Freitags geht es in den Schweizer Büros etwas lockerer zu und her. Die Arbeitswoche ist fast zu Ende, bald ist Wochenende. Das hebt die Stimmung, und da darf die Mittagspause etwas länger, die Kleidung leger sein – «casual». Wer kann, bleibt gleich zu Hause im Homeoffice. Und verlängert dort – von den Blicken der Chefinnen und Chefs geschützt – gemütlich das Wochenende.
Das ist natürlich ein Klischee. Doch zumindest beim Bezug der Telearbeit gibt es wohl tatsächlich einen Wochenend-Effekt: Der Freitag ist besonders beliebt für Homeoffice.
Das beobachtet etwa die Swisscom bei ihren Angestellten. Ein weiterer Hinweis: In den Zügen und Bussen der BLS waren vor Corona freitagabends – der klassischen Pendlerzeit also – weniger Leute unterwegs als an den anderen Wochentagen. Mit Ausnahme von Montag. Auch zu Wochenbeginn hatte es weniger Passagiere.
Australien zeigt den Weg
Das Muster dürfte Corona überdauern: Im lange weitgehend virusfreien Australien waren Freitage und Montage laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft E&Y weiterhin die populärsten Tage für Homeoffice.
Doch stimmt das Klischee? Leisten Angestellte zu Beginn und Ende der Woche weniger, und ziehen sie sich deshalb gerne ins Homeoffice zurück? Diesen Verdacht hat etwa Jamie Dimon geäussert, der Chef der US-Grossbank JPMorgan, und seine Banker auch deshalb zurück in die Büros beordert, bevor er kürzlich wegen der neuen Welle den Entscheid wieder rückgängig machte. Ähnliche Stimmen dürften auch auf Schweizer Chefetagen zu hören sein.
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Effizient – oder effektiv?
Das Misstrauen kommt nicht von ungefähr: Wer kennt nicht das Gefühl, freitags und montags vom Wochenende zu träumen? Studien bestärken das Bauchempfinden: Zu Beginn und am Ende der Arbeitswoche ist die Produktivität tatsächlich tiefer gemäss einer aktuellen Analyse des US-Konzerns Prodoscore, der Software anbietet, mit der sich die Mitarbeitenden überwachen lassen.
Der Arbeitspsychologe Stefan Heer hält allerdings wenig von solchen Aussagen. «Die Effizienz ist an diesen Tagen vermutlich schon tiefer. Für moderne Büroarbeit ist aber Effektivität viel wichtiger als Effizienz.»
Effektivität bedeutet Wirkung, und diese hängt grundsätzlich nicht vom Wochentag ab. Bei richtig verstandener Telearbeit sollten Mitarbeitende innerhalb der vom Betrieb gesetzten Vorgaben selbst bestimmen können, wo und wann sie arbeiten, findet Heer. «Entscheidend ist nur, dass sie ihre Ziele erreichen. Die Zeiten von Command and Control sind vorbei.»
Eine Präsenzpflicht ist nicht tabu
Ein Unternehmen dürfe den Angestellten aber durchaus vorschreiben, wann und wie häufig sie ins Büro kommen müssen. «Dabei ist es aber wichtig, sie möglichst stark in die Entscheide einzubeziehen. Die Vorgaben sollten Sinn ergeben», betont der Arbeitspsychologe.
Die meisten Schweizer Angestellten möchten auch künftig einen Teil der Arbeitswoche aus der Ferne arbeiten. Und deshalb dürften Firmen nicht darum herumkommen, gewisse Vorgaben zur Telearbeit zu machen – auch mit dem Ziel, die Räume ausgeglichen zu belegen.
Denn wenn die meisten Mitarbeitenden ihre Bürotage auf die Wochenmitte legen, wird es eng. Und die Unternehmen müssen ihre Räume auf die maximale Kapazität ausrichten. Handel, Gastronomie und ÖV-Anbieter haben ebenfalls ein Interesse daran, dass die Büros nicht nur an bestimmten Tagen gut belegt sind.
Swisscom wartet ab
Die Swisscom jedenfalls beschäftigt sich bereits mit der Frage. «Wir werden nach der Pandemie beobachten, wie sich die Bürofrequenz auf die Wochentage verteilt, und prüfen, ob hier allenfalls eine gewisse Steuerung/Planung vorgenommen werden muss», heisst es bei der Medienstelle.