HZ Insurance Reihe «Captives»: Teil 5

Die Jahre nach der Finanzkrise im Jahre 2008, in deren Folge die Nationalbanken die Märkte mit ausreichend Kapital versorgt haben und dadurch das Kapital auch für Versicherungsunternehmen reichlich und günstig verfügbar war, waren durch einen «Soft Market» geprägt. In solchen Situationen buhlen Versicherer häufig um die im Markt platzierten Industrierisiken und sind bereit, den Unternehmenskunden ihre Kapazitäten in den verschiedenen Versicherungssparten zu sehr attraktiven Konditionen anzubieten. 

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Seit einigen Monaten ist nun aber ein sich verhärtender Versicherungsmarkt zu beobachten. Dies führt dazu, dass sich viele Unternehmen zunehmend mit schwierigen Vertragserneuerungen konfrontiert sehen und teilweise massive Prämienerhöhungen und verschlechterte Deckungsbedingungen in Form von höheren Selbstbehalten, tieferen Limiten oder gar Deckungsausschlüssen in Kauf nehmen müssen. Verschärfend kommt hinzu, dass sich die gegenwärtige Coronavirus-Krise mehr und mehr zu einem der teuersten je dagewesenen Versicherungsereignisse entwickelt. [1] Es braucht keinen Propheten, um vorherzusehen, dass die momentane Situation mit grosser Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verhärtung der Versicherungsbedingungen Vorschub leisten wird.

Dominik Ebneter ist Managing Director Risk Consulting & Captive Management und Lukas Niedermann ist Head Risk Finance bei Aon Schweiz AG.

In einer solchen «Hard Market»-Phase sollten sich die Versicherungsverantwortlichen in den Unternehmen vermehrt Gedanken über eine Optimierung der Risikofinanzierungsstruktur ihres Unternehmens in den verschiedenen Versicherungssparten machen. Im Vordergrund steht die Überlegung, ob durch eine erhöhte Eigentragung eine Reduktion der gesamthaften Risikokosten erreicht werden kann. Hierzu empfiehlt sich in der Regel ein zweistufiges Vorgehen [2]:

  1. Evaluation der für das Unternehmen optimalen Höhe der Eigentragung unter Berücksichtigung der individuellen Risikotragfähigkeit
  2. Wahl und Implementierung des für die Umsetzung der festgelegten optimalen Risikofinanzierungsstruktur geeignetsten Selbstfinanzierungsinstruments

Festlegung des Umfangs der optimalen Risikoeigentragung

Bei der Bestimmung der optimalen Risikofinanzierungsstruktur eines Unternehmens geht es im Grunde darum, die kosteneffizienteste Kombination zwischen Risikotransfer (durch den Versicherer übernommene Schäden) und Selbstfinanzierung (durch das Unternehmen getragener Teil der Schäden) zu finden. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand der untenstehenden Grafik darstellen. 

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Grafik 1

Quelle: ZVG

Es ist allgemein bekannt, dass die vom Versicherer berechnete Prämie sinkt, je höher der Selbstbehalt gewählt wird. Da sich die Prämie des Versicherers aus dem Erwartungswert der im Durchschnitt zu bezahlenden Schäden, der Kosten für die Kapitalunterlegung sowie seinen Administrationskosten zusammensetzt, ist die Beziehung zwischen Höhe der Eigentragung und der erhaltenen Prämienreduktion nicht linear. Dies darum, weil der Erwartungswert der Schäden im Bereich der häufig anfallenden Kleinschäden höher ist und mit steigenden Schadenhöhen im Verhältnis abnimmt.

Das Ausmass der Prämienreduktion, welches der Versicherungsnehmer für seine Risikoübernahme erhält, ist darum mit zunehmender Höhe der gewählten Eigentragung abnehmend. Gleichzeitig steigt die Schwankungsbreite (Volatilität) innerhalb der übernommenen Eigentragung durch die zunehmende Exponierung in der Finanzierung von teureren Schäden. Schäden, für welche das Unternehmen Eigenkapital bereithalten muss, um die Bezahlung von Schäden auch in einem extrem schadenträchtigen Jahr, welches vielleicht nur alle 50 oder 100 Jahre vorkommt, sicherzustellen. Mit zunehmender Eigentragung steigt darum der Eigenkapitalbedarf zur Finanzierung der Volatilität und damit steigen die Kapitalkosten des Unternehmens überproportional an.

Zur Bestimmung der Kosten der Eigentragung wird typischerweise auf versicherungsmathematische Methoden und stochastische Simulationsmodelle zurückgegriffen, welche sich an der historischen Schadenerfahrung beziehungsweise an Benchmarks orientieren. Die Modelle werden so parametrisiert, dass sie das aktuelle Risikoprofil der Unternehmung möglichst akkurat wiedergeben – sowohl für durchschnittliche Erwartungswerte wie auch die Volatilität im Bereich der Grossschäden.

Gleichzeitig sind die das Unternehmen in der Platzierung der Versicherungsprogramme unterstützenden Broker gefordert, von den Versicherern Prämienangebote für mögliche alternative Eigentragungsvarianten einzuverlangen. Dies ermöglicht den Kostenvergleich zwischen Eigentragung und Risikotransfer für verschiedene Programmstrukturen.

Grafik 1 zeigt, dass durch die optimale Kombination von Eigentragung und Risikotransfer die gesamthaften Risikokosten reduziert werden können. Sie zeigt auch, dass je nach Situation an den Versicherungsmärkten dieses Optimum unterschiedlich ausfällt. In einem Hard Market, in welchem das generelle Preisniveau für die Versicherungsdeckungen hoch ist, verschiebt sich das Optimum in der Regel nach rechts und es empfiehlt sich, die Eigentragung zu erhöhen.

Natürlich muss die Optimierung innerhalb der unternehmensspezifischen Risikotragfähigkeit und des Risikoappetits erfolgen. Es empfiehlt sich, diese vorab gestützt auf die Bilanzstärke, die Finanzziele, im Unternehmen verwendete Risikomassstäbe (zum Beispiel im Treasury verwendete Konfidenzlevels für Marktrisiken) sowie auf Basis von Szenarioanalysen mit Geschäftsleitung und Verwaltungsrat abzustimmen und zu definieren. Durch ein solches Vorgehen, kann ein Unternehmen je nach Marktsituation die Risikokosten optimieren.

Wahl und Implementierung des geeigneten Selbstfinanzierungsinstruments

Nachdem ein Unternehmen den Entscheid über die Höhe der optimalen Eigentragung getroffen hat, gilt es die Frage zu beantworten, wie die Eigentragung unter Berücksichtigung der bestehenden Unternehmensstruktur mit Tochtergesellschaften im In- und Ausland, deren Bilanzen eine unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit aufweisen, innerhalb der verschiedenen Versicherungsprogramme umgesetzt werden kann. Grundsätzlich stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

  1. Konventioneller Selbstbehalt in der Höhe der definierten Eigentragung unternehmensweit für alle Tochtergesellschaften
  2. Beibehaltung der für alle Tochtergesellschaften tragbaren lokalen Selbstbehalte und zentrale Handhabung der erhöhten Eigentragung mithilfe einer zum eigenen Unternehmen gehörenden Rückversicherungsgesellschaft (Captive oder Protected Cell Company)

Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten werden im Folgenden näher beleuchtet.

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Grafik 2

Quelle: ZVG

Konventioneller Selbstbehalt

Solange die Höhe der Eigentragung sich auf einem tiefen und für die meisten Tochtergesellschaften tragbaren Niveau befindet, kann die Eigentragungsstrategie mittels eines konventionellen, im Versicherungsprogramm festgelegten Selbstbehalts am einfachsten und kostengünstigsten umgesetzt werden. Schäden bis zur Höhe der Selbstbehaltslimite sind nicht versichert und müssen durch die vom Schadenereignis betroffene Tochtergesellschaft übernommen werden. Sobald die optimale Eigentragung aber einen höheren Wert annimmt, müssen folgenden Nachteile berücksichtigt werden:

  • Ein oder mehrere Grossschadenereignisse in der Höhe des definierten Selbstbehalts können viel Volatilität in die Bilanz und Erfolgsrechnung eines Unternehmens bringen und die finanzielle Leistungsfähigkeit (Liquidität) einer einzelnen Tochtergesellschaft übersteigen
  • Der Bilanzschutz und die gewünschte Planbarkeit des Unternehmensergebnisses gehen verloren
  • Rückstellungen können erst nach Eintritt eines Schadenereignisses gebildet werden, die Glättung durch die regelmässige Bezahlung einer Versicherungsprämie besteht nicht
  • Die Schadenerledigung für Schäden, welche die Selbstbehaltsgrenze nicht übersteigen, muss durch das Unternehmen selbst oder durch einen beauftragten Dritten erfolgen
  • Aus Gesamtunternehmenssicht geht die Kontrolle über das effektive Schadengeschehen verloren
  • Die finanzielle Unterstützung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft im Falle eines ausserordentlichen Schadenereignisses wird in vielen Ländern als Transferzahlung (verdeckte Schadenzahlung) und Umgehung der lokalen Versicherungssteuer betrachtet. Häufig wird auf einer solchen Zahlung Versicherungssteuer sowie von Strafsteuern fällig
  • Das Unternehmen ist angehalten, ausreichend risikotragendes Kapital vorzuhalten, um ein Katastrophenszenario innerhalb des gewählten Selbstbehalts finanziell überstehen zu können

Captive oder Protected Cell Company

Um die Nachteile einer konventionellen Selbstbehaltslösung zu umgehen, empfiehlt sich die Umsetzung einer erweiterten Selbstfinanzierungsstrategie mittels einer unternehmenseigenen Rückversicherungsgesellschaft. Dies ermöglicht dem Unternehmen, seine internationalen Versicherungsprogramme, bestehend aus Master Police, FoS Police und den notwendigen Lokalpolicen, mit einem für die lokalen Ländergesellschaften finanziell tragbaren und operationell sinnvollen Selbstbehalt auszustatten. Der führende Versicherer poolt die Prämien und die gesamten Risiken auf Ebene der Master Police und kann auf dem Rückversicherungsweg diese anteilig bis zur Höhe der definierten Eigentragung an den unternehmenseignen Risikoträger weitergeben. Prämie und Schäden werden durch den Erstversicherer mittels eines fakultativen Rückversicherungsvertrages entweder an eine Captive oder an eine Zelle innerhalb einer Protected Cell Company (PCC) zediert.

Bei einer Captive handelt es sich um ein durch den zuständigen Regulator überwachtes und lizenziertes Rückversicherungsunternehmen, welches dem Unternehmen gehört und an dessen Risiken es sich beteiligt. Eine Captive eignet sich als strategisches und langfristiges Risikofinanzierungsinstrument, da es betreffend Gründung, Management und Kapitalbedarf eine erhöhte Komplexität mit sich bringt. Dies schlägt sich entsprechend auch in den Kosten nieder. Demgegenüber ist eine PCC eine bereits bestehende, unter einer speziell dafür vorgesehenen Gesetzgebung stehende Versicherungsgesellschaft, welche aus einem Kern und mehreren, voneinander rechtlich abgegrenzten Zellen besteht. Ein Unternehmen hat die Möglichkeit, eine Zelle innerhalb der PCC aufzusetzen und für die Umsetzung der Risikofinanzierungstrategie zu nutzen, indem die Zelle die Risiken im definierten Eigenbehalt zeichnet und das Unternehmen am Underwriting-Ergebnis partizipieren kann. Die Management- und regulatorischen Reportingaufgaben werden durch den Kern übernommen und die dafür anfallenden Kosten werden unter den Nutzern der verschiedenen Zellen aufgeteilt. Die Gründung und Schliessung einer eigenen Rückversicherungsgesellschaft entfällt. Dadurch kann eine Zelle in relativ kurzer Zeit aufgesetzt und wieder geschlossen werden. Auch der Kapitalbedarf ist bei einer PCC in aller Regel geringer als bei einer Captive.

Ob eine Captive oder eine PCC das geeignete Instrument ist, hängt stark von der Strategie und den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens ab. Massgebend sind dabei die Höhe der Eigentragung und die Anzahl der Versicherungssparten, welche schliesslich die Höhe der zedierten Prämie und die Höhe des möglichen Underwriting-Profits bestimmen. Es geht um die Beantwortung der Frage, ob sich die Kosten des gewählten Selbstfinanzierungsinstruments durch den erzielbaren Underwriting-Gewinn rechtfertigen lassen. Wenn man als Beispiel von einem durchschnittlichen Underwriting-Profit von 10 Prozent der zedierten Prämie ausgeht, reicht für eine PCC ein zediertes Prämienvolumen von circa 750’000 Franken, um die Kosten zu decken, während dafür bei einer Captive circa 2 Millionen Franken notwendig sind. Ist der erwartete Underwriting-Profit höher als die angenommenen 10 Prozent, reduziert sich die Eintrittsschwelle entsprechend. Das angeführte Zahlenbeispiel wie auch der in Tabelle 1 gemachte Vergleich zwischen Captive und PCC zeigen auf, dass eine PCC für die Umsetzung einer optimalen Eintragungsstrategie grösserer mittelständischer Unternehmen durchaus infrage kommen kann.

 

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Tabelle 1

Quelle: ZVG