Gross war die Euphorie im Ausland, als Peking im Winter die Covid-Massnahmen fallen liess. Ohne die konsum- und wachstumshemmenden Einschränkungen würde China nach langer Durstrecke einen Wiederöffnungsboom erleben, ähnlich wie die USA und Europa ab Mitte 2020. Und wenn es Chinas Wirtschaft gut geht, dann profitiert davon auch der Rest der Welt, vor allem die Zulieferer in Europa, so die Hoffnung.
Tatsächlich hat sich Chinas Wirtschaft im ersten Quartal ansehnlich erholt. Um 4,5 Prozent legte das Bruttoinlandprodukt (BIP) im Vergleich zum Vorjahresquartal zu, nachdem Chinas BIP 2022 nur 3 Prozent gewachsen und das Ziel der Regierung von rund 5,5 Prozent klar verfehlt worden war.
Nach Initialzündung flacht die Dynamik ab
Im Frühjahr aber gingen die Chinesinnen und Chinesen dank der neuen Freiheit auf Shoppingtour und holten nach, was sie verpasst hatten. Im März erreichte das Umsatzwachstum im Detailhandel mit 10,6 Prozent gegenüber Vorjahresmonat das höchste Niveau seit Sommer 2021. Auch die Industrieproduktion nahm fast 4 Prozent zu.
Aber nun scheint der Nachholeffekt bereits verpufft. Seit Wochen fallen die Wirtschaftszahlen enttäuschend aus. Im April brachen die Importe, die ein Indikator für die Konsumnachfrage sind, rund 8 Prozent gegenüber Vorjahresmonat ein. Das Kreditwachstum war nur halb so hoch wie erwartet und die Jugendarbeitslosigkeit ist auf 20 Prozent gestiegen.
Schrumpfende Industrieproduktion
Zuletzt zeigten auch die Konjunkturfrühindaktoren nach unten. Der auf Unternehmensumfragen basierende Einaufsmanagerindex (PMI) ist für den Dienstleistungsektor und den Bau ist im Mai von 56,4 auf 54,5 Punkte gefallen. Dies spiegle zwar eine anhaltende Erholung bei Verbrauch und Dienstleistungen, doch habe sich das Tempo nach einem starken ersten Quartal wahrscheinlich verlangsamt, schreibt der China-Ökonom Tommy Wu von der Commerzbank.
Der Einkaufsmanagerindex (PMI) im herstellenden Gewerbe ging schon den zweiten Monat in Folge zurück und fiel von 49,2 auf 48,8 Punkte, wie das chinesische Statistikamt am Mittwoch in Peking mitteilte. Ein Wert unterhalb der 50-Punkte-Grenze deutet auf eine Kontraktion hin.
Beide Frühindikatoren lagen unter den Vorhersagen von Experten. Besonders besorgniserregend ist, dass die Antworten der Manager zu den Beschäftigungsabsichten auf einen anhaltend schwachen Arbeitsmarkt hindeuten.
Spannungen mit USA belasten
Dass Chinas Erholung auf wackligen Beinen steht, zeigen auch die Investitionsdaten: Die Anlageinvestitionen der Privatwirtschaft sind zwischen Januar und März nur gerade 0,6 Prozent gestiegen, was auf geringes Vertrauen in den Aufschwung hindeutet. Zugenommen haben nur die staatlichen Investitionen und zwar um rund 10 Prozent.
Die Gründe für die Abkühlung der zweitgrössten Volkswirtschaft im zweiten Quartal sind vielfältig: Das Exportwachstum hat sich verschlechtert. Die Erholung des angeschlagenen Immobilienmarktes fällt ebenfalls schwächer aus. Unternehmen leiden unter sinkenden Gewinnen und wachsenden politischen Spannungen mit den USA und deren Verbündeten.
Nach dem Ende der strikten Corona-Politik strebt die chinesische Regierung in diesem Jahr einen wirtschaftlichen Aufschwung an. Für das Gesamtjahr hat die Führung ein Wachstumsziel von «rund fünf Prozent» ausgegeben. Das dürfte angesichts der jüngsten Entwicklung nur schwer zu erreichen sein. Einige Kommentatoren beschreiben Chinas wirtschaftliche Entwicklung sogar als deflationär. Das heisst, sie ist nach wie vor geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, Überkapazitäten und eher sinkenden Preisen.
Lockere Geld- und Fiskalpolitik zu erwarten
Während der Rest der Welt gegen die Inflation kämpft, ist die Teuerung in China zuletzt auf 0,1 Prozent gefallen. Angesichts dieser Entwicklung wird die Regierung weiter versuchen, die Wirtschaft zu stimulieren. Das Tempo der Infrastrukturausgaben dürfte noch eine Zeit lang hochgehalten werden. Laut Coba-Ökonom Wu ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Senkung der Mindestreservesätze für die Banken gestiegen.
Mit Agenturmaterial