Können wir uns auf Cash verlassen? Der risikoärmere Teil des Marktes stellt seit 2008 eine Herausforderung für Investitionen dar. Da die Zentralbanken die Zinsen auf null oder sogar in den negativen Bereich gesenkt hatten, hatten Anlegerinnen und Anleger Schwierigkeiten, Renditen aus risikoärmeren Produkten zu erzielen. Das hat sich im Jahr 2022 geändert.
In den letzten 18 Monaten hat die EZB ihren Zentralbankeinlagensatz zehnmal angehoben, von minus 0,5 auf plus 4,5 Prozent. Andere Zentralbanken sind dem gleichen Muster gefolgt, und dies hat sich auf die Anleiherenditen und die Angebote der Banken ausgewirkt.
Barmittel zahlen sich aus
Während viele Hypothekarkreditnehmende inzwischen unter erheblichem Druck stehen und entweder bereits höhere Zinsen zahlen oder voller Angst dem Ende ihrer Zinsfestschreibung entgegensehen, können Anleger und Anlegerinnen mit Liquidität endlich positive Zinssätze für ihre Spareinlagen oder Bestände in Geldmarktfonds, Staatsanleihen und Treasury Bonds erzielen.
Cash ist King, oder etwa nicht?
Viele Anlegende sind in dieser Zeit auf Cash umgestiegen. Dies ist sowohl auf die Turbulenzen an den Aktien- und Anleihemärkten als auch auf die Möglichkeit höherer Zinsrenditen bei sehr geringem Risiko zurückzuführen. Und Barmittel haben ihnen gute Dienste geleistet. Aber ist Cash im Jahr 2024 immer noch der einzige Ort, an dem man aktiv sein sollte? Wir denken nicht.
Wohin jetzt?
Die stufenweise Anpassung der Zinsen in den letzten 18 Monaten ist einmalig. Wir haben die sehr niedrigen Zinssätze nach der Finanzkrise hinter uns gelassen, und niemand rechnet damit, dass die Zentralbanken in absehbarer Zeit wieder auf solche Niveaus zurückkehren werden. Ebenso unwahrscheinlich erscheint die Aussicht auf kurzfristig deutlich höhere Zinsen.
Fabio Angelini ist Senior Investment Specialist - European Fixed Income at Nordea Asset Management.
Unklar ist jedoch, wie lange die Zinsen auf ihrem aktuellen Niveau bleiben, wenn die Inflation sinkt und das Wirtschaftswachstum nachlässt, und wann mit einem Rückgang der Zinsen zu rechnen ist. Die Herausforderung für Anlegende besteht nun darin, ihre Vermögenswerte so zu positionieren, dass sie durch die verschiedenen potenziellen Ergebnisse die Rendite optimieren können.
Cash hat zum letzten Mal in den Jahren 2007 und 2009 besser abgeschnitten als Anleihen. Damals verbesserte sich die Wertentwicklung von Anleihen im Vergleich zu Barmitteln genau um den Höhepunkt der Zinssätze herum.
Während wir verschiedene Wirtschaftsszenarien berücksichtigen müssen, geht der Markt davon aus, dass die Zinsen sinken werden. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Märkte sehr schnell bewegen. Anleger, die mit der Umschichtung ihrer Barbestände warten, bis die sinkenden Zinssätze ihnen zu schaden beginnen, könnten sich in der Situation wiederfinden, Anleihen zu deutlich höheren Preisen zu kaufen.
Zeit, sich zu bewegen
Nach den jüngsten Zentralbanksitzungen wurde dem Markt der Eindruck vermittelt, dass wir den Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus erreichen. Anlegerinnen und Anleger müssen darüber nachdenken, wie sie ihre Portfolios am besten für die nächsten Schritte positionieren, auch wenn der Zeitpunkt möglicher Zinssenkungen noch sehr ungewiss ist. In diesem Zusammenhang sind drei mögliche Szenarien zu erwägen:
Szenario 1
Das erste Szenario geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum positiv bleibt und sowohl die Inflation als auch die Zinsen etwa auf dem aktuellen Niveau verharren. In diesem Szenario bleibt Cash das A und O und sorgt weiterhin für attraktive Erträge. Der anhaltende Inflationsdruck wird jedoch die Kaufkraft von Bargeld untergraben. Hier würden Anleihen mit geringerem Risiko höchstwahrscheinlich schlechter abschneiden als Cash, da die Kapitalwerte weiterhin unter Druck bleiben könnten. Die Anlegerinnen und Anleger müssen auf Hochzinsanleihen umsteigen, um Renditen zu erzielen, die hoch genug sind, um sie davon abzuhalten, Bareinlagen zu halten. In diesem Szenario ohne Rezession bleiben Hochzinsanleihen attraktiv. Crossover-Lösungen, die die Segmente High Yield und Investment Grade umfassen, sind eine weitere Möglichkeit, höhere Renditen zu erzielen, ohne sich zu stark auf High Yield festzulegen.
Dieses Szenario ist das unwahrscheinlichste von allen dreien: Auch wenn die erste Zinssenkung noch ein Jahr entfernt sein sollte, tendieren die Märkte dazu, dies zu antizipieren. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Cash-is-King-Situation noch lange anhalten wird.
Szenario 2
Szenario zwei ist eine milde Rezession – Wirtschaftswachstum und Inflation nehmen ab, und die Zentralbanken senken daher die Zinsen. In diesem Szenario werden sinkende Zinsen die Rendite von Bareinlagen beeinträchtigen. Anderseits sinken zwar auch die Renditen von Anleihen, ihr Wert steigt jedoch, und der Kapitalgewinn wird den Verlust von Zinseinkünften ausgleichen. Daher werden Anleihen besser abschneiden als Cash. In einer milden Rezession steigen die Risiken für den High-Yield-Bereich des Marktes, sodass ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis wahrscheinlich durch Crossover-Lösungen oder – für etwas konservativere Anlegende – durch Investment-Grade-Anleihen erzielt wird. Sinkende Zinsen werden die Performance am längeren Ende der Renditekurve positiv beeinflussen, daher sollten sich Anlegerinnen und Anleger auf Strategien mit höherer Duration konzentrieren.
Szenario 3
Unser drittes Szenario bei Nordea Asset Management ist eine schwerere Rezession mit stärkeren Rückgängen des Wirtschaftswachstums, der Inflation und auch der Zinssätze. Sinkende Zinsen werden sich sowohl auf Bargeld als auch auf Anleihenbestände auswirken. Gleichzeitig werden die Anleihenpreise steigen, wenn die Renditen sinken – insbesondere bei Anleihen mit längerer Laufzeit. Dies werden die sinkenden Renditen ausgleichen, was dazu führt, dass Anleihen auch in diesem Szenario besser abschneiden als Cash. In einer ausgewachsenen Rezession werden qualitativ hochwertige Anleihen mit höherer Duration – Staatsanleihen, gedeckte Anleihen (Pfandbriefe) und Unternehmensanleihen höchster Qualität – am ehesten die Renditen liefern, die Anlegende suchen.
Jenseits von Cash
Jeder muss für seine Ausgaben etwas Bargeld bereithalten, aber in den letzten Jahren haben sich die Cash-Bestände angesammelt, da die Anlegenden nur wenige bessere Alternativen gefunden haben. Für einige war dies das Ergebnis fehlender Investmentaktivitäten, während andere aktive Zuweisungen in Barbestände vorgenommen haben. Dennoch erreichen Anlegerinnen und Anleger ihre langfristigen Renditeziele am ehesten mit einer breiteren Vermögensallokation als mit Bargeld allein und müssen diese daher regelmässig neu bewerten. Schon die Hinzunahme eines sehr geringen Risikos kann in einem Portfolio zu moderat höheren Erträgen führen, die sich im Laufe der Zeit verstärken.
Es ist sehr verlockend, Bargeld für einen Zeitraum von beispielsweise zwölf Monaten festzulegen, da derzeit attraktive Zinssätze geboten werden. Dadurch sind Anlegende jedoch am Ende dieses Zeitraums mit niedrigeren Zinssätzen konfrontiert, weil zu diesem Zeitpunkt möglicherweise der attraktivste Einstiegspunkt in andere Anlageklassen überschritten ist.
Daher ist es jetzt an der Zeit, dass Anlegerinnen und Anleger mit hohen Barbeständen ihre Positionen aktiv überdenken. Da sich die wichtigsten Markttreiber stabilisiert haben und sich nun wahrscheinlich ändern werden – und die Zinsen nun kurz- oder mittelfristig voraussichtlich sinken dürften –, wird sich wohl auch die relative Attraktivität von Bargeld gegenüber Anleihen ändern.
Anleihen für jeden Risikoappetit
Die Geschichte zeigt, dass sich Anleihen tendenziell besser entwickeln als Bargeld, nachdem die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben. Zudem haben wir oben erläutert, warum das auch dieses Mal der Fall sein könnte. Anleihen sind jedoch eine grosse Anlagekategorie mit einer weiten Bandbreite an Risiko- und Renditeoptionen.
Anlegende mit der geringsten Risikoaffinität können in Anleihen mit kurzer Laufzeit (und daher geringer Zinssensitivität) sowie geringem Kreditrisiko (geringes Ausfallrisiko) investieren. Diejenigen, die ihre Rendite steigern möchten und bereit sind, ein höheres Risiko einzugehen, können wahlweise sowohl das Zinsrisiko als auch das Kreditrisiko erhöhen. Anleger und Anlegerinnen mit spezifischeren Ansichten über Markttreiber können Anlagelösungen finden, die ihr Risiko stärker auf den einen oder anderen dieser Renditetreiber konzentrieren.
Das Wichtigste, das bei einem Einstieg in Anleihen beachtet werden sollte, ist die Diversifizierung.
Fabio Angelini ist Senior Investment Specialist - European Fixed Income at Nordea Asset Management.