wie der Gruppe um Hummler. Sie schlägt eine hohe Strafsteuer auf unversteuerte Gelder vor. Von Merz hört man – nichts. Dafür liest man im «Magazin» des «Tages-Anzeigers»: «Ich will nicht als Visionär vorauseilen. Ich will an der Spitze einer Bewegung gehen, um ihr und dem Volk nahe zu bleiben.» Das ist die Tragik eines Politikers, der gerne beliebt wäre: dass sich das Volk längst von ihm abgewandt hat.