Dinosaurier, ein Güterzug, der Blitzdrachen und ein Supersportwagen, bestehend aus 3599 Teilen. Das sind die vier Produkte, an denen die Hoffnungen von Frédéric Lehmann hängen. Der Chef für die Schweiz, Deutschland und Österreich von Lego gehört offenbar zu jenen Menschen, die sich an ihrer Aufgabe berauschen können. «Damit können wir positiv und optimistisch in die Zukunft gehen. Dieser Mix wird uns helfen.»
Muss er auch. Lego ist angeschlagen wie lange nicht. Jahrelang galt der Spielzeugriese aus Dänemark als Inbegriff des Erfolgs. Zweistelliges Wachstum und stolze Gewinne liessen die Konkurrenz vor Neid erblassen. Neue Produktionsstätten mussten eröffnet werden, um die scheinbar endlos steigende Nachfrage überhaupt bedienen können. Neue Themenwelten wurden präsentiert, die Minifiguren haben sogar das Kino erobert – mittlerweile gibt es regelmässig neue Filme.
Entwicklung stockt
Nun aber stockt diese traumhafte Entwicklung. «2017 war für den Markt und für Lego kein einfaches Jahr», sagt Manager Lehmann – und untertreibt damit wohl noch ein bisschen. Denn der grundsätzliche Anspruch von Lego ist es, sich besser zu entwickeln als der Markt. Das haben der Landeschef und seine Vorgänger in den vergangenen Jahren stets betont und wiederholt. Zuletzt aber klappte das nicht.
Jedenfalls nicht in Deutschland. Während der Markt nämlich bei einem Volumen von rund 3,1 Milliarden Euro stagniert, wie der Handelsverband Spielwaren (BVS) berichtet, hat Lego Umsatz und Marktanteile verloren. «Das Ergebnis lag hinter den Erwartungen, die wir in uns selbst gesetzt haben», gibt Lehmann zu. Um immerhin 2,6 Prozent sind die Erlöse in Deutschland, Österreich und der Schweiz zurückgegangen.
Schlechte Jahreszahlen erwartet
Und das dürfte im Vergleich zur Gesamtentwicklung noch gut sein. Anfang März wird Lego am Stammsitz in Billund Zahlen für die gesamte Gruppe präsentieren. Und Beobachter rechnen nicht mit besseren Werten als zum Halbjahr. Da lag das Familienunternehmen mit umgerechnet gut zwei Milliarden Euro sogar fünf Prozent hinter dem Vorjahr. Schuld daran ist ausgerechnet das grösste Weltraumspektakel aller Zeiten. «Star Wars», die Saga, die lange Legos Lizenz zum Gelddrucken war.
Ausgerechnet jetzt – zum 60. Geburtstag des Lego-Steins, auf dem die ganze Erfolgsstory letztlich gründet. Die Angst davor jedenfalls ist hausintern offenbar vorhanden. Immerhin hat der Branchenriese zuletzt binnen acht Monaten gleich zweimal den Konzernchef gewechselt.
Massiver Stellenabbau
Dazu kommt ein radikales Sparprogramm: 1400 Stellen werden abgebaut, das sind acht Prozent der Belegschaft. «Unsere Organisation ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden, also haben wir den Reset-Knopf gedrückt», sagt Verwaltungsratschef Jørgen Vig Knudstorp. Der 49-Jährige hat Krisenerfahrung bei Lego. Eltern entwickeln ständig gutgemeinte Pläne, um sie dann an ihren Kindern zerschellen zu sehen. So wollen viele sich gerade den Geschlechter-Stereotypen der Spielzeugindustrie verweigern, aber ihre Kinder auch?
Vor fast 15 Jahren – der Klötzchen-Konzern war damals deutlich in Schieflage geraten – übernahm Knudstorp die Rolle des Sanierers. Seine Devise: Rückbesinnung aufs Kerngeschäft. Knudstorp setzte wieder mehr auf die klassischen Bausets, strich zugleich fast alle Nebenaktivitäten, stutzte genau wie heute die Belegschaft – und hatte damit Erfolg.
Abängigkeit von «Star Wars»
Eine grosse Rolle haben damals Lizenzen gespielt – womöglich eine viel zu grosse, wie Experten betonen. Zwar hat Lego reichlich eigene Themen für seine Bausets, angefangen bei City über Friends und Elves, bis hin zu Ninjago und Duplo. Gleichzeitig gibt es aber auch zugekaufte Marken wie Minecraft und Speed Champions, dazu Batman, Marvel Super Heroes und DC Super Heroes. Vor allem aber «Star Wars». Diese Lizenz hat in den vergangenen Jahren alles überstrahlt – und sorgt nun für ebenso grosse Enttäuschung.
«Lizenzen haben nicht per se ein Problem. Es gab 2017 aber einige grosse Themen, die nicht funktioniert haben», sagt Joachim Stempfle, der Spielwarenexperte beim Marktforscher npd-group. «Star Wars» nennt er dabei zuerst. «Das schlägt dann bei Lego durch.» Laut Marktforschung stehen die Dänen gemeinsam mit Hasbro, dem Anbieter von Actionfiguren und Lichtschwertern aus der Weltraumsaga, allein für 80 Prozent der «Star Wars»-Umsätze im Spielwarenmarkt. Funktioniert «Star Wars» nicht, funktioniert Lego nicht.
Skeptische Experten
Die Dänen üben sich dennoch in Zuversicht. «2017 war das Thema Star Wars zwar unter den Erwartungen«, gibt Schweiz-, Österreich- und Deutschland-Chef Lehmann zu, dessen Absatzgebiet zu den grössten im Lego-Universum zählt und daher stellvertretend für viele Regionen auf der Welt steht. «In den letzten Wochen war es aber schon deutlich besser.» Hintergrund ist der neue Film «Die letzten Jedi», der Mitte Dezember 2017 in den deutschen und Schweizer Kinos angelaufen ist. Der habe durchaus Impulse verliehen.
Ausserdem folge dann im Mai der Spin-off «Solo: A Star Wars Story». Auch der könne noch mal Rückenwind bringen. Zumal es dann auch eine Reihe neuer Bausets geben wird, wie Lehmannankündigt.
Branchenexperten bleiben jedoch skeptisch. Auch wegen der aktuellen politischen Lage in vielen Ländern. «Die Welt ist schon verrückt genug. Da brauchen viele Eltern nicht auch noch den apokalyptischen Krieg der Sterne im Kinderzimmer», sagt ein Manager.
Lizenzgeschäfte laufen sich irgendwann auch tot
Vielleicht habe auch deshalb das seichte Konkurrenzthema „PJ Masks – Pyjamahelden« – eine französische Zeichentrickserie – 2017 so gut funktioniert. Marktforscher Stempfle hat zudem eine ganz grundsätzliche Sättigung beim Thema «Star Wars» ausgemacht. Genau wie Axel Dammler: «Das Thema ist halt schon sehr lange im Markt. Und irgendwann laufen sich Lizenzen auch mal tot. Dann wird es schwierig, immer neue Impulse zu setzen», sagt der geschäftsführende Gesellschafter von Marktforscher Iconkids & Youth aus München.
Erschwerend komme hinzu, dass die «Star Wars»-Episoden immer weniger Kinderfilm seien und die Altersfreigabe in Deutschland zum Beispiel erst bei zwölf Jahren liege. Das aber ist in der heutigen Mediengesellschaft ein Alter, in dem Spielekonsolen und YouTube wichtiger werden als Bauklötze. «Dass die jüngeren Kinder die Handlung und einzelne Charaktere nicht kennen, macht sich dann bemerkbar», bilanziert Dammler, der von einer neuen digitalen Zeitenwende im Kindermarkt spricht.
Fokus auf Digitalisierung
Die erste hatte es vor rund 15 Jahren gegeben. Damals aber konnte sich die Spielwarenindustrie noch erfolgreich gegen die immer stärker aufkommende Videospielkonkurrenz wehren. Über Jahre hinweg haben sich beide Bereiche dann einträchtig nebeneinander entwickelt und jeweils in grossen Sprüngen verbessert.
Der Markt für haptisches Spielzeug mit Brettspielen, Bauklötzen, Puppen, Puzzles, Eisenbahnen und Experimentierkästen ist in Deutschland um ein Drittel auf mittlerweile gut drei Milliarden Euro Umsatz gestiegen. «Ich sehe daher nicht schwarz für den Markt», sagt Experte Dammler. Die Hersteller hätten sich schon einmal zurückgekämpft. Selbst die Finanzkrise 2008/2009 hat der Branche dabei nichts ausgemacht.
Umso erstaunlicher allerdings wirkt vor diesem Hintergrund die aktuelle Schwächephase. Immerhin erreicht die Konsumlust in Deutschland ständig neue Höhepunkte, bei gleichzeitig niedriger Arbeitslosigkeit und steigenden Löhnen.