Die Uni Zürich ist gemäss «Handelsblatt»-Ranking die mit Abstand forschungsstärkste VWL-Hochschule im deutschsprachigen Raum. Ernten Sie nun den Erfolg für Ihre Arbeit in den letzten Jahren?
Rainer Winkelmann*: Das würde ich so sehen. Seit 2010 haben wir unser Lehrstuhl- auf ein Professursystem nach amerikanischer Art umgestellt. Nun brauchen sich Professoren nicht mehr um Verwaltung kümmern, sondern können forschen. Mit der Umstellung wurden auch die neu geschaffenen Assistenzprofessuren deutlich aufgewertet. Die Berufung erfolgt allein nach der Qualität der Bewerber. Inzwischen erhalten wir für die jährlich rund 15 Stellen unseres Doktorandenprogramms hunderte Bewerbungen aus der ganzen Welt. Auch amerikanische Forscher wollen heute lieber nach Zürich kommen. Diese Entwicklung ist natürlich auch den Drittmitteln, etwa von der UBS, zu verdanken.
Die Bank sponserte 2012 Professuren im Wert von 100 Millionen Franken. Die Kritik war gross, die Unabhängigkeit der Forschung wurde angezweifelt. Welchen Anteil an Ihrem Erfolg hat die UBS?
Die Schenkung hat es uns ermöglicht zu wachsen und sowohl in der Breite als auch qualitativ besser zu werden. Wir sprechen da von fünf vollen Professuren und zwei Assistenzprofessuren. Gleichzeitig ist wichtig zu betonen, dass wir regelmässig auch kompetitive Forschungsgelder für uns gewinnen können. Erst vor wenigen Tagen hat der Europäische Forschungsrat Dina Pomeranz und Florian Scheuer mit je 1,5 Millionen Euro Fördergeldern bedacht. Damit können sie in den nächsten fünf Jahren ihre eigene Forschungsgruppe aufbauen.
In welchen Bereichen sind Sie in den vergangenen Jahren gewachsen?
Wir sind in der Makroökonomie heute viel besser aufgestellt als vor der Finanzkrise. Das ist sehr wichtig. Denn viele grosse Probleme, mit denen sich Gesellschaften heute konfrontiert sehen, sind globaler Natur. Etwa, was die Interaktion von Finanzmärkten und der Realwirtschaft betrifft oder beim Thema Steuern.
Freihandel ist ein weiteres globales Thema angesichts der Abschottungstendenzen mancher Regierungen. Hier haben Sie sich auch Kompetenz eingekauft.
Seit Jahresbeginn ist Ralph Ossa in Zürich, der zuvor in Chicago geforscht hat. Er ist Experte im Bereich des internationalen Handels. Ein hochaktuelles Problem angesichts der Trump-Administration, die Handelshemmnisse aufbauen möchte.
«Wir werden immer internationaler»
Was sind Ihre weiteren Pläne?
Wir werden weiter wachsen: Momentan können wir bis zu fünf weitere Professuren besetzen. Damit haben wir aber keine Eile, unsere Qualitätsansprüche sind hoch. Wir wollen im Feld der politischen beziehungsweise Makroökonomie weiter wachsen. Zudem ist noch die letzte der fünf UBS-Professuren unbesetzt – da liegt der Fokus auf Verhaltensökonomie in der Finanzwirtschaft.
Der deutschsprachige Raum scheint für Sie mittlerweile ja ohnehin nicht mehr der Massstab. In einer Mitteilung vor einem Jahr wähnten Sie sich bereits auf Augenhöhe mit Harvard, Stanford oder Chicago. Überflügeln Sie diese Elite-Hochschulen jetzt?
Das ist wohl zu hoch gegriffen, aber man kann immer nach oben schauen. Wir orientieren uns an den besten europäischen Hochschulen, etwa die London School of Economics, die Stockholm School of Economics, die Universitat Pompeu Fabra in Barcelona oder die Uni Toulouse. Wahr ist in dem Zusammenhang, dass wir immer internationaler werden: Die deutsche Sprache etwa spielt kaum noch eine Rolle, das Masterprogramm ist vollständig auf Englisch. Wir haben Professoren aus drei Kontinenten und zehn verschiedenen Ländern.
Es gibt für junge Forscher also keinen Grund mehr, ins Ausland zu gehen?
Wir wollen uns immer vernetzen und Forschungskooperationen mit dem Ausland sind wichtig. Aber es ist schon richtig: Bei uns können sich Ökonomen gut ausbilden zu lassen und im Vergleich zu den amerikanischen Wettbewerbern holen wir auf.
«Wir wollen attraktiver werden für Frauen»
Im VWL-Ranking sind gleich vier Schweizer Hochschulen in den Top Ten vertreten: Was läuft hierzulande besser als in Deutschland und Österreich?
Eine naheliegende Vermutung ist natürlich, dass die finanzielle Situation hier besser ist. Ökonomen kennen die «Outside Option» nur zu gut, deshalb müssen wettbewerbsmässige Saläre gezahlt werden. Hinzu kommt aber, dass die Schweizer Unis relativ autonom und dynamisch sind. Wir sind sehr forschungsgetrieben und es gibt keine Beamtenmentalität – ein schönes Umfeld für Wissenschaftler.
Unter den forschungsstärksten Ökonomen gibt es kaum Frauen. Gerade tobt in den USA eine Debatte um Sexismus in der Ökonomik: Warum sind Frauen so unterrepräsentiert?
Das fängt bereits zu Studienbeginn an, dass weibliche Studierende unterrepräsentiert sind. Offenbar ist die Volkswirtschaftslehre nicht so anziehend für Frauen, und auf jeder Stufe verlieren wir ein paar. Aber wir wollen attraktiver werden für Frauen. Das Problem ist erkannt und wird diskutiert. Immerhin ist unser Frauenanteil im Doktorat nahe der Parität.
Was machen Sie heute konkret anders als noch vor wenigen Jahren, um mehr Frauen anzuziehen?
Wir haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Strategien entwickelt. Es ist noch zu früh, um Details zu nennen. Was wir aber jetzt schon konkret tun: Wir laden verstärkt Frauen im Rahmen von Besucherprogrammen zu uns als Gäste ein. Nächste Woche ist die Entwicklungsökonomin Esther Duflo in Zürich. Zuletzt haben wir im Rahmen unseres Bewerberprogramms aber auch Absagen von weiblichen Wissenschaftlerinnen bekommen, weil die Bedingungen für sie in den USA besser waren.
* Rainer Winkelmann ist Professor für Statistik und Empirische Wirtschaftsforschung an der Uni Zürich und Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre. Zudem amtet er als Vorsitzender des Beirats der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich.