Lance Armstrong hat angekündigt, nicht weiter gegen die Vorwürfe der US-Dopingagentur USADA anzukämpfen. Er habe keine Kraft mehr den Vorwürfen entgegenzutreten und wolle sich von nun an seiner Stiftung wie auch seiner Familie widmen.
Doch aus dem Schneider ist der siebenfache Tour de France-Sieger mit seiner Weigerung, sich auf das Verfahren vor einem Sport-Schiedsgericht einzulasen, noch lange nicht. Vielmehr könnten seine Sponsoren finanzielle Schadenersatzforderungen an den Amerikaner stellen.
Darüber, welche Konsequenzen ein gedopter Sportler seinen Sponsoren gegenüber zu tragen hat, gehen die Meinungen allerdings auseinander. «Auf jeden Fall darf ein Sponsor in der Regel sofort den Stecker ziehen, wenn eine positive Probe auftaucht», sagt der Zürcher Sportjurist Stephan Netzle zu «Handelszeitung Online».
Weniger wahrscheinlich seien Schadenersatzforderungen. «Ein Schaden lässt sich nur sehr schwer nachweisen. In der Zeit, in der das Logo auf dem Trikot war, hat der Sponsor ja profitiert. Für eine Schadenersatzzahlung müsste danach ein Minderwert entstehen», so Netzle. Auf jeden Fall habe er in vergleichbaren Fällen noch nie eine Schadenersatzklausel oder eine vereinbarte Konventionalstrafe gesehen.
Finanzieller Schaden überschaubar
Anderer Meinung ist Hans-Willy Brockes, Geschäftsführer der Europäischen Sponsoring-Börse: «In den Sponsoring-Verträgen werden heutzutage fast immer Schadenersatz-Klauseln eingebaut, wenn der Sportler gedopt war. Das heisst; unter Umständen muss der Sportler Sponsoring-Summen zurückzahlen und einen Schaden ersetzen.»
Einig sind sich die beiden Experten jedoch in einer Sache: Lance Armstrong droht kaum ein ernsthafter finanzieller Schaden. «Sollten ihm seine Toursiege aberkannt werden, muss er natürlich die Siegesprämien zurückbezahlen», erklärt Anwalt Netzle. Das Verhältnis zwischen Prämien und Sponsoringgeldern schätzt der Experte dabei auf ungefähr 1:10.
Dem frustrierten Ton in seiner Mitteilung von gestern zum Trotz, wird sich der amerikanische Radstar indes abgesichert haben. Vermutlich sei Armstrong juristisch gut beraten, mutmasst Netzle. Damit dürften ihm bei seinem jetzigen Vorgehen kaum grosse Rückzahlungen an seine Sponsoren drohen.
Anrufung von US-Gerichten
Auch Armstrongs Livestrong-Stiftung wird kaum gefährdet sein. Dazu Sponsoring-Experte Brockes: «Da es ja wahrscheinlich nie zu einer Verurteilung von Amstrong mit klarem Doping-Nachweis kommen wird, gehe ich davon aus, dass die Amstrong-Anhänger und Stiftungs-Unterstützer ihm treu bleiben.»
Selbst wenn er von einem Sport-Schiedsgericht zu einer Busse verurteilt werden sollte, steht damit noch nichts fest. «Um die Zahlung durchzusetzen, müssten wieder US-Gerichte angerufen werden. Dort kann Armstrong erneut die Einrede der Verjährung bringen», erklärt Jurist Stephan Netzle.
Es bleibt der Reputationsschaden für Sportler und Sponsoren. Armstrong führt auf seiner Website unter anderem Nike und Brillenhersteller Oakley auf. Doch ob diesen überhaupt ein Schaden entsteht, ist fraglich. Laut Brockes ist durch Marktforschung bislang nicht nachweisbar, dass Doping rufschädigend ist. «Es ist ja zu beachten, dass dadurch die Wahrnehmung für einen Sportler steigt und der Sponsor damit eine höhere Beachtung findet.»
Doping als Imagefrage
Die Unternehmen pflegen unterschiedliche Einstellungen dazu. Alle können ihren Athleten stark vorschreiben, wie sich diese zu verhalten haben. So wird es Armstrong beispielsweise verboten sein, schlecht über seinen Fahrrad-Sponsor Trek zu sprechen. Ein Dopingskandal ist aber nie ausgeschlossen. Netzle nennt dabei die Deutsche Telekom als Beispiel - diese hat sich nach dem Doping-Skandal um den deutschen Radprofi Jan Ullrich längst aus dem Radsport-Sponsoring zurückgezogen.
Ein anderes Beispiel ist die Vaudoise Versicherung: Sie fungiert aber ab nächster Saison als Hauptsponsor der Tour de Suisse. Immerhin profitiere sie laut Expertenmeinung davon, dass die Sponsoringpreise im Zuge der Dopingaffären stark unter Druck gekommen seien.