BILANZ: Herr Clare, Sie sind schon fast auf Ihrem Flug nach Shanghai. Wie wichtig ist Asien für die Geschäftsfliegerei bereits?
Daniel Clare: Asien ist die Wachstumsregion – und doch noch sehr jung. Viele Kunden beginnen erst, sich für Businessjets zu interessieren, und es werden deutlich mehr Flugzeuge verkauft.

Also kommt Ihr Geld woandersher.
Die Branche bewegt sich nach Asien, aber in Russland und dem Nahen Osten ist nach wie vor viel Potenzial. Das sind gewissermassen unsere traditionellen Wachstumsmärkte. So langsam wird die Aktivität in Asien, insbesondere in China, aber auch in Südkorea und anderen Ländern, spürbar.

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Welche Chancen bieten sich Ihnen dort?
Es ist schwierig, die Wachstumschancen genau zu beziffern. Wer weiss das schon so genau? Der Markt beginnt ja erst wieder, interessant zu werden. Aber klar ist: In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir in Asien weiterhin viel Bewegung sehen. Wir bauen deshalb auch unsere Wartungsdienste in Hongkong und Singapur sowie unsere Flugzeug-Management-Dienstleistungen aus, alles rund um Kauf und Betreuung der Flugzeuge.

Ist die Krise überstanden?
Jedenfalls beruhigen sich die Märkte. Sie beginnen, sich wieder zu normaler Aktivität zurückzubewegen, glücklicherweise. Nach dem Arabischen Frühling und der Wirtschaftskrise tasten wir uns zurück ans Niveau von 2008.

Welche Rolle spielt die Golfregion dabei?
Sie ist ein immens bedeutender Markt für unsere Branche. Vor allem die High-End-Flugzeuge werden dort nachgefragt, die besonders grossen, die VIP-Flieger. Gerade die Ausstattung dieser Flugzeuge ist für uns ein interessantes Geschäft, es wird dort besonders viel Wert auf die Inneneinrichtung der Flieger gelegt.

Wie problematisch sind politische Manöver in Ländern wie Russland, die Firmen das Leben schwer machen?
Es gibt das Risiko steigender Regulierung. Aber in China zum Beispiel sehen wir, dass die Regierung unser Geschäft sehr unterstützt. Sie will die Geschäftsfliegerei vorantreiben und damit ihre Wirtschaftskraft.

Das Interesse der Regierungen, Sie zu berücksichtigen, dürfte in den etablierten und daher schon gesättigten Märkten nicht so hoch sein.
Ob in den USA, Europa oder Asien, es gibt überall regulatorische Bedingungen. Darauf muss man sich einstellen. In den USA beispielsweise managen wir viele Jets für Kunden, und auch unser Wartungsgeschäft ist sehr stark. Aber an sich haben wir ein weltweites Netz von siebzehn Servicestationen an Flughäfen – von Genf und Zürich über Dubai, Singapur bis Dallas. Darauf können sich die Kunden aus den USA, aber auch aus Europa und Asien stützen. Das sichert uns zugleich gegen Probleme in einigen Ländern ab.

Wie das?
Unsere Regionen balancieren sich gegenseitig aus. Wenn es irgendwo schlechter läuft, legt ein anderer Markt zu. Das macht es für uns zu einem gut auszutarierenden Geschäft. Und überall ist das Interesse in einem wichtigen Punkt gleich: Die Kunden suchen nach hoher Qualität. Solange wir die bieten können, sichern wir uns ab.

Nach der grossen Wirtschaftskrise droht schon die nächste. Wie sehr spüren Sie die Schuldenprobleme einiger EU-Länder?
Man merkt es deutlich: Die Flugzeiten sind vor allem in Europa stark gesunken. Wenn man es weltweit vergleicht, sind unsere Kosten in dieser Region zugleich die höchsten. Aber wir können das tragen. Zumal wir merken, dass die Wirtschaft sich in den USA deutlich schneller erholt und uns so gut abfedert. Europas Wirtschaft dagegen bleibt flach. Es ist schwer zu sagen, wann dort eine Trendumkehr sichtbar wird. Nur in der Schweiz sieht es anders aus.

Ach ja?
Die Schweiz ist ein wahrer Business-Hub für Europa. Das Land ist der Hotspot für Serviceangebote rund um Businessjets. Wir haben nicht umsonst rund die Hälfte unserer Mitarbeiter in der Schweiz. Basel ist unser grösster Standort.

Gerade in Basel hat Jet Aviation die Zahl ihrer Mitarbeiter allerdings deutlich zurückgestutzt.
Ja, wir haben während der Wirtschaftskrise schrumpfen müssen. Jetzt ändert sich das wieder: Wir wollen in der Schweiz expandieren – auch was die Zahl der Jobs angeht. Wie stark, das werden wir in den nächsten Monaten entscheiden. Vorerst gehen wir unser gesamtes Geschäft hier durch, um die Kosten deutlicher zu senken, etwa durch effizientere Prozesse. Die Schweiz ist ein Hochkostenland. Unsere Ausgaben hier müssen sinken.

Was machen Sie?
Wir gehen die internen Prozesse durch und verbessern sie kontinuierlich. Dadurch werden wir nicht nur effizienter, sondern können auch bessere Produkte anbieten.

Zum Beispiel?
Wir haben etwa neue Designlösungen gefunden und unsere Konstruktionsprozesse vereinfacht, durch die wir die Inneneinrichtung von Flugzeugen schneller und besser herstellen können.

Sichert Sie das gegenüber der aufziehenden Konkurrenz ab?
Was uns da eher hilft, ist, dass wir die ganze Bandbreite an Services in der Geschäftsfliegerei anbieten. Das kann kaum ein anderes Unternehmen. Wir helfen bei der Suche nach dem richtigen Flugzeug, statten es nach den persönlichsten Wünschen aus, fertigen Flugzeuge und Passagiere an unseren weltweiten Standorten ab. Wir können den Flieger managen, warten und auch verchartern, wir bieten Flugservices und finden für die Eigentümer das richtige Personal. Wer kann das schon alles?

Was lieben die Kunden heutzutage an ihren Jets?
Es gibt keine richtigen Trends mehr. Die Leute haben mittlerweile sehr persönliche Wünsche, die sie in ihren Flugzeugen umgesetzt sehen wollen. Ein gemeinsamer Wunsch ist sicherlich, modernste Kommunikationstechnik in den Jets zu haben. Mehr und mehr Kunden geht es allerdings um den Stil der Flugzeugeinrichtung. Das ist sehr wichtig geworden und sehr an den persönlichen Geschmack gebunden.

Haben Flugzeugkäufer mit VIP-Status besondere Vorlieben?
Nicht wirklich. Sicherheit, Ruhe, Qualität – das ist es, was sich VIP-Kunden wünschen. Obendrauf kommt dann noch der eigene Stil, den das Flugzeug präsentieren soll.

Sie sprachen den Arabischen Frühling an. Es gibt derzeit viele Konfliktherde. Sind Ihre Kunden ängstlicher geworden, was die Sicherheit angeht?
Ehrlich gesagt, schon seit 9/11 ist das Thema Sicherheit für alle Kunden immens wichtig geworden. Und sie ist ein Hauptfokus von uns.

Im Jahr 2008 kaufte der US-Konzern General Dynamics Jet Aviation. Sie führen die Firma als Amerikaner seit zwei Jahren. Wie viel Swissness ist noch im Basler Unternehmen?
Es ist weiter ein Schweizer Unternehmen. Nach der Übernahme liess General Dynamics das Unternehmen weiterhin separat arbeiten.

Also lernen Sie jetzt Deutsch?
Ja tatsächlich. Das versuche ich. Wann immer ich es schaffe, nehme ich Kurse und lerne auf meinen vielen Flügen. Es geht schon ganz gut.

Sie sind seit mittlerweile fünfzehn Jahren in der Flugbranche. Was fasziniert Sie daran?
Die Leute lieben, was sie tun. Das spürt man sofort. Mit so vielen enthusiastischen Menschen zusammenzuarbeiten, macht Spass.

Gerade in Ihrem Business ist der enge Kontakt zu den Kunden wichtig. Mit der einstigen Führungsmannschaft sind aber wichtige Manager gegangen und damit deren enge Beziehungen. Wie stark hat das Jet Aviation gebremst?
Bei jeder Veränderung muss man auch die Beziehungen justieren. Aber wir konnten auf gute Kontakte aufbauen, und ich glaube, das ist uns gut gelungen. Ich persönlich habe seit meinem Antritt viele Kunden besucht und werde das aktiv weiterführen. In unserem Geschäft geht es sehr um Vertrauen. Mein Eindruck ist, dass wir das ausstrahlen.

Ihr Geschäft ist so ganz anders als die sonstigen Ihres Mutterkonzerns. Synergien scheinen kaum möglich.
General Dynamics hat eine Vielzahl spezieller Sparten, die alle ihre eigene Dynamik besitzen. Wir haben unseren eigenen Markt, unsere eigenen Proudukte. Aber es passt dennoch zusammen in den Rest des Konzernportfolios.

Was bringt General Dynamics für Jet Aviation?
Die Finanzstärke, das Erbe eines sehr gut geführten Unternehmens, das auf Qualität achtet und seine Versprechen einhält. Wir lernen von anderen Sparten, wie wir unser Business verbessern können. In manchen Ländern teilen wir auch Geschäftskontakte oder helfen einander beim Markteintritt. Die Zusammenarbeit funktioniert schon.

Was ist mit dem Chartergeschäft los? Dieses scheint nicht mehr richtig zu funktionieren.
Es ist schon ein sehr wettbewerbsintensives Geschäft. Wir müssen immer stärker selektieren, in welchen Chartermärkten wir überhaupt noch tätig sein wollen. Wir schauen mehr auf das hochpreisige Segment.

Sie haben einige Ihrer eigenen Flugzeuge jüngst sogar verkauft. Warum?
Wir haben unsere Strategie geändert. Lange haben wir viele eigene Flugzeuge als Charterflieger angeboten. Aber das lohnt sich immer weniger. Das fahren wir jetzt zurück. Unsere jetzige und künftige Richtung ist das Verchartern der Flugzeuge unserer Kunden.

Weshalb lohnt sich das Geschäft nicht mehr so richtig?
Es gibt ein zu hohes Angebot von Flugzeugen im Chartermarkt, und der Preiskampf ist immens. Flugzeugbesitzer achten mehr auf ihre Kosten. Sie bieten ihre Flieger daher verstärkt für das Chartern an.

Was für Flugzeuge wünschen sich Ihre Kunden?
Der Trend ist immer der gleiche in unserer Branche: grösser, schneller, weiter. Immer, wenn es in dieser Beziehung vorangeht, greifen die Kunden danach. Ein Trend kommt jetzt dazu: Sparsamkeit. Die treibstoffsenkenden Winglets etwa, diese hochgestellten Ecken an den Flügelspitzen, die Swiss und andere Airlines jetzt bei ihren Flugzeugen einsetzen, sind vom Ursprung her eine Entwicklung der Businessjets. Unsere Flugzeuge müssen sehr effizient und zugleich leise sein – denn viele Flughäfen für Geschäftskunden sind ja mitten in der City.

Was wäre Ihr Traumflugzeug?
Wovon ich träume? Von mehr Absatz (lacht). Ach, die Dinge ändern sich nur langsam – und so auch die Flugzeuge. Jede Innovation, die mehr Kunden anlockt, das lieben wir natürlich.

Wenn Sie sich einen Flieger wünschen könnten, was für einen?
Ein Überschallflugzeug wie den geplanten Supersonic. Solch ein Flieger brächte Bewegung in den Markt.

Haben Sie denn eine Pilotenlizenz?
Keine Zeit. Ich muss ja die Flugzeuge nicht fliegen. Man kann auch Jahre in dieser Branche arbeiten, ohne selbst am Steuer abheben zu können. Aber ja, vielleicht in der Pension, da mache ich doch mal ein Flugbrevet.

Finanzer auf Flugkurs
Fünfzehn Jahre im Airline-Business – und doch per Zufall dort gelandet. Daniel Clare (54) führt seit zwei Jahren als Präsident den Schweizer Businessjet-Dienstleister Jet Aviation, zuvor war er elf Jahre Finanzchef beim US-Flugzeughersteller Gulfstream. Dorthin brachte ihn sein Know-how als Finanzexperte. Vor Gulfstream hatte er die Finanzen des IT-Dienstleisters Liberty Technologies geführt. Auf diesem Terrain war er auch gestartet: als Student der Buchhaltung in Pennsylvania.