Die Situation sei hochgradig instabil, sagten Sie letztes Jahr im Interview. Sind jetzt wieder normale Zeiten?

Normale Zeiten haben wir derzeit noch nicht. Es bestehen nach wir vor Sperren und Unterbrechungen auf unseren Strecken. Derzeit müssen wir von rund tausend Störungen pro Jahr ausgehen. Dazu kommen weitere Baustellen in unserem Netz, insbesondere in Deutschland. Wir müssen schlicht mit diesen Baustellen leben, dazu kamen auch noch rückläufige Transportvolumen, nicht zuletzt aufgrund des Krieges in der Ukraine.

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Aber auch der Strompreis ist derzeit ein grosses Problem.

Absolut. Der Strompreis sprang von einst 40 Euro pro Megawattstunde zeitweise auf rund 1000 Euro, ein dramatischer Anstieg. Im Mittel hat man dann im letzten Jahr einen Strompreis von rund 300 bis 500 Euro pro Megawatt-Stunde in Deutschland bezahlt. Mittlerweile ist mit der Strompreisbremse in Deutschland der Preis auf rund 130 Euro gesunken. Jedes Land hat hier unterschiedliche Strommarkt-Zugangsregeln. Für unsere Eisenbahnpartner ist das eine Herausforderung. Diese sehr volatile Entwicklung stabiler Preise umzusetzen, ist aktuell eine Herausforderung für den Markt. 

Haben die Kundinnen und Kunden Verständnis für die Verspätungen?

Wir sind derzeit daran, in Bypässen zu denken, um die Zuverlässigkeit unserer Transporte so weit wie möglich gewährleisten zu können. Im vergangenen Jahr haben wir von Mai bis August mehrere Zugläufe analysiert und verglichen. Dabei mussten wir feststellen, dass wir mit einem immer gleichen Zugprodukt innerhalb von drei Monaten fünfzig verschiedene Laufwege genutzt haben. Die Quintessenz daraus ist, dass wir verstärkt auf Bypässe setzen müssen. Aber diese  müssen auch ertüchtigt sein. Nur so kann Stabilität erreicht werden.

 

Laut Ihrer Strategie 2026 soll ein Verkehrsvolumen von 1,6 Millionen Strassensendungen erreicht werden. Ein zu ambitioniertes Ziel?

Wir werden uns anstrengen, um mit längeren und schwereren Zügen der Abwanderung auf die Strasse entgegenzutreten, denn die Strasse hat durch die teils rückläufige Konjunktur an Wettbewerbsfähigkeit zugenommen. Dieser Weg wird nicht einfach sein, aber wir werden unser Verkehrsnetz trotz Nachfragerückgang stabil halten und gehen auch in den kommenden Jahren von einem steigenden Verkehrsvolumen auf der Schiene aus.  

CHIASSO: ritratti Hupac. Nella foto Michail Stahlhut.© Ti-Press / Pablo Gianinazzi
Quelle: © Ti-Press

Der Stratege

Name: Michail Stahlhut
Funktion: CEO der Hupac-Gruppe
Alter: 56
Familie: verheiratet
Ausbildung: Diplom-Ingenieur

Das Unternehmen Die Hupac-Gruppe ist mit einem Transportvolumen von 1,014 Millionen Strassensendungen im Jahr der führende Netzwerkbetreiber im intermodalen Verkehr in Europa. Hupac verfügt über 9100 Wagenmodule und betreibt leistungsfähige Terminals an wichtigen europäischen Knotenpunkten.

Welche Entwicklung erwarten Sie bei den europäischen Südhäfen?

Wir setzen verstärkt auf diesen Transportweg. Wenn wir in etwa zwei Jahren den Terminal Milano Smistamento in Betrieb nehmen können, werden wir den Verkehr von den Südhäfen deutlich steigern können. Aufgrund der Energiepreis-Diskussion und auch der Verstopfungen einzelner Hafenbereiche im letzten Jahr  merken wir, dass die Reedereien sich überlegen, kürzere Wege nach Europa einzuschlagen. Mit der Realisierung der Strecke durch die ligurischen Berge (Terzo Valico) in etwa zwei bis drei Jahren können wir dann mit längeren und schwereren Zügen die Transporte aus den Südhäfen steigern.

«Wir gehen von einem steigenden Volumen auf der Schiene aus.»

Terminals sind eine strategische Ressource für den intermodalen Verkehr. Was planen Sie?

Ein Schwerpunkt ist sicher der Terminal Milano Smistamento, der im Jahr 2026 in Betrieb gehen wird. Im Weiteren wird derzeit der Terminal in Piacenza runderneuert. Auch im Raum Brescia sind wir daran, die Errichtung eines Terminals zu studieren. Im Norden sind wir daran, in Duisburg einen Terminal zu realisieren, der Ende 2024 beziehungsweise Anfang 2025 in Betrieb gehen kann. In Köln sind wir seit Anfang dieses Jahres mit Köln Nord in den Betrieb gegangen. Beim Verkehr vom Süden her werden wir in Zukunft ungefähr 800 000 Handlings anbieten können und vergleichbar viel Umschlagskapazität muss dann auch im Norden aufgebaut werden. Fasst man alle neuen Standorte im Rhein-Ruhr-Gebiet zusammen, kommt man hier auf eine vergleichbare Zahl. Zudem haben wir  das Terminal in Brwinów in Polen im September letzten Jahres eingeweiht und dies stärkt unsere Verbindungen Richtung Osteuropa.  

 

Mit der Business-Einheit Company Shuttle, bedient Hupac Kunden, die eigene Ganzzüge chartern möchten. Wie hat sich dieses Angebot entwickelt?

Dort übernehmen die Kunden das Auslastungsrisiko und übertragen die Organisation und den Betrieb des Verkehrs an Hupac als Operateur. Nach einer starken Entwicklung im Jahr 2021 verzeichnete die Unit 2022 eine Konsolidierung auf ein Volumen von 124 310 Strassensendungen, ein Rückgang von 2,4 Prozent.

Wie entwickelt sich die Kooperation mit SBB Cargo International, an der die Hupac mit 25 Prozent beteiligt ist?

Das Geschäft entwickelt sich erfreulich, doch auch SBB Cargo International bekam die Auswirkungen der verschiedenen negativen Einflüsse auf den Schienengüterverkehr zu spüren. Mit SBB Cargo International haben wir auch einen starken Partner, der uns auf den relevanten Verkehrsstrecken unterstützt.

Welche Folgen hat der Einsatz von digitalen Technologien für die Schiene?

Wir haben zusammen mit verschiedenen Marktteilnehmern die Firma DX Intermodal gegründet. Ziel ist es, die verschiedenen Informationen von allen Stellen zu bündeln und auf dem Markt frei anzubieten. Die Informationen müssen heute allen Beteiligten zur Verfügung stehen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs weiter steigern zu können.

Alternative Südroute

Transformation Jeden Tag werden Tausende von Tonnen Güter unterschiedlichster Art auf dem Seeweg via Suezkanal durch das Mittelmeer um Europa herum in die oft überfüllten  Nordhäfen Rotterdam, Amsterdam oder Hamburg transportiert. Von dort werden die Güter dann in Containern oder Wechselbehältern über 2000 Kilometer an ihr Ziel in Südeuropa weiterbefördert. Doch für diesen Umweg gibt es Alternativen: nämlich die Südroute über Italien. In den vergangenen Jahren haben die italienischen Häfen Genua, Savona, Vado Ligure und La Spezia, aber auch die Reederei Maersk oder die chinesische Cosco-Guppe erhebliche Investitionen getätigt, um die Südroute als Transportweg von Asien attraktiver zu machen. Von den Südhäfen können Container auf wesentlich kürzeren Wegen ihren Bestimmungsort in Europa erreichen. Und mit dem Ausbau der Bahninfrastruktur, unterstützt mit EU-Mitteln, können die Güter auf dem kürzeren Schienenweg umweltfreundlich an ihren Bestimmungsort gelangen.