Wie warm ist es in einem Eisenbahntunnel? Diese Frage stellen wir uns auf dem Weg nach Preda GR, wo Christian Florin und Roger Küng auf uns warten, um uns den neuen Albulatunnel zu zeigen. Florin ist Leiter Infrastruktur und stellvertretender Direktor der Rhätischen Bahn, kurz RhB. «Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl, dass wir nach zehn Jahren Bauzeit den Tunnel in Betrieb nehmen können», sagt er strahlend, als er uns Richtung «schwarzes Loch» führt. Während des Baus habe es aber ein paar schwierige Momente gegeben. «Zum Beispiel, als wir auf eine Störzone im Berg stiessen.» Als dann der Durchbruch kam, habe er aber gewusst, dass alles gut komme. Ausserdem sei die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten hervorragend verlaufen.
Küng seinerseits ist Bereichsleiter Energie und Bahntechnik sowie Geschäftsleitungsmitglied bei der Curea Elektro AG. «Wir sorgen dafür, dass die Züge im Albulatunnel Strom haben und die Reisenden telefonieren und surfen können», erklärt er. Die Cureaner, wie er sie nennt, gehören zur Arnold AG und damit zur BKW. «Wir sind seit 2023 in das Projekt involviert, gemeinsam mit der Baumeler Leitungsbau AG und der Elbatech AG, die ebenfalls Konzerngesellschaften der BKW sind.»
Während unsereins die für Besuchende obligatorischen gelben Leuchtwesten und Helme montiert, deutet Christian Florin auf den Bahnhof Preda. «Nicht nur der Tunnel ist neu, auch am Bahnhof hat sich einiges getan. So gibt es nun ein Mittelperron, eine Unterführung und eine Überdachung.» Weil die Albulalinie zum Unesco-Welterbe gehört, mussten auch historische Gebäude verrückt werden. «Der Trafoturm steht jetzt beispielsweise 6 Meter näher am Hang.»
Herausforderungen im Winter
Roger Küng seinerseits zeigt auf einen grossen Strommast. «Hier ist der Übergang ins Stromnetz. Wir haben die ganze Anbindung auf dieser Seite und auch auf der anderen Seite des Tunnels bei Spinas im Val Bever realisiert. Plus natürlich die Verkabelung des Tunnels selbst.» Das habe durchaus Herausforderungen beinhaltet. «Wir mussten sicherstellen, dass sich die neuen Leitungen problemlos mit der bereits bestehenden Infrastruktur verbinden lassen.»
Kein Kinderspiel: «Wir starteten mit der ersten Etappe im Januar 2023 und hatten nur eineinhalb Monate Zeit.» Weil im Winter die Strasse zwischen Preda und Bergün als Schlittelpiste dient, mussten Mitarbeitende und Material mit der Bahn nach Preda gebracht werden. «Ausserdem wussten wir nie, ob alles zugeschneit ist und wir zuerst den Weg zum Tunnel freischaufeln müssen. Zum Glück für uns fiel nur wenig Schnee.»
Die BKW plant, baut und unterhält für ihre Kundinnen und Kunden Netze in den Bereichen Energie, Telekommunikation, Verkehr und Wasser. Sie liefert ihre Dienste aus einer Hand und nimmt jede Herausforderung an, um Lebensräume lebenswert zu machen.
Besonderer Behandlung bedurften die Kabelspulen: Sie mussten in einem beheizten Zelt gelagert werden, da die Temperaturen in manchen Nächten bis auf –20 °C sanken. «Die Kabel dürfen nicht zu kalt verlegt werden, weil sie sonst zu steif und damit auch empfindlich sind. Unser Anspruch waren mindestens +5 °C, um die Qualität zu gewährleisten.»
Bei der ersten Etappe wurden 80 Kilometer Kabel verlegt, im Herbst 2023 kamen bei der zweiten Bauetappe nochmals 10 Kilometer dazu. Heisst: Insgesamt gehen 90 Kilometer Kabel durch den Berg.
500 Meter bis zur ersten Querverbindung
Nach diesem Exkurs in die Vergangenheit machen wir uns unter der Führung von Roger Küng auf in den Albulatunnel II, wie er offiziell genannt wird. Wir laufen auf der rechten Seite auf dem sogenannten Bankett den Gleisen entlang. Das «Tunneltrottoir» ist aus Beton und hat an gewissen Stellen Zugangsschächte. Denn es dient gleichzeitig auch als Kabelkanal. Auch auf der linken Seite gibt es ein Bankett. Küng weist auf einen Handlauf an der Wand. «Er ist beleuchtet, damit man bei einer allfälligen Evakuierung den Weg gut sieht.»
Nach etwa 100 Metern kommen wir an einer Lok mit angehängten Panorama-Wagen vorbei. In diesem Zug durften Mitarbeitenden der RhB bereits durch den neuen Tunnel fahren – als Erste überhaupt. «Sie waren euphorisch und haben vor Freude applaudiert», hatte Christian Florin uns bereits im Vorfeld erzählt.
Knapp 400 Meter weiter sind wir am Ziel: Wir stehen vor einer geräumigen Nische mit einer schweren Metalltüre, die Roger Küng aufschliesst. «Das ist die erste Querverbindung zum alten Tunnel. Insgesamt gibt es zwölf davon.» Hinter der Tür liegt ein geräumiger Raum, in dem sich unter anderem das S.O.S.-Telefon befindet. An ihn grenzt ein weiterer Raum, der dem zuständigen Personal Zugriff auf die technische Einrichtung erlaubt. Während der Fachmann uns die Schaltkästen zeigt und Kabelschächte öffnet, donnert im alten Tunnel gerade ein Zug vorbei. Der Luftdruck rüttelt an der Türe, die auf dessen Seite hinausführt. «In der dritten und letzten Etappe werden wir den alten Tunnel nun zu einem Sicherheitsstollen umrüsten», erklärt Küng.
Als wir wieder in den neuen Albulatunnel treten, deutet er an die Decke. Neben der Fahrleitung verlaufen dort zwei dicke schwarze Kabel. «Das sind die Strahlungsleitungen für die Telekommunikation.» Christian Florin hatte uns schon begeistert von ihren Vorteilen erzählt. «Man kann dank ihnen sogar ruckelfrei 4K-Videos schauen. Unser Empfang ist besser als im Gotthard-Basistunnel!»
Beeindruckt vom Gesehenen, machen wir uns auf den Rückweg. Mit klammen Händen und eiskalten Ohren übrigens. Denn im 5,8 Kilometer langen Tunnel ist es eiskalt. «Es kann ziehen», hatte uns Christian Florin schmunzelnd vorgewarnt. Wir merken es uns, falls wir wieder einmal auf knapp 1800 m ü. M. in einen Eisenbahntunnel steigen.
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