Jean-Christophe Babin, CEO der LVMH-Marke Bulgari, wird Präsident der Geneva Watch Days, der alternativen Uhrenmesse am Lac Léman, die er anno 2019 mitinitiierte. Während andere Marken von einer Uhrenmesse nichts wissen wollen, nimmt er mit Bulgari inzwischen an drei verschiedenen teil. Darüber haben wir uns mit ihm unterhalten und über das schwierige Jahr 2024 sowie seine Glaskugel und die Krise in China.

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Herr Babin, Sie werden der neue Präsident der Geneva Watch Days, werden zudem an der Watches and Wonders teilnehmen, und LVMH organisiert selber noch eine Watch Week jeweils im Januar. Scheint ein bisschen viel Messe für eine Marke. 

Das mag Ihnen so erscheinen. Für uns sind drei Events pro Jahr geradezu ideal. Denn Bulgari ist eine der wenigen Uhrenmarken, die sowohl bei den, sagen wir einmal, gewöhnlichen Damen- und Herrenuhren, bei den Schmuckuhren als auch bei den grossen Komplikationen mithalten können. Die meisten Wettbewerber schaffen nicht alle Disziplinen. So wie wir aufgestellt sind, ist es richtig, das Jahr aufzuteilen. Einmal fokussieren wir auf die regulären Uhren, dann auf Schmuckuhren und das dritte Mal auf grosse Komplikationen. Dieses Jahr war Genf für uns das Event der grossen Komplikationen, nächstes Jahr sind es vielleicht die Damenuhren. Das gibt uns Flexibilität. 

Chime

Eine Uhr von drei aus der Kollektion Octo Chiming.

Quelle: Lucenti Studio Srl / PR

Apropos Flexibilität: 2024 ist ein schwieriges Jahr für die Branche. Haben Sie Ihr Menü angepasst? 

Nein. In dem, was wir herstellen, richten wir uns nie nach dem Markt. Aber wir haben unsere zwei Sensoren, um Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen: Einer sind die Rückmeldungen aus unseren Verkaufskanälen, sowohl aus unseren eigenen Boutiquen, wo wir den grössten Teil des Umsatzes erzielen, als auch von unseren Retailern. Ich weiss jeden Tag, was läuft. In Bezug auf China sahen wir schon im August letztes Jahr klare Anzeichen dafür, dass etwas los ist, und es wurde bald klar, dass dieses Etwas mit dem Immobilienmarkt zusammenhing. Das haben wir in unser Budget 2024 einfliessen lassen. Wir waren deutlich vorsichtiger, als wir es 2022 für 2023 waren. 

Die ultradünne Octo Finissimo Ultra.

Die ultradünne Octo Finissimo Ultra.

Quelle: PR

Haben Sie in Sachen Neuheiten angepasst?

Auch das nicht. Was wir 2024 gezeigt haben, haben wir 2022 entschieden. Es folgten ein Jahr Konzeptarbeit und ein Jahr Produktentwicklung. Heisst: Heute ist 2025 schon ready, die Produktion ist angelaufen, und wir arbeiten bereits an 2026. Wir richten uns dabei nie nach dem Markt. In dieser Branche ist man nur erfolgreich, wenn man den Markt macht, nicht aber, wenn man ihm folgt. Uhren sind ja nicht wie Mode, wo Trends alles sind. 

Bulgari macht den Markt?

Wir sind Pioniere, weil wir Dinge vorwegnehmen. In den vergangenen Jahren hat es unter den zehn flachsten Uhren zum Beispiel fünf von Bulgari gegeben. Nie hat uns ein Konsument darum gebeten, flache Uhren zu machen. Bei den Damen haben wir mit der Serpenti eine Ikone geschaffen. Keine Kundin hätte je darum gebeten, eine Schlange ums Handgelenk zu tragen. 

Die Serpenti Tubogas Uhr in Gold mit Diamanten.

Die Serpenti Tubogas Uhr in Gold mit Diamanten.

Quelle: PR

Zurück zum laufenden Uhrenjahr. Welche konkreten Folgen zeitigte die Vorsicht für das Budget 2024?

Unsere Supply Chain ist KI-getrieben mit dem Ziel, dass das, was wir herstellen, und das, was wir an den Endkunden verkaufen, am Ende des Kalenderjahres möglichst ausgeglichen ist. Wir planen schon seit 15 Jahren datenbasiert. Dank KI können wir heute auch Prognosen machen, die besser waren als je zuvor. Wir wissen relativ genau, was ein Kunde in den nächsten Monaten kaufen wird, weil es uns heute möglich ist, Verhaltensmuster der Vergangenheit zu vergleichen und daraus zu schliessen, was jemand als Nächstes tun wird. 

Wie viel haben Sie in diese Glaskugel investiert? 

Wir haben investiert, aber nicht Millionen, weil unsere KI einzig auf Angebot und Nachfrage fokussiert. Und das einzig und allein mit dem Ziel, die beiden besser aufeinander abstimmen zu können. 

Würde dies Schule machen, liessen sich viele Wogen glätten, welche die Industrie immer wieder hochschaukeln und runterziehen.  

Bevor man KI nutzen kann, muss man seine Hausaufgaben machen. Man muss zuerst die Database aufbauen und dann alle Verkaufspunkte mit der Technologie ausstatten, die es erlaubt, den Sell-out sofort zu rapportieren. Wir machen das seit fünf Jahren. Ich kann heute Abend genau wissen, wie viele Uhren ich in meinem Netzwerk verkauft habe und welche. Mit den Daten füttern wir unser Vorhersagemodell. Damit dieses akkurat funktioniert, braucht es grosse Volumen und eine grosse Datenbasis. 

Serpenti Uhr

Die Serpenti Misteriosi Pallini mit einem Armband in Gelbgold.

Quelle: PR

Sie könnten der Konkurrenz Lizenzen vergeben. 

Es gibt genug Provider, die helfen können. Das ist alles nur eine Frage, ob man das will, denn am Ende des Tages ist es gar nicht so komplex, braucht einfach ein paar Jahre für Konsistenz, Persistenz und Resilienz. Dann beginnt das System zu funktionieren und brauchbare Resultate zu liefern. Wir sind keine Serviceprovider, sondern da, um Marktanteile zu gewinnen. Dank unserem System werden unsere Retailer keine Lager anhäufen, und die Zulieferer sind nicht mit Bestellungsstorni konfrontiert. 

Sie haben nichts storniert?

Nein, wir haben einige Bestellungen modifiziert, aber nicht gecancelt. Wenn man nur die Mengen ändert, ist das für die Zulieferer nichts Gravierendes, sie sind ja ihrerseits auch flexibel. 

Ihre Diagnose zum Ist-Zustand des Marktes für die Uhrenindustrie?

Der Markt ist sehr negativ in China, der Rest der Welt ist ziemlich gut, das Ergebnis ist leicht negativ. China geht durch eine Immobilienkrise, die sich mit der Subprime-Krise in den USA vergleichen lässt. Der Unterschied ist, dass es sich nicht wie 2008 um eine Kreditkrise handelt, sondern um eine Krise wegen eines Überangebots. Zudem haben viele Chinesen in Real Estate investiert an der Börse. Heisst: Das eigene Apartment ist weniger wert und das Portfolio grad auch, da gibt man nicht so gern Geld aus.  

Wann beruhigt sich das Ganze?

Immobilien sind ein langsames Geschäft wie Uhren. Bis das Überangebot korrigiert ist, braucht es vielleicht noch ein Jahr. 

Ich habe YouTube-Videos gesehen, in denen ganze Siedlungen, die sich noch im Bau befinden, mit Dynamit gesprengt werden. Irre, oder? 

Warum etwas fertigstellen, das man nie verkaufen kann, da macht man ja alles nur schlimmer. Es sieht brutal aus, ist aber keine dumme Lösung. 

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