Harter Franken, schwache Konjunktur, hoher Margendruck. Das ist für viele Unternehmen Alltag. Für einige bekommen in der Krise Werthaltungen ganz neue Dimensionen. Sie suchen Rat in der Bibel. Unternehmen mit christlichen Werten dienen in unruhigen Zeiten als Leuchttürme.
«Ich könnte jede Woche zwei Vorträge halten», sagt Ralph Siegl, Chef der Confiserie Läderach. Das Glarner Unternehmen ist in den letzten 10 Jahren von 170 Mitarbeiter auf etwa 750 angewachsen, auch dank der Übernahme von Merkur. Läderach reitet auf einer Erfolgswelle, wird international und hält gleichzeitig Werte hoch. Was andere Unternehmenschefs von Läderach und seinem Chef lernen wollen, heisst im Jargon «Values Based Management» – das Führen mit Werten also.
Bibelzitate mit aktuellem Bezug
Läderach ist eines der Unternehmen, das sich zu christlichen Werten bekennt. Inhaber Jürg Läderach beginnt jede Verwaltungsratssitzung mit einem Bibelspruch. Die Botschaft habe immer einen aktuellen Bezug, berichten Teilnehmer – bei erfolgreichen Umsätzen etwa Aphorismen zur Demut, zur Bescheidenheit, zur Dankbarkeit.
In einem Interview antwortete Läderach auf die Frage nach seiner Lieblingsbibelstelle prompt: «Trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.»
«Die meisten im Management nicht bibelfest»
«Die meisten von uns im Management sind zwar nicht bibelfest», sagt Unternehmenschef Siegl. «Doch für uns ist die Botschaft wichtig. Wir haben es mit grundehrlichen und authentischen Eigentümern zu tun», sagt Siegl. Jürg Läderach, der Patron, sei in keiner Art und Weise missionarisch.
Doch wer bei Läderachs arbeiten will, muss sich die Werte Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauen auf die Fahne schreiben. Die Konfession spielt keine Rolle. «Als das Unternehmen noch kleiner war, wusste einfach jeder, was galt. Bei 750 Mitarbeitern muss man die Unternehmenskultur, den Sinn und das Wie bewusster thematisieren«, sagt Siegl.
Workshops tragen dazu bei, die Werte in die Köpfe der Menschen zu transferieren. Wichtig sei das sogenannte «Corporate Behaviour«, also das konkreten Verhalten im Geschäftsalltag, das der Marke entsprechen muss. «Nach der Finanzkrise haben viele Unternehmen realisiert, dass es so nicht weiter gehen kann. Ein Unternehmen muss sich auch den Menschen und der Gesellschaft verpflichten«, so Siegl.
Victorinox, Trisa und Gründer Sika
Auch andere Unternehmen halten ihre Werte hoch, in der Krise noch mehr als sonst. Der Messerhersteller Victorinox oder der Zahnbürstenhersteller Trisa beispielsweise. «Wir vertrauen auf die Kraft über uns», schrieb Inhaber Philipp Pfenniger etwa im Vorwort des Geschäftsberichts 2010.
Unternehmen, die sich zu christlichen Werten bekennen, schliessen sich in der Vereinigung Christlicher Unternehmen VCU zusammen. Gegründet wurde die Vereinigung 1949 von Romuald Burkard, dem letzten Familienpatron des Unternehmens Sika.
«Krass, der Veränderung der Werte»
Um Sika tobt seit Monaten ein Machtkampf. Die Erben Burkhards wollen ihre Beteiligung am und die Kontrollmehrheit über das Unternehmen gewinnbringend nach Frankreich verkaufen. Im Streit geht es um Geld und Macht, ein teuflisches Spektakel.
«Krass, die Veränderung der Werte mitanzusehen», sagt VCU-Präsident Michael Nägeli. Der Betriebsökonom führt ein IT-Unternehmen. Respekt, Fairness, Verantwortung sind seine Leitmotive. Bei ihm arbeiten beispielsweise auch Menschen, die sonst nur schwer eine Stelle finden.
«Viele meinen, wir sind Frömmler»
Etwa 400 Unternehmen sind im VCU dabei. Es ist ein Netzwerk, das ihnen für ihre Geschäftsbeziehungen dient. Nach aussen treten wollen sie nicht. «Das ist für uns ein Problem. Das Christliche in unserem Namen wird falsch verstanden. Viele meinen, wir seinen Frömmler», sagt Nägeli.
Auch die Krankenkasse CSS etwa, die das Adjektiv christlich sogar in ihrem Namen trägt, betont die Prinzipien Solidarität und Gerechtigkeit, die unabhängig von den christlichen Grundwerten wahrgenommen würden, schreibt die Medienstelle. Würden Unternehmen, die sich an der Wertediskussion beim VCU interessiert zeigen, automatisch auch Mitglieder, dann «müssten wir regem Zulauf haben», sagt Nägeli.
Am Tisch mit Glencore
Eine besondere Anlaufstelle für Wertefragen gibt es im Kanton Zug. Das Forum «Kirche und Wirtschaft», finanziert von der Katholischen Kirche, will Wirtschaftsführer und Kirchenvertreter einander näher bringen.
«Wir wollen Berührungsängste und Vorurteile abbauen«, sagt Christoph Balmer, der Leiter des Forums. «Wenn die Kirchenleute darauf verzichten, von der hohen Kanzel herab zu predigen und die Wirtschaftskapitäne die Kirche respektieren, dann entstehen Gespräche auf gleicher Augenhöhe.»
Führungskräfte treffen Theologen
Balmer organisiert Vorträge, zu denen jeweils 150 bis 250 Personen kommen. Zudem schafft er Begegnungen zwischen Kirchenleuten und örtliche Unternehmungen und moderiert eine Gesprächsrunde zwischen Führungskräften und Theologen. Zudem veranstaltet das Forum geschlossene Gesprächsrunden - zwei Mal bereits trafen sich Kirchenleute und Manager des Rohstoffkonzerns Glencore, der seinen Sitz im zugerischen Baar hat.
Balmer macht aber auch keinen Hehl daraus, dass sich Grossunternehmen längst mit komplexeren ethischen Fragen auseinandersetzen müssen, als sie die Theologen beantworten könnten. Sie haben ihr Positionen in sogenannten CSR-Papieren (Corporate Social Responsibility) festgeschrieben. «Wenn Manager von Grossunternehmen kommen, dann einfach, weil sie persönlich interessiert sind», sagt er.
Und das werden offenbar mit jedem Jahr einige mehr. Seit der Gründung 2009 habe sich das Forum etablieren können. 2200 Adressen führt Balmer inzwischen in seiner Kartei.
(sda/me)