Vor gut zwei Monaten gab Coop in jüngster Zeit nicht vom Erfolg verwöhnt eine bemerkenswerte neue Kooperation bekannt und setzte sich mit ambitiösem Ziel selbst unter Druck. Seit Ende Juni verkauft die Nummer zwei im Schweizer Detailhandel in Zusammenarbeit mit Weight Watchers (Schweiz) Produkte mit dem Label der weltberühmten Ernährungsspezialistin mit Hauptsitz in New York (Umsatz weltweit: 2,5 Mrd Dollar). Die Coop-Weight-Watchers-Linie umfasst bereits an die 100 fettreduzierte und kalorienarme Produkte mit den berühmten «Points». Schrittweise peilen die Partner einen Ausbau auf 300 Produkte und einen Umsatz von 200 Mio Fr. bis 2007 an und orten ein mittelfristiges Umsatzpotenzial von 300 Mio Fr.
Nummer eins beiLight-Produkten
Zwei Monate nach dem Start zeigen sich die beiden Vertragsparteien äusserst zufrieden. «Unsere Dienstleistungen haben Erfolg, und die Qualität unserer Produkte auf dem Schweizer Markt wird sehr gut wahrgenommen», sagt Daniel Hug, Licensing Manager bei Weight Watchers in Nyon. Und Philipp Wyss, Projektleiter und Leiter Category Management Frischprodukte und Restaurants bei Coop, schwärmt: «Bei einzelnen Produkten, etwa Mozzarella, haben wir bereits Umsatzzuwächse von über 30%. Bis Ende Jahr erreichen wir mit der neuen Linie einen Wochenumsatz von 3 Mio Fr.»
Philipp Wyss ergriff bei Coop die Initiative für das Projekt und suchte die Kontakte nach Nyon. «Angesichts der Tatsache, dass 37% der Schweizer Bevölkerung übergewichtig oder gar fettleibig sind und die daraus resultierenden Gesundheitskosten auf 2,7 Mrd Fr. geschätzt werden, hat Coop im letzten Jahr an ihrer Strategie festgehalten, sich des Themas à fonds anzunehmen mit dem Ziel, bei den kalorienreduzierten Lebensmitteln in der Schweiz die Nummer eins zu werden», so Wyss. Kam dazu, dass Coop in letzter Zeit mit ähnlichen Kooperationen gut gefahren ist. Mit Betty-Bossi-Artikeln etwa erreichte man im vergangenen Jahr einen Umsatz von 400 Mio Fr.
Über die Höhe der Lizenzabgaben schweigen die Partner. Fest steht, dass auch Weight Watchers besser verdient, wenn Coop mehr verkauft. Der Deal ist umso bemerkenswerter, als es weltweit die erste Kooperation von Weight Watchers mit einem Einzelhändler ist. Die Organisation zieht es sonst vor, direkt mit den Herstellern zusammenzuarbeiten, was eine Verteilung in alle nationalen Kanäle erlaubt. Der Ketchup-Multi Heinz und die Jogurt-Marke Yoplait sind zwei Beispiele von internationalen Kooperationen. «Weil die Schweiz über zwei grosse Hauptverteiler verfügt, wurde unser Basiskonzept zurückgestellt. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar», sagt Daniel Hug. Umso delikater war der Deal, der schliesslich von der obersten Chefin in New York, Linda Huett, abgesegnet wurde. Huett flog eigens zur Präsentation der neuesten Kooperation in die Schweiz.
Der strapazierte Begriff der Win-Win-Situation scheint in diesem Fall zuzutreffen. Coop holt sich mit Weight Watchers, im Gegensatz zu unseriösen Crash-Diäten, eine glaubwürdige und bewährte Marke und schafft Marketing-Synergien. Nicht zuletzt die monatlich 30000 Teilnehmerinnen (es sind fast nur Frauen) der wöchentlich 240 Weight-Watchers-Treffen sind dank der neuen Linie potenzielle Neukundinnen, die dann auch für Mehrumsatz im übrigen Segment sorgen.
Die Bekanntheit steigern
Eine interessante Plattform für Coop stellt die gut besuch-te Schweizer Website der US-Ernährungsspezialistin dar. Weight Watchers (Schweiz) profitiert im Gegenzug von einem nochmals gesteigerten Bekanntheitsgrad und erhält laut Hug «die Gelegenheit, die Position als nationaler Leader im Bereich der Ernährungsprogramme und Ernährungsumstellung weiter zu stärken». Unter der Coop-Kundschaft findet sich eine ansehnliche Zahl an potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern von WW-Treffen. Mit 250 Angestellten (davon 220 Beraterinnen) erzielt Weight Watchers hier zu Lande einen Umsatz von 11,3 Mio Fr.
Über die Sortimentsgestaltung in den gut 900 Coop-Läden sowie im Internet-Shop entscheiden die Partner gemeinsam. Neue Produkte werden in enger Zusammenarbeit entwickelt. Gemäss Wyss besteht das Angebot zurzeit zu je einem Drittel aus «umgebrandeten», komplett neuen und angepassten, fettreduzierten Produkten. Preislich liegen die Produkte im Segment der Coop-Eigenmarken und sollen Preisparität zu den Hauptkonkurrenten bieten. «Wir müssen heute für den gleichen Preis mehr bieten», kommentiert Wyss die Preispolitik, ist aber der Ansicht, dass man mit der Linie eine klare Differenzierung zu herkömmlichen Light- und Légère-Produkten ohne Servicegedanken geschaffen hat. Vorderhand tragen die neuen Produkte wegen der besseren Wiedererkennbarkeit zusätzlich das Coop-«Lifestyle»-Label. Ob das so bleibe, sei noch nicht entschieden, sagt Wyss.
Fest steht dagegen, dass sich die beiden Partner einer marketingtechnischen Herausforderung stellen müssen. Weight Watchers ist nämlich vor allem bei Frauen beliebt. In der Schweiz machen die männlichen Teilnehmer der Treffen gerade mal 1% aus. Und es ist klar, dass man unbedingt auch Männer als Kunden will. Mit MP5 hat Weight Watchers gemäss Daniel Hug bereits 2002 eigens für Männer ein Programm entwickelt, das in Form einer CD erhältlich ist. Philipp Wyss von Coop glaubt, dass man Männer nicht nur über entsprechende Sujets in der künftigen Kommunikation, sondern auch über das Angebot erreichen kann. So wird bereits ein Spaghetti-Fertigprodukt mit Label und «Points» von Weight Watchers verkauft. Ein solches Produkt wird häufiger von Männern gekauft.