Seit JPMorgan Chase & Co. Anfang April auf Anweisung des US-Finanzministeriums Zinszahlungen für zwei auf Dollar lautende Staatsanleihen gestoppt hatte, rückt der Zeitpunkt unaufhörlich näher. Die russische Zentralbank war gezwungen, die Zahlungen in Rubel zu leisten, und nach Möglichkeiten zu suchen, US-Banken wie JPMorgan und Citigroup in Zukunft zu umgehen.

Am Mittwoch wurde die Lage noch ernster: Das Credit Derivatives Determinations Committee stufte die Rubelzahlung als potenziellen Zahlungsausfall ein, was voraussichtlich die Auszahlung von Kreditabsicherungen auslöst, wenn Russland auch nach Ablauf der Nachfrist am 4. Mai nicht in Dollar gezahlt hat. Zwar hätte das keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Bonds, könnte aber Versuche von Gläubigern lostreten, Moskau vor Gericht zu zerren und seine Schulden fällig zu stellen.

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Russische Notenbankchefin sieht kein Zahlungsausfall kommen

Die Gouverneurin der russischen Notenbank, Elvira Nabiullina, bekräftigte am Donnerstag jedenfalls, dass Russland «nicht von einem Zahlungsausfall bedroht» sei, sondern «über genügend finanzielle Ressourcen» verfüge.

Russlands Hauptaugenmerk liegt auf Möglichkeiten, die Zahlungen über inländische Institutionen sowie über seine eigene Clearingstelle umzuleiten. Es bleibt jedoch unklar, ob die Versuche Aussicht auf Erfolg haben und tatsächlich helfen würden, einen Zahlungsausfall zu vermeiden.

«Der Wortlaut der Anleiheprospekte gibt darüber keine Klarheit», sagte Mitu Gulati, ein Professor an der University of Virginia School of Law, in einem Interview. «Vermutlich müsste ein Richter über das alles entscheiden.»

Russland sucht einen Ausweg

So erwägt der Kreml etwa, die russische Zentralbank statt der ausländischen Banken als Korrespondenzbank und Zahlstelle für die Anleihen einzusetzen. In diesem Szenario würden die Zahlungen an die Anleihegläubiger zunächst an die russische Zentralbank und dann weiter an die inländische Clearingstelle gehen, das National Settlement Depository.

Von dort aus würde das Geld an die Bondhalter gehen, bei jenen aus so genannten feindlichen Staaten auf spezielle «Konten des Typs 'C'». Die Staatsbank VTB hat das bei eigenen Zahlungen jüngst vorexerziert.

Durch den Rückgriff auf das NDS könnte Russland auch jene ausländischen Anbieter umgehen, die Zahlungen verzögert haben. Euroclear und Clearstream etwa haben die Konten der russischen Verwahrstelle blockiert und halten damit ebenfalls Zahlungen in der Schwebe.

Auch Unternehmer bringen sich mit Vorschlägen ein

Die russische Vereinigung der Industriellen und Unternehmer hat einen ähnlichen Vorschlag für Unternehmensanleihen vorgelegt, um eine Welle von Konkursen und das Einfrieren von Auslandsvermögen zu vermeiden. Ihr Vorschlag sieht vor, dass Ausländer Zahlungen auf spezielle Fremdwährungskonten bei russischen Banken erhalten und die Option bekommen, die Wertpapiere an das Finanzministerium zu verkaufen.

Das soll jenen russischen Unternehmen helfen, die in technischen Zahlungsverzug geraten sind, weil ihre Zinszahlungen im Netz der Due Diligence ausländischer Banken stecken geblieben sind, selbst wenn sie - wie etwa der Stahlproduzent Severstal – gar nicht selbst auf der Sanktionsliste stehen.

Ein Wechsel der Zahlstelle dürfte jedoch nicht einfach sein: Er erfordert die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger und in einigen Fällen monatelange Kündigungsfristen. 

Russische Strategie: Wird sie aufgehen?

Überdies ist unklar, ob die Auszahlung in Rubel überhaupt helfen würde, den Zahlungsausfall zu vermeiden. Schliesslich waren gerade die Tilgung und Kuponzahlung in der Landeswährung der Grund für die Entscheidung des CDS-Gremiums und dafür, dass S&P Global Ratings seine Bonitätsbewertung auf «Teil-Ausfall» herabgesetzt hat.

Gulati, der auf die Umstrukturierung von Staatsschulden spezialisiert ist, meint, dass Russlands Bondprospekte eine Klausel enthalten, die die Zahlung in Rubel erlauben könnte. «Zusammengefasst scheint die Klausel zu besagen, dass die Zahlung in einer anderen Währung eine 'Entlastung' darstellen kann, solange der Empfänger diese Rubel zum Kauf einer ausreichenden Anzahl von Dollar verwenden kann», so Gulati in einem Beitrag in seinem Blog.

Ein zweiter Entwurf des Kreml sieht vor, dass die Emittenten die Zinszahlungen an die Anleger über getrennte Kanäle leisten, je nachdem, wo diese ihren Sitz haben. Die Zahlungen an ausländische Gläubiger würden über eine ausländische Zahlstelle abgewickelt, die freilich auf ähnliche Hindernisse stossen könnte. Russische Inhaber würden über inländische Institutionen bezahlt.

Die Wall Street-Banken stecken in einer ungemütlichen Situation

Der Unterausschuss der russischen Regierung, der den Plan erarbeitet hat, empfahl auch die Verwendung von Rubel für den Rückkauf von Eurobonds. So ist Russland bereits bei einer am 4. April fällig gewordenen Anleihe im Wert von 2 Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) vorgegangen.

Unbestreitbar ist jedenfalls der Schlamassel, in den die Wall Street als De-facto-Vollstreckerin der Sanktionen von US-Präsident Joe Biden geraten ist. «Wir stehen in ständigem Kontakt mit der US-Regierung und werden auch weiterhin unseren Teil zur Durchsetzung der Sanktionen beitragen», erklärte Citigroup-Chefin Jane Fraser letzte Woche in einer Telefonkonferenz mit Analysten. «Aber mir fehlen die Worte, um die tragischen Folgen des Krieges in der Ukraine zu beschreiben.»

(bloomberg/mbü)