Der Pensionskassenverband Asip hat an seiner Mitgliederversammlung von Mitte Mai einen neuen Präsidenten gewählt. Er heisst Martin Roth und ist Geschäftsführer der Pensionskasse Manor. In seiner Antrittsrede sagte er, die Vorschläge der ständerätlichen Kommission zur BVG-Revision seien nicht mehrheitsfähig.
Von welcher Mehrheit redet er? Von der Mehrheit innerhalb des Asip, von der Mehrheit im Parlament oder der Mehrheit im Volk?
Der Bundesrat formulierte für die Reform der beruflichen Vorsorge drei Ziele: Sicherung des Rentenniveaus, Stärkung der Finanzierung und Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte, wovon insbesondere Frauen profitieren könnten.
Der Nationalrat hat in der zurückliegenden Wintersession einen Revisionsvorschlag verabschiedet, der diese drei Ziele weitgehend erfüllt. Und doch hiess es nicht nur von linker Seite, der Vorschlag des Nationalrats sei nicht mehrheitsfähig. Die vorberatende Kommission des Ständerats sagte es so: «Das Modell des Nationalrats ist zu wenig grosszügig, um im Volk eine Mehrheit für die BVG-Reform zu gewinnen.»
Wir lernen daraus: Es genügt nicht, das Rentenniveau zu sichern, um das Volk zu einem Ja zu bewegen. Man muss grosszügig sein. Wie grosszügig genau?
Für die Grosszügigkeit gibt es eine plausible Messgrösse: Man schätzt den Anteil der Versicherten, die in den Genuss von Zuschüssen kommen, damit sie aufgrund der Senkung des Umwandlungssatzes keine Einbussen erleiden. Gemäss dem Nationalrat wären das 35 bis 40 Prozent der Übergangsgeneration über 15 Jahre.
Die Ständeratskommission ist da in der Tat grosszügiger. Sie erweitert die Übergangsgeneration auf 20 Jahre. 88 Prozent der angehenden Rentnerinnen und Rentner erhielten den Zuschlag.
Es gibt noch eine andere Vergleichszahl: Das Nationalratsmodell kostet 9 Milliarden Franken, der Vorschlag der Ständeratskommission hingegen 25 Milliarden. Kein Wunder, dass in der Kommission sogar die linke Seite zustimmte.
Doch die Ständeräte wollen noch aus einem ganz anderen Grund grosszügig sein. Im Herbst kommt die AHV-Minireform vors Volk, wo wir neben der Erhöhung der Mehrwertsteuer auch darüber abstimmen, ob Gleichberechtigung auch beim AHV-Alter gelten soll. Auch hier geht es um Mehrheitsfähigkeit. So sagen sich die Strategen im Parlament: Je grosszügiger die BVG-Revision, desto grösser die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung zur AHV-Revision.
Nun ist natürlich überhaupt nicht klar, ob der Ständerat am Dienstag den (grosszügigen) Vorschlag seiner Kommission schlucken wird. Und noch vor der Abstimmung zur AHV wird auch die nationalrätliche Kommission nochmals über die Bücher gehen und überprüfen müssen, wie es sich mit der Mehrheitsfähigkeit der AHV- und BVG-Revision verhält.
Dieser Artikel ist unter dem Titel «Bei der BVG-Reform geht es auch um die AHV» erstmals erschienen im «Sonntagsblick» vom 12. Juni 2022.
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