Ein ganzes Jahr lang stand die Scheidungsabsicht im Raum. Als es letzte Woche zum Vollzug kam, war die Tonalität der Migros eher kühl. «Der Migros fällt der Abschied von Hotelplan nach so vielen Jahren nicht leicht. Doch wir freuen uns, dass Hotelplan so erfahrene neue Eigentümer erhält, welche die Stärken von Hotelplan Group und Interhome optimal weiterentwickeln möchten», liess der Detailhandelsriese in der Medienmitteilung verlauten, in der er die Käufer der Hotelplan-Gruppe bekannt gab: Es sind die Dertour Group und Hometogo (übernimmt Interhome). Kein Wort zur langen Geschichte des Reiseriesen im Hause Migros: Hotelplan war 1935 von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler ins Leben gerufen worden, um Reisen erschwinglich zu machen und den damals kriselnden Tourismus anzukurbeln. Das Unternehmen gehörte damit zur Ur-DNA des Detailhandelsriesen.
Doch für Pathos ist kein Platz mehr in der neuen, nüchternen Migros. Stattdessen wurde im Communiqué von einem «Zusammenschluss auf Augenhöhe» geschwärmt.
Die Gastautorin
Karin Kofler ist regelmässige Gastkolumnistin und selbstständige Publizistin.
Ist es das? Mitnichten. Die Migros verkauft Hotelplan aus einer bedrängten Lage. Alles, was nicht zum Kerngeschäft gehört oder eine verlässliche Ertragsperle ist, muss weg. Es gilt, die Existenzgrundlage – das Supermarktgeschäft – zu sichern und die Mittel dorthin zu lenken. Das kann man ihr nicht verübeln. Im Schweizer Detailhandel herrscht ein brutaler Verdrängungskampf.
Was man der Migros aber vorwerfen kann, ist, dass sie die Hotelplan-Gruppe nicht schon vor Jahren aus einer Position der Stärke radikal neu gedacht hat. Die drastischen Veränderungen im Reisegeschäft, welche die Margen unter Druck brachten, sind ja nicht erst seit gestern im Gange. Fast an jeder Jahresbilanzmedienkonferenz der Migros waren Hotelplan respektive die schwankenden Erträge oder Verluste des Reiseriesen ein Thema. Doch die Migros-Chefs wiegelten damals stets ab. Gespräche über Fusionen mit Mitbewerbern (Kuoni) scheiterten am Ego der zuständigen Manager und am fehlenden wirtschaftlichen Druck.
Nun kommt die Dertour Group schon zum zweiten Mal per Handkuss zu einem traditionsreichen Schweizer Unternehmen. 2015 ging das 1906 (!) gegründete Reiseunternehmen Kuoni in der heutigen Dertour Group auf. Auch da profitierten die Käufer von der Schwäche des Verkäufers: Nach Jahren des Missmanagements war die Kuoni-Gruppe gezwungen, das Tafelsilber zu verscherbeln. «Sind wir Schweizer nicht mehr fähig?», fragt Globetrotter-Chef André Lüthi in einem «Blick»-Interview und kritisiert den Ausverkauf in der Schweizer Tourismusindustrie. Man mag ihn als Nostalgiker oder Globalisierungsgegner belächeln. Doch in diesem Punkt hat er recht: Die Big Guys der Schweizer Reiseindustrie hätten es besser hinkriegen können.
«Wir hoffen, du bist jetzt nicht traurig», schrieb die Hotelplan Group ihrer scheidenden Muttergesellschaft nach der Bekanntgabe des Deals in einem Inserat. Klingt irgendwie nach enttäuschter Liebe.