Der milliardenschwere Pakt zu den Atom-Altlasten zwischen Energieversorgern und Bundesregierung wird für die Unternehmen günstiger als zuletzt bekannt. Sie können sich nun für rund 23,5 Milliarden Euro von der jahrzehntelangen Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls freikaufen, wie aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hervorgeht, der Reuters vorlag. Die Summe muss zum 1. Januar 2017 in bar an einen öffentlich-rechtlichen Fonds unter Kontrolle des Staates überwiesen werden.
Der Gesetzentwurf soll am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden. Die vier Versorger E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW bleiben für Abriss und Stilllegung der AKW im Zuge des Atomausstiegs bis 2022 verantwortlich. Die Zwischen- und Endlagerung des Mülls wechselt dann gegen Zahlung der Summe in staatliche Verantwortung.
Weniger als erwartet
Der Betrag ist geringer als die rund 26 Milliarden Euro, die zuletzt in Rede standen. Die Aktien von E.ON und RWE legten nach der Reuters-Meldung zum Entwurf kräftig zu. E.ON gewann am Nachmittag über drei Prozent, RWE sogar über fünf. Sie schoben auch den gesamten Dax an. EnBW und Vattenfall bestätigten, den Gesetzentwurf erhalten zu haben. Wie auch RWE und E.ON wollten sie sich aber zu den Inhalten nicht äussern.
Basis für das «Gesetz zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechnischen Entsorgung» sind die Beschlüsse der Atomkommission mit Vertretern vieler gesellschaftlicher Gruppen und Parteien aus dem April. Umstritten in der Regierung war zuletzt noch die genaue Schnittstelle für den Übergang der Verantwortung - also zwischen Verpackung des strahlenden Mülls und der Zwischenlagerung. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass die Summe für Zwischen- und Endlagerung nun geringer ausfällt. Übernehmen die Konzerne bei der Verpackung mehr Aufgaben, müssen sie diese selbst bezahlen. Im Gegenzug reduziert sich der Betrag für Zwischen- und Endlagerung, der in den staatlichen Fonds fliessen soll. Es wurden aber in den letzten Monaten auch Neuberechnungen zu den Kosten für Zwischen- und Endlager vorgenommen, die sich offenbar zugunsten der Unternehmen ausgewirkt haben.
Ratenzahlung möglich
Fällig ist dem Entwurf zufolge zum Januar 2017 zunächst ein Grundbetrag von knapp 17,4 Milliarden Euro. Sollte der Risikoaufschlag von 6,17 Milliarden Euro nicht gleich mit überwiesen werden, kann dieser auch bis Ende 2022 noch fliessen. Dann muss er aber mit 4,58 Prozent pro Jahr verzinst werden. Möglich ist demnach auch, die Gesamtsumme in Raten bis Ende 2026 abzuzahlen. Sie muss dann aber ebenfalls mit 4,58 Prozent verzinst werden. Der Betrag wird auf die einzelnen AKW-Betreiber heruntergebrochen. Bei Ratenzahlung muss die erste Rate mindestens 20 Prozent der Gesamtsumme des Betreibers betragen, heisst es weiter.
E.ON hatte den eigenen Kostenanteil auf rund zehn Milliarden Euro geschätzt, davon acht Milliarden aus Rückstellungen und zwei Milliarden für den von der Atomkommission verlangten Risikoaufschlag. Der Konzern erwägt für den Aufschlag eine Kapitalerhöhung. RWE ging bislang von fünf Milliarden Euro Rückstellungen und 1,7 Milliarden Risikoprämie aus. Ein Teil davon soll aus dem Börsengang der Ökostromtochter Innogy stammen. Für die Konzerne ist die Regelung von grossem Interesse, da sie wegen der Energiewende und niedriger Strompreise ohnehin angeschlagen sind und sich so milliardenschwerer Risiken entledigen können.
Mit den einzelnen Betreibern sollen nach dem Gesetzgebungsverfahren - neben dem Bundestag muss auch der Bundesrat zustimmen - noch Einzelverträge auf Basis des Gesetzes geschlossen werden. Auf diesem Weg sollen Unternehmen zum einen auf teils noch anhängige Klagen gegen den Atomausstieg verzichten. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass die Gesetzesregelungen von den Konzernen auch angenommen werden. Da Konzerne als auch Parteivertreter im Rahmen der Atomkommission im gesamten Prozess eng eingebunden waren, geht die Regierung von einer schnellen Umsetzung aus.
Der Staatsfonds, in den das Geld fliessen soll, wird in Form einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts geführt. Kontrolliert wird er von einem Kuratorium, das aus je einem Vertreter von Wirtschafts-, Finanz- und Umweltministerium bestehen soll. Der Fonds soll das Geld sicher anlegen, damit er auf Jahrzehnte hinaus die Zwischen- und Endlagerkosten finanzieren kann. Eine Satzung wird die Anlagekriterien festlegen, der Bund hat aber ein Vetorecht. «Die Bundesregierung kann konkrete Anlagevorhaben durch Weisung untersagen», heisst es im Entwurf.
(reuters/chb)