«Wenn es die Ökonomen hinbekämen, dass man sie als bescheidene, kompetente Leute betrachtet, auf einer Ebene mit Zahnärzten, das wäre herrlich», hat der britische Ökonom John Maynard Keynes einmal geschrieben. Doch dieser Wunsch wird wohl vorerst ein frommer bleiben – und das, obwohl Wirtschaftswissenschaftler grandios dabei versagten, die Finanzkrise vorherzusehen. Und noch im Kampf aus der Misere der Politik diametral unterschiedliche Handlungsempfehlungen auf den Weg gaben.
Doch trotz dieser Verfehlungen geniessen Ökonomen heute noch immer einen hohes Ansehen. Mehr noch: Sie halten sich selbst offenbar ebenfalls für überlegene Wissenschaftler – auch weil sie zu den am besten bezahlten gehören. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der drei Sozialwissenschaftler Marion Fourcade, Etienne Ollion und Yann Algan mit dem Titel «The superiority of economists», die im Netz und in Fachkreisen inzwischen kontrovers diskutiert wird.
Engstirnigkeit von Ökonomen
Denn der Vorwurf wiegt schwer: So attestieren die Studienautoren der ökonomischen Zunft eine ausgeprägte Engstirnigkeit. Sie argumentieren etwa mit Umfragen unter jungen Wirtschaftswissenschaftlern, wonach 77 Prozent von ihnen ihr Fach für das «wissenschaftlichste aller sozialwissenschaftlichen» halten. Daneben werten die drei Autoren aus, dass nirgends so wenig interdisziplinär gearbeitet wird wie in der Ökonomie – weder bei Soziologen, Psychologen, Politik- oder Finanzprofessoren noch im Fach Geschichte. Zudem werde nirgends so wenig aus fachfremden Studien zitiert wie in der Ökonomie.
Daneben stellen die Autoren innerhalb der ökonomischen Forschung ein ungeahntes hierarchisches Gefälle und einen hohen Konsens der Wissenschaft fest, mit einer ausgeprägten intellektuellen Arroganz einiger herausragender Wissenschaftler gegenüber andersdenkenden Kollegen. Dass Ökonomen offenbar in einer höheren Liga spielen als andere Sozialwissenschaftler spiegelt sich demnach in der Entlohnung: So gehören sie in den USA zu den am besten verdienenden Wissenschaftlern mit den herausragendsten Karriereaussichten – besser noch als Physiker und Mathematiker. Demnach liegen nur Computerwissenschaftler und Ingenieure besser.
Ökonomen erhalten riesige Honorare
Nicht berücksichtigt sind dabei Auftragsarbeiten und Beraterhonorare. Die machen oft jedoch einen hohen Teil der Bezahlung von Ökonomen aus. Ein Negativbeispiel dafür schildert der prämierte Dokumentarfilm «Inside Job»: Darin wird unter anderem der berühmte US-Ökonom Frederic Mishkin befragt, der 2006 eine Analyse über die vermeintliche Stabilität des isländischen Finanzsektors verfasste.
Von der isländischen Handelskammer erhielt er dafür 120'000 Dollar. Mit der Bankenstabilität schien es jedoch nicht allzuweit her: Nur Monate nach Veröffentlichung der Studie erlebte das nordeuropäische Land die grösste Finanzkrise seiner Geschichte (siehe Video unten).
Nobelpreisträger kann Kritik nachvollziehen
Kein Wunder, dass die erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie bereits hohe Wellen schlägt. Ökonomen auf der ganzen Welt äussern sich. Der wohl bekannteste ist Nobelpreisträger Paul Krugman: Er könne die Kritik an seiner Zunft durchaus nachvollziehen, schreibt er. Sie sei sehr hierarchisch strukturiert und die Ökonomie habe stark an Formalisierung zugelegt. Wissenschaftler mit grosser Reputation könnten mit Gleichungen jonglieren, scheinen aber des Öfteren nicht zu verstehen, was sie bedeuten.
Und Krugman resümiert: Sollten Leser nach der Lektüre von «the superiority of economics» Ökonomen zynisch begegnen, lägen sie damit womöglich sogar richtig.