Ende Juni hat der Bundesrat die Vernehmlassung zur erweiterten Gesetzgebung über die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten lanciert, nachdem er bereits im Jahr zuvor deren Eckwerte angekündigt und betont hatte, international abgestimmt vorzugehen. Die Angleichung der Schwellenwerte für die Berichterstattungspflicht an die EU-Werte ist konsequent, ebenso die Einführung einer Prüfpflicht. Der Bundesrat erhebt die europäischen Standards zum Leitstern für Schweizer Unternehmen und möchte andere Berichterstattungsstandards nur bei Gleichwertigkeit zulassen.

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Der Autor

Joachim Beil, M.A. HSG und dipl. Wirtschaftsprüfer, ist Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Nachhaltigkeit von Expertsuisse.

Fakt ist aber, dass konzeptuell gar kein anderer solcher Standard existiert. Grund ist die Vorgabe der doppelten Wesentlichkeit. Bereits mit dem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative hat die Schweiz das mittlerweile überholte Regulierungsdispositiv der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) übernommen. Die grosse Nähe zur EU hat nicht nur wirtschaftlich, sondern auch regulatorisch Bestand. Zu begrüssen ist die Einführung einer Prüfpflicht für Nachhaltigkeitsberichte. Über einheitliche Standards lässt sich zwar eine Vergleichbarkeit der Berichte sicherstellen, jedoch kann die Vollständigkeit, Richtigkeit und Wesentlichkeit der Offenlegungen nur durch eine unabhängige Prüfung garantiert werden.

 

Regulierungsdispositiv als Balanceakt

Kritik hingegen muss am Vorgehen angebracht werden: Die Verwaltung ist sich der Kostenfolgen dieses Regulierungsdispositivs bewusst – auch wenn nach Meinung von Expertsuisse der Aufwand für die Berichterstattung deutlich unterschätzt wird. Die Prüfkosten sind nicht der wesentliche Kostentreiber. Um die Kosten zumindest auf dem Papier zu mildern, schlägt der Bundesrat vor, für die Prüfung künftig auch sogenannte Konformitätsbewertungsstellen zuzulassen. So sollen ein Wettbewerb angekurbelt und die mit der Prüfung verbundenen Kosten gesenkt werden. Gleichzeitig werden aber neue Unabhängigkeitsbestimmungen geschaffen, die sich unverständlicherweise auf Firmen ausserhalb des Konsolidierungskreises des geprüften Unternehmens ausdehnen, also auf unabhängige Dritte.

Es stellt sich die Frage, ob hier nicht Zielsetzungen vermischt werden. Ein Wettbewerb um des Preisdrucks willen ist weder der Unabhängigkeit der Prüfdienstleister noch der Dienstleistungsqualität förderlich. Gleichzeitig die Anforderungen an die sowieso schon strengen Unabhängigkeitsbestimmungen zu erhöhen, ist somit Augenwischerei. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es dem Prüfer erlauben, mit grösstmöglicher Unabhängigkeit seine kritische Rolle wahrzunehmen. Nur so kann die externe, objektive Prüferin im Zweifelsfalle dem Kunden auch einmal die gelbe – oder gar die rote – Karte zeigen, und es wird echter Mehrwert für den Berichtsadressaten generiert.

 

Der Schlüssel ist Prüfkompetenz

Damit dies auch geschieht, ist zweierlei erforderlich: erstens der klare Prüfauftrag, bei dem der Umfang definiert ist und Haftungsfragen geklärt sind. Zweitens müssen für alle Prüferinnen und Prüfer von Nachhaltigkeitsberichten gleich lange Spiesse gelten. Mit anderen Worten: Für Prüfende, egal ob statutarische Revisionsstellen oder andere Prüfdienstleister, müssen zwingend dieselben Regeln gelten. Dies betrifft sowohl den Nachweis der Prüfkompetenz, die Regeln zur Unabhängigkeit, die Anforderungen an die Qualitätssicherung als auch die Prüfstandards.

Während die Erstgenannten bereits existieren, entwickelt sich beim Prüfstandard erfreulicherweise ein internationales Rahmenwerk, das den Anforderungen an eine komplexe Prüfung – so unsere Hoffnung – gerecht wird. Lediglich vergleichbare Anforderungen für Prüfdienstleister zu definieren, wäre verfehlt und würde sich in entsprechenden Qualitätsunterschieden in der Prüfung niederschlagen. Daher ist die Bedeutung der prüferischen Methodenkompetenz für einen Prüfauftrag entscheidend. Treibhausgasemissionen etwa können am besten durch einen von der Prüferin beigezogenen Experten evaluiert werden. Der leitende Prüfer aber muss eine angemessene Risikoanalyse durchführen, Prüfungshandlungen definieren und die Vollständigkeit, Richtigkeit und Wesentlichkeit des Nachhaltigkeitsberichts als Ganzes beurteilen – hier ist der Wirtschaftsprüfer der Experte.

Zusammengefasst heisst dies für die Wirtschaftsprüfer: Ein wichtiges Dienstleistungssegment, in welchem die Branche bereits heute über umfassende Kenntnisse verfügt, gewinnt an Bedeutung. Expertsuisse unterstützt diesen Kompetenzaufbau seit zwei Jahren mit einem besonderen Zertifikatslehrgang. Unabhängig davon, ob finanzielle oder nicht finanzielle Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten geprüft wird – Prüfkompetenz ist und bleibt unverzichtbar.