Seit Monaten geht die Angst vor einer Rezession in Deutschland um: Die Industrie leidet unter dem Handelsstreit und der Abkühlung der Weltwirtschaft. Die schwächere Nachfrage aus dem Ausland verspürt vor allem Deutschlands Exportsektor Nummer eins, die Autoindustrie.
Jüngst hellen kleine Lichtblicke die Stimmung allerdings wieder etwas auf. Laut einer Umfrage von «Bloomberg» unter Ökonomen könnte Deutschland einer Rezession sogar entkommen. Für das laufende Quartal rechnen sie damit, dass die Wirtschaft stagniert, doch danach könnte es wieder leicht bergauf gehen mit dem Wachstum. Für das Gesamtjahr prognostizieren die befragten Experten ein BIP-Plus von 0,6 Prozent, im kommenden Jahr von 0,9 Prozent. Also kein Minus.
Auch die Exporte stiegen im Juli gegenüber dem Vormonat überraschend um 0,7 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr ist das sogar ein Plus von soliden 3,8 Prozent. Experten hatten einen Rückgang erwartet.
Viel Grund zum Aufatmen hat Deutschland dennoch noch nicht, vor allem solange nicht klar ist, ob die USA den Handelsstreit auf die EU ausweiten und Zölle auf europäische Importe erheben. US-Präsident Donald Trump hatte die Entscheidung über Strafzölle in Höhe von 25 Prozent für Autos und Autoteile aus Europa bis Ende September aufgeschoben.
Dabei würden solche Zölle die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen – vor allem die grossen Autobauer Daimler, BMW und Volkswagen. Die USA sind der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Autos, gefolgt von Grossbritannien und China.
Zusatzrisiko Hard Brexit
Wegen der globalen Handelsspannungen verzeichneten die Industriefirmen in Deutschland zuletzt einen deutlichen Auftragsrückgang: Die Bestellungen aus dem Ausland sank im Juli um 6,7 Prozent – aus der Eurozone hingegen stiegen die Aufträge leicht um 0,3 Prozent.
Ein weiteres Risiko: Sollte Grossbritannien Ende Oktober die EU ohne Vertrag verlassen, könnte das Wachstum in Deutschland in diesem Jahr komplett ausgebremst werden, warnte jüngst der Bund der Deutschen Industrie (BDI).
In der deutschen Wirtschaft herrscht allgemein eine schlechte Stimmung – wie der jüngste Geschäftsklimaindex zeigt, den das Münchner Ifo-Institut monatlich auf Basis einer Umfrage unter 9000 Managern erstellt. «Die Anzeichen für eine Rezession in Deutschland mehren sich», sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Bereits vor einigen Monaten sprach er im Interview mit der «Handelszeitung» von härteren Zeiten.
Und mittlerweile ist die Konjunkturflaute auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen angekommen – einer wichtigen Stütze der deutschen Wirtschaft. Das KMU-Geschäftsklima fiel im August um 4,2 auf minus 1,5 Punkte. Sie war damit erstmals seit Anfang 2015 negativ, teilte die staatliche Förderbank KfW mit.
Ob sich nun die jüngsten Exportzahlen weiter positiv entwickeln und Deutschland von einer Rezession abhalten, bleibt abzuwarten. Die politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten sind weiterhin gross und die exportabhängige deutsche Wirtschaft anfällig.