Dem römisch-katholischen Pfarrblatt, das mir seit geraumer Zeit ungefragt zugestellt wird, entnehme ich die Botschaft, der Vatikan empfehle mir die Umwelt-Enzyklika «Laudato si» von Papst Franziskus als «Urlaubslektüre». Der Politpapst, der eben mit stattlichen Eskorten nach und durch Südamerika geflogen ist, verlange, «beim Reisen vernünftigere Massstäbe» anzulegen. Die Zahl der umweltschädigenden Auslandurlauber habe die Milliardengrenze überschritten.
Also bleibe ich im Inland. Zweitens entschliesse ich mich, die angepriesene Öko-Predigt nicht in gedruckter Form zu kaufen, sondern sie online zu lesen, was sich allerdings auch als Frevel herausstellt. Denn jede Neuerung sei eine Störung der in sich perfekten Schöpfung, so die These des Traktats.
«Mythos Fortschritt» stammt vom Teufel
Als Schädigung der Natur entpuppt sich auf den 222 Seiten dann schlicht alles Menschenwerk: Verkehr, Konsum, Gewinnstreben, Tourismus, industrielle Produktion, Rohstoffabbau, Heizen, Handel, moderne Landwirtschaft, Verstädterung, Technikgläubigkeit oder eben auch neue Medien wie das Internet («geistige Umweltverschmutzung»). Kurz: Der «Mythos Fortschritt» stammt vom Teufel; das sichere nahe Ende sei die Apokalypse – sofern der Mensch sich nicht rasch mit der Natur versöhne.
Was der päpstliche Beraterstab da zum Besten gibt, hat man schon vor Jahren genau gleich gelesen: 1972 hatten die Angstmacher des Club of Rome in ihrer ebenso fortschrittsfeindlichen Fibel «Die Grenzen des Wachstums» prophezeit, dass die Menschheit sich und die Gesamtwelt geradewegs in die Katastrophe karre und keine 100 Jahre mehr leben werde – sofern sie sich nicht schleunigst mit der Natur versöhne. Knapp die Hälfte dieser Frist hat sie mittlerweile überstanden.
Der Neue ist das eigentliche Original
Der Club of Rome hat sich inzwischen kleinlaut in die Winterthurer Provinz zurückgezogen; Repetitionen der alten Alarmrufe verhallen ungehört. Den neuen Club of Rome gibt vor Ort nun der pompöse Vatikan, begeistert beklatscht von links und grün. Und: Der Neue ist das eigentliche Original. Denn die beiden Römer Schriften haben eine gemeinsame tiefe Wurzel: Das archaische Weltverständnis der Bibel. Die Erzählungen des Glaubensbuchs deuten sämtliche schlimmen Naturereignisse als Racheakte Gottes für menschliche Verfehlungen, von der Sintflut bis zum Jüngsten Gericht samt Weltuntergang.
Dieses tradierte religiöse Muster der «Tatpredigten des strafenden Gottes» ist auch die Vorlage für die derzeitige Öko-Politik: Ursachen sind nie Physik oder Chemie, Urheber ist stets der unfertige, sündige Mensch. Durch Busse (früher Ablass, heute Abgaben und Steuern) sowie Verzicht (früher auf Tanz und Feste, heute auf Auto und andere Annehmlichkeiten) zwingen der alte wie der moderne Klima-Klerus die verängstigten Geschöpfe in die geistigmoralische Umkehr (früher zu Gott, heute zur grünen Politik) und zur Änderung ihres Verhaltens.
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