Die grösste Angst der Top-Manager ist die vor dem persönlichen Versagen und damit vor Reputationsverlust», sagt Sandro V. Gianella. Headhunter bei Knight Gianella & Partner.

Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Executive Search Consultant weiss Gianella, dass Führungskräfte isoliert kaum darüber sprechen, im konkreten Kontext aber sehr wohl.

«Soll ich für eine Firma einen neuen CEO suchen, spielt die Angst oft hinein. Wie muss ich es machen? Wie kommuniziere ich es? Welche neuen Abhängigkeiten schaffe ich mir? Solche Fragen machen Entscheidungsträgern im Topmanagement und auf VR-Ebene häufig Angst», weiss Gianella.

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Besser nichts entscheiden

Die Ängste sind oft diffuser Art. Es sind die Ängste vor dem Unberechenbaren, und dieses nimmt in Zeiten der Beschleunigung der weltweiten Veränderungsprozesse rasant zu. Viele Manager hängen am Kalkulierbaren, möchten «alles im Griff haben». Deshalb verabscheuen sie Schwierig- oder Nicht-Voraussehbares.

Im schlechten Fall führen diese Angstgefühle zu Nicht-Taten, aufgeblähten Stäben, aufwendigem Risk-Management und zunehmendem Beizug von externen Beratern. «Tue ich möglichst wenig, minimiere ich mein persönliches Risiko. Ziehe ich Berater bei, schütze ich mich besser vor Fehlentscheiden», lauten dann die Devisen.

Dass die Angst für die Wirtschaft dramatische Folgen hat, fanden Winfried Panse und Wolfgang Stegmann bereits Ende der 90er Jahre im Auftrag der Fachhochschule Köln heraus. Damals veranschlagten sie die durch Angst verursachten Kosten für die deutsche Volkswirtschaft auf über 80 Mrd Fr. 2004 schätzten sie sie bereits auf rund 150 Mrd Fr.

Der deutsche Managementtrainer Günther Spiesberger sagt: «Je höher die Position, desto grösser ist die Angst.» Fehlzeiten, Leistungseinbussen, Nicht-Entscheide und verhinderte Innovationen sind die Folge. Angstforscher Panse hat zudem herausgefunden, dass sechs von acht Firmenlenkern sich vor ihren eigenen Angestellten fürchten. Weit verbreitet ist die Angst, vor dem Personal aber auch vor Kunden zu sprechen.

Während ältere Führungskräfte am häufigsten den Jobverlust als grösste Angst bezeichnen, nennen jüngere Chefs zuerst die Furcht vor gesundheitlichen Problemen durch die enorme, oftmals auch körperliche Belastung, die mit ihrer Funktion einhergeht.

Und das Gesundheitsrisiko nimmt weiter zu: Jeder dritte Manager so eine Kienbaum-Studie verzichtet ganz auf Pausen, aus Angst, einen wichtigen Anruf oder eine dringende E-Mail zu verpassen.

Kein Wunder, ist die 13-Betten-Abteilung in der Privatklinik Meiringen, die Burnout-Patienten aus dem Top-Management behandelt, durchwegs ausgebucht.

Über die enormen Angstgefühle, die mit zum Burnout-Syndrom führen können, sprach Anfang dieses Jahres auch Ex-FDP-Präsident Rolf Schweiger öffentlich und trug damit zu einer gewissen Enttabuisierung des Themas bei.

Barbara Hochstrasser, Chefärztin in Meiringen (siehe Interview), wird seither regelmässig von Wirtschaftsorganisationen und Service Clubs angefragt, um über das Thema zu referieren.

Keine Zeit für Strategie

Als Folge der allgemeinen Verunsicherung zusätzlich verstärkt durch 9/11 kam es ausgehend von den USA weltweit zu mehr Regulierungen, die besonders augenfällig in den strengeren Börsenrichtlinien (Sarbanes-Oxley) zum Ausdruck kamen.

Mit teilweise schwerwiegenden Konsequenzen auf die Firmenführung. «Verwaltungsräte verbringen heute sehr viel Zeit damit, bei ihrer Arbeit nur schon die gesetzlichen Normen zu erfüllen», sagt Sandro V. Gianella, «mit dem Resultat, dass kaum noch Zeit für die eigentlichen Strategie- und entsprechende Personalentscheide bleibt.»

Die Folge: Immer häufiger werden Entscheide vertagt. Und die Tatsache, dass vermehrt Berater zögerlichen Managern die Entscheide abnehmen, führt keineswegs zu weniger Angst. «Die Aufgabe der professionellen Bedenkenträger besteht nicht selten darin, ein möglichst düsteres Bild von all den Gefahren draussen in der Welt zu malen und den Managern so den letzten Rest an Mut und Unternehmertum auszutreiben», schreibt Credit-Suisse-VR-Präsident Walter B. Kielholz.

Kielholz befürchtet, dass gerade die börsenkotierten Konzerne es künftig schwerer haben werden, die besten Leute zu rekrutieren. Schliesslich werde es vor allem dort immer schwieriger, den gestiegenen Bedürfnissen einer immer grösseren Zahl von Anspruchsgruppen gerecht zu werden (VR, Aktionäre, Mitarbeiter, Medien, Gewerkschaften, Umweltverbände etc.).

Diesen Trend beobachtet Headhunter Gianella schon heute: «Suchte ich früher einen CEO für ein börsenkotiertes Unternehmen, standen sie Schlange. Heute ist das der Fall, wenn ich den operativen Chef für ein privates Traditionsunternehmen mit langfristiger Strategie suche. Immer mehr Manager meiden das gläserne Unternehmen inklusive der drohenden Transparenz des eigenen Lohnes.»

Der Headhunter will noch eine andere Tendenz erkannt haben: Auffallend sei, dass Managerinnen und Manager, die mit dieser Angst leben müssen, es immer häufiger nur noch tun, so lange sie müssen. Im Klartext: Die Aussteiger, die nach zehn oder noch weniger Jahren bereits die so genannte dritte Karriere vorbereiten, werden immer jünger.

Das bewirkt auch die gestiegene Angst, das persönliche Umfeld zu gefährden oder schlicht, selbst an der eigenen Karriere kaputtzugehen. Von jüngeren Managern hört Gianella weit häufiger als früher, dass sie das Heranwachsen der eigenen Kinder nicht verpassen wollen.