Es sind Flugtage bei der Credit Suisse. Täglich verabschieden sich Kaderleute. Viele unfreiwillig, andere aus freien Stücken. Betroffen ist das Investment Banking, wo CS-Chef Ulrich Körner den Hobel ansetzt und 10 Prozent der 16’000 Mitarbeitenden loswerden will. Was für die Bank viel alarmierender ist: Es sagen auch Dutzende Kaderleute aus der Vermögensverwaltung Adieu und Goodbye. Ausgerechnet in der Kerndisziplin der neuen CS.
Sie fliegen in der Schweiz aus und ebenso in Asien, dem Wachstumsmarkt der Wealth Managements. Also dort, wo die Zahl der Millionärinnen und Milliardäre weltweit am stärksten steigt. Das ergibt eine Exit-Analyse der «Handelszeitung» von Dutzenden Managing Directors, die in Medien und Finanzportalen vermeldet wurden, und zwar weltweit. Und in den letzten Wochen.
Managing Directors (MD) sind hierarchisch unter den CEO, CFO, COO und den Divisionsleitern angesiedelt. Oft sind sie Abteilungsleiterin oder Abteilungsleiter, die operative Teams führen. Ihr Salär liegt bei 550’000 Franken plus im Jahr, inklusive Boni; Topleute bringen es auf über 1 Million. Es sind erfahrene Bankerinnen und Banker, die oft zehn oder mehr Jahre bei der CS verbrachten.
Vermögensverwaltung: Aderlass in Asien
Letzten Sommer verabschiedete sich Serge Fehr, Chef des Private Banking in der Schweiz, ein Mann mit 25 Dienstjahren, beliebt, erfolgreich, charmant. Bis heute hat er keinen neuen Job angenommen. Ihm folgte Ende 2022 Yves-Alain Sommerhalder, auch er als Leiter des Bereichs Finanzierung und neue Produkte eine prägende Figur im Wealth Management. Er meldete sich nach 20 CS-Jahren auf Linkedin ab und schrieb über seine Pläne: «It will certainly be the beginning of something new.» Der 47-Jährige will offenbar zuerst beim Skifahren Energie tanken und dann zu neuen Ufern aufbrechen.
Auch Dominique Schwitz – er war fast 18 Jahre dabei, zuletzt Vize bei der Betreuung von Family Offices und Premium Clients – hat genug. Er wechselte zur Bank Bär, wo er nun die Superreichenabteilung in der Schweiz leitet. Bär ist weltweit im Angriffsmodus und lanciert dieser Tage eine Werbekampagne, die sich an Superreiche richtet: «Wie wir heute investieren, so leben wir morgen.»
Adieu sagte weiter Philipp Bürgin, Market Area Head Private Banking. Er wechselt in die Geschäftsleitung der Bank Zimmerberg in Horgen. Derweilen übernahm Yusuf Savmaz per 1. August bei BNP Paribas das Wealth Management in der Deutschschweiz; zuvor war er bei der CS als Market Head Entrepreneurs & Executives tätig und betreute Führungskräfte – eine hochattraktive Klientel. Es gibt allerdings auch Zuzüge im Kerngeschäft, auch von der UBS, etwa Frédéric Wüthrich, neuer Head Premium Clients Basel & Bern. Oder Klaus Durrer, Head Investor Protection & Product Governance.
Die UBS wildert bei der CS
Besonders gross war und ist der Aderlass in Asien. Die Abgänge betreffen die Standorte Hongkong, Singapur und Sydney. Hongkong war in der Vergangenheit stets ein verlässlicher Profitbringer in der Vermögensverwaltung der Credit Suisse. Derzeit sind es Family Offices aus Mainland China, die ihr Vermögen nach Hongkong und Singapur schaffen – einfach weg aus dem Machteinfluss der Kommunisten, lautet die Devise.
Zu reden gab der Abgang von Jin Yee Young, Vizechefin Wealth Management in der Region Asien-Pazifik: Die Vermögensverwalterin mit besten Kontakten war zwanzig Jahre lang bei der CS und wechselte Anfang Jahr zur Deutschen Bank, wo sie die gesamte Vermögensverwaltung Asiens übernahm. Weiter gingen Steven Lau, Direktor in der Vermögensverwaltung in Hongkong, Teamleader Nelson Hui und Luke Chiu, Market Leader für China. Letzterer wechselte zur französischen BNP Paribas, die in Asien endlich wachsen will.
Auch in Singapur gabs Verschiebungen weg von der CS. Die UBS angelte sich dort ein Team, das indischstämmige Familien betreut, sogenannte NRI (Non-Resident Indians). Dazu gehören Gautam Anand, Akshay Menon und Gautam Bhargava. Die UBS ist im Wealth Management mit grossem Abstand der Leader in Asien, vor der Citi und der Credit Suisse. Nun wird um Marktanteile gerungen, vorab die US-Banken sind aggressiv unterwegs.
In Singapur verabschiedete sich in den letzten Tagen auch Johanes Oeni von der CS, als Gruppenchef lange zuständig für vermögende Kundschaft aus Indonesien. Weitere Verluste sind Mandy Loo, Managing Director, zuständig für den China-Markt und Howard Wu, Teamleiter für China, ein Senior-Banker mit 18 Dienstjahren. Kürzlich hat auch Ashish Gupta, Leiter Equity Research für Indien, nach 14 Jahren die Kündigung eingereicht und sich in einen Garden Leave verabschiedet. Die Abgänge erfahrener Vermögensverwalter dürfte bei der Grossbank zu weiteren Asset-Abflüssen führen; letzten Herbst verlor die Bank bereits 80 Milliarden Franken weltweit.
Investmentbanking: Rette sich, wer kann
Die Investmentbanksparte blutet am meisten bei der Neuausrichtung der Bank. 1600 Stellen sollen gestrichen werden. Bislang haben 100 Managing Directors die Bank verliessen, wie die «Financial Times» Ende Jahr schrieb. Nun dürften es einige mehr sein. Prominentester «Leaver» war Christian Meissner Ende 2022. Nach dem Zusammenbruch des US-Hedgefonds Archegos, welcher der Investmentbank einen Verlust von 5 Milliarden bescherte, übernahm er die Führung der Problemsparte. Eine Zeit lang half er beim Aufräumen in Zürich, im Dezember war definitiv Schluss. In einer geschrumpften und domestizierten Sparte wollte der ambitiöse Banker nicht mehr Chef sein.
Viele Abgänge gabs vorab in New York, darunter Jerome Wallace, Co-Head of Americas Distribution, und Brian Williams, ebenfalls Co-Head. Beide wechseln zum US-Investmenthaus Robert W. Baird & Co. Ihnen folgen James Gray, Executive Director für strukturierte Finanzprodukte, und Daniel Bates. Zu Baird zieht es auch Jeremy Duksin, der zwölf Jahre lang dem Investmentbanking der CS die Treue gehalten hat. Den Ausgang suchte zudem Anthony Abenante, Head Global Equities, dessen Wirken die CS in einer internen Mitteilung in den höchsten Tönen verdankte. Auch Randy Bayless, Co-Leiter Energy und Infrastructure, und Emily Rose Laochua, Leiterin ESG Ratings und Investor Advisory, sollen nach zwanzig respektive zwölf Jahren auf dem Sprung sein, und zwar zur Bank of America in New York.
Jagdrevier Hongkong und London
Nicht nur im Westen öffnen sich die Türen, auch im Osten gibts ein Gehen und Kommen. Es gingen Gaurav Pradhan, Co-Leiter Investmentbanking in Indien, sowie Carsten Stoehr, CEO Greater China und VR-Präsident der Credit Suisse Hongkong. Er war 25 Jahre dabei und wechselt zur Standard Chartered. Ein Verlust ist auch Zeth Hung, Vize-Präsident Investment Banking & Capital Markets in der Asien-Pazifik-Region.
Von «Big News» schrieb das Karriereportal Efinancialcareers, als es den Abgang von Jens Welter, Co-Head der globalen Investmentbank in London, annoncierte. Er war bloss elf Monate zuvor zum Co-Chef befördert worden und war 27 Jahre lang bei der CS tätig gewesen; er wechselte zur Citigroup, wo er zum Co-Head der Investment Bank in Europa und zum Präsidenten des Retail Advisory Business aufsteigt. Seinen Abgang gaben auch Daniel McCarthy, Leiter Global Credit Products, und Joachim von der Goltz, Managing Director und Head Equity Capital Markets Northern Europe in London, bekannt. Das Büro räumte überdies Cathal Deasy, Co-Leiter des Investment Banking and Capital Markets Europe, der noch im September 2021 promoviert worden war.
Im Dezember ernannte die CS 183 neue MD
Ein Exodus ist ausserdem bei der CS in Australien im Gang. Da haben rund 30 der 400 Mitarbeitenden gekündigt, darunter der Chef Real Estate, Rahul Bharara, der Equity-Sales-Chef, David Buttenshaw, und der Co-Leiter Investmentbanking, Angelo Scessarra, der 18 Jahre lang an Bord war.
Es haben sich indes nicht nur Kaderleute verabschiedet, es kamen auch viele Seniors neu zur Credit Suisse. Letzten Dezember hat die Bank 183 neue Managing Directors ernannt, auch um Abgänger zu ersetzten. Insgesamt zählt die Bank 1500 MD, ein Viertel davon sind Frauen.