Eine der Fragen, die im Zuge der Eurokrise so gut wie nie gestellt werden, ist jene nach den Auswirkungen auf Drittländer. Es geht hier also nicht um die Banken, die im Zuge einer Umschuldung von Griechenland Verluste erleiden würden. Viel wichtiger sind die aussenwirtschaftlichen Konsequenzen.
Vor der Krise hatte der Euroraum eine fast perfekt ausgeglichene Leistungsbilanz. Hinter dieser oberflächlichen Ausgewogenheit lagen aber interne Ungleichgewichte. Im Jahre 2007 hatte Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss von 7,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) und Spanien ein Leistungsbilanzdefizit von 10 Prozent. Der Grund für diesen gewaltigen Unterschied war der relative Verschuldungsgrad der Privatsektoren. Der deutsche Privatsektor sparte mehr, als er investierte, wohingegen Spanien sich eine Investitionsblase gönnte – mit den bekannten Folgen.
Wie sieht die weitere Entwicklung im Zuge der Krisenabwicklung aus? Die offiziellen Prognosen für den Euroraum sehen hier keine grossen Veränderungen. Der jüngste World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (IWF) geht von einer ausgeglichenen Leistungsbilanz für die nächsten zwei Jahre aus. Dabei nehmen die internen Ungleichgewichte ein wenig ab.
Diese Prognose entspricht allerdings nicht der Realität unserer Krisenpolitik. Die Länder der europäischen Peripherie gehen im Moment durch eine Phase deflationärer Anpassung. Reale Löhne und Immobilienpreise fallen relativ zu Deutschland. Deutschland wird indessen weiterhin starke Leistungsbilanzüberschüsse einfahren – im laufenden Jahr laut IWF noch 5,1 Prozent vom BIP. Die Peripherie ihrer- seits steuert mit rasanten Schritten auf eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu. Denn dort bauen gleichzeitig sowohl der öffentliche als auch der private Sektor ihre Schulden ab. Ich würde sogar erwarten, dass in einigen der einstigen Defizitländer Leistungsbilanzüberschüsse entstehen werden, sodass der Euroraum insgesamt ebenfalls einen Leistungsbilanzüberschuss erzielen wird. Mit der Ablehnung einer Fiskal- oder Transferunion stellen die nördlichen Länder den Rest des Euroraums vor die Wahl eines Zusammenbruchs oder einer deflationären Anpassung mit Leistungsbilanzüberschuss.
Die Vereinigten Staaten, die grösste Volkswirtschaft der Welt, sind gerade dabei, ihre Leistungsbilanzdefizite zu reduzieren. Da weder China noch Japan sich von ihren Überschüssen wegbewegen, ist der krisenbedingte Überschuss des Euroraums für die restliche Weltwirtschaft insgesamt problematisch, denn deren Leistungsbilanz muss sich logischerweise um einen entsprechenden Betrag verschlechtern. Insbesondere die Schwellenländer und die unmittelbaren Nachbarstaaten des Euroraums werden von dieser Entwicklung betroffen sein. Der Schweizer Leistungsbilanzüberschuss von 14,2 Prozent im vergangenen Jahre wird im Zuge dieser globalen Anpassung dahinschmelzen. Der starke Wechselkurs des Schweizer Frankens ist somit kein Betriebsunfall. Er ist eine von vielen Externalitäten der Eurokrise.
Wolfgang Münchau betreibt in Brüssel den Internetdienst Eurointelligence.com und schreibt als Kolumnist für die «Financial Times».