Mit dem Wirtschaftswachstum der 1960er und 1970er Jahre entstand der verbissene Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen; zuerst in den Vereinigten Staaten, dann auch in Europa. Man begann, um Marktanteile zu kämpfen, und stellte dafür die besten Mitarbeitenden ein. Motiviert wurden diese mit Geld und Bonus. Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen war das eine, die Ehre das andere.

So entwickelte sich das Werkzeug «Incentives», abgeleitet aus dem lateinischen «incendere» für anzünden oder steigern. Und, typisch amerikanisch, die Unternehmen begannen, ihre besten Mitarbeitenden zu feiern und sie dabei auch nach innen, also gegenüber den schwächeren Angestellten, zu zelebrieren.

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Neben Cash kamen materielle Anreizsysteme hinzu. Damals Elektrogeräte und Lifestyle-Produkte, später das Reisen. Von 1990 bis 2008 lösten Incentive-Reisen weltweit Milliardenumsätze aus. Es war die Zeit des Überflusses ohne «störendes» CSR-Gedankengut. Die Besten wurden gefordert, gefördert und bei Erfolg gefeiert. Corporate Governance war noch Jahre entfernt.

Was motiviert heute?

Nach der Bankenkrise kam das Umdenken. Neue Werte entstanden, die nicht ausschliesslich auf Geld basieren. Angestellte wollten zuerst geschätzt werden, Teil des Teams sein und letztlich, unabhängig von ihrer Position, stolz auf ihr Engagement. Natürlich wünscht sich jeder und jede «mehr Geld», aber die Zugehörigkeit, die soziale Identität im Betrieb, wurde bewusster gefordert. Incentives hatten ihre Wirkung nicht verloren, mussten sich aber von ihrer individuellen Nutzung in eine Art «Teammotivationstool» verändern. Gelegentliches Schulterklopfen reichte nicht mehr.

Gefordert wird heute reale Anerkennung, sowohl gegenüber Teams wie gegenüber einzelnen Angestellten. Anerkennung ist eine Grundhaltung und muss nicht unbedingt analytisch eingesetzt werden. Menschen spüren einfach, ob sie anerkannt werden – und honorieren das durchaus mit Mehrleistung (Mindset, Herzblut, Überstunden).

Natürlich müssen sich Führungskräfte weiterhin damit befassen, wann sich aussergewöhnliche Anreizsysteme aufdrängen. Das können überraschende «Gute-Stimmung-Events» sein oder auch klassische Performance-Wettbewerbe, wo man tatsächlich etwas gewinnen kann. Ob als Einzelperson oder als Team, je mehr Überraschung und Begeisterung diese Aktionen auslösen, desto mehr werden Selbstwertgefühl und Teamgedanke gestärkt. Deshalb müssen alle Motivationsprogramme zum Zielpublikum passen – und zudem relativ zeitnah wirken.

Wettbewerb wird gelebt

Anders als hierzulande präsentieren amerikanische Firmen ihre Massnahmen offen und mit Stolz. Gute Beispiele gibt es genügend: Die Wells Fargo Bank beispielsweise hat Belohnungen entwickelt, die keine Kosten verursachen. So wurde in der Kantine ein Gericht nach einem im vergangenen Monat verdienten Mitarbeiter benannt. Als Southwest Airlines in puncto Pünktlichkeit und Gepäckabfertigung über mehrere Jahre immer weniger Beschwerden erhielt, widmete sie ihren 25 000 Angestellten ein Flugzeug und brachte alle Namen der Mitarbeitenden bei den Gepäckfächern oberhalb der Sitze an.

Hilfsmittel Zeit

Drittes Beispiel: Im Möbelhaus Crate & Barrel in Houston wurde ein Motivationsprogramm namens «Eine Stunde Freizeit» ins Leben gerufen. Die Vorgesetzten wählen jede Woche einen verdienten Verkaufsmitarbeitenden aus und übernehmen persönlich von dieser Person eine Arbeitsstunde. Nach dem Motto «Wir schätzen Deine Arbeit, nimm Dir eine Stunde frei und komm ausgeruht zurück.»

Nun mag das besser zur amerikanischen Mentalität passen, aber es zeigt, wie man die Angestellten mit einfachen Massnahmen überraschen und begeistern kann. Es gibt Managerinnen, die grundsätzlich überzeugt sind, dass eine unerwartete Teampizza stärker motiviert als Geld. Und bei den grossen Incentive-Preisen, beispielsweise Auslandreisen, weiss man mittlerweile, dass es wenig bringt, wenn einzelne «Superstars» in den ausgeschriebenen Wettbewerben gewinnen und grossartige Preise absahnen, wenn sich gleichzeitig der Rest der Belegschaft übergangen fühlt.

Gerade in der Schweiz feiert man Sieger und Siegerinnen ohnehin diskret, und es gibt wenige (Sportlerinnen oder Sportler), die die Ausnahme bestätigen. Bernhard Russi war so eine Person, Roger Federer sowieso. Der Rest soll sich der Masse anpassen, und das funktioniert in Firmen gleich. Wenn schon tolle Incentive-Events oder -Reisen, dann bitte möglichst teamorientiert für alle zusammen. Und bei Reisen geht es heute weniger um «banale» City-Trips. Was zählt, sind die Werte Natur, Gesundheit, Teamaktivitäten und immer wieder der Spassfaktor.

Die grossen Cüpli-Events oder unpersönliche Preise wie Eintrittskarten an ein Konzert haben ausgedient. Wenn man schon zusammen etwas macht, sollen auch alle – zusammen – etwas erleben. Interaktiv, also im Sinne des Unternehmens und/oder des ausgewählten Teams.

Buchtipp

«1001 Ideen, Mitarbeiter zu belohnen und zu motivieren: ... denn Geld allein macht nicht glücklich».

Auch wenn die Erstauflage dieses Praxisbuches vor elf Jahren publiziert wurde: Die vorgestellten Tipps und Ideen, um Angestellte zu verdanken und zu motivieren, sind weiterhin einsetzbar. Autor ist der amerikanische Unternehmensberater Bob Nelson. Taschenbuch, 336 Seiten, Redline-Verlag, ISBN 978-3-86881-287-9.