Von Thomas Steinruck, Regional Fine Art and Specie Manager, Chubb

Oldtimer sind mehr als nur Autos. Sie sind lebendige Zeitkapseln, die die Geschichte der Automobilindustrie und das kulturelle Erbe vergangener Jahrzehnte verkörpern, sie repräsentieren technische Innovationen und die Ingenieurskunst ihrer Zeit. In der Tat kann man an historischen Fahrzeugen mit am besten die Entwicklung der technischen und gestalterischen Entwicklung des 20. Jahrhunderts aufzeigen. Einige Oldtimer haben eine bemerkenswerte Geschichte und sind eng mit wichtigen Ereignissen oder Persönlichkeiten verknüpft. Auch in der Kunst trat das Automobil bereits wenige Jahre nach seiner Erfindung und Patentierung 1886 durch Carl Benz auf. Es war ein Motiv, das mit der modernen Stadt assoziiert wurde. Es war Symbol für das Wirtschaftswunder und stand für Geschwindigkeit und mobile Freiheit. Aufgrund ihres Alters und ihrer begrenzten Verfügbarkeit sind Oldtimer oft selten und einzigartig. Sammler schätzen diesen Unikatcharakter. Die Grösse des Oldtimermarktes ist nicht unerheblich. Im Jahr 2022 wurden auf Auktionen ca. 64'000 Fahrzeuge verkauft, die zusammen USD 4.3 Mrd. erlösten, davon ca. USD 1.9 Mrd. online. Allein die wichtigste Auktion in Monterey/USA brachte einen Rekorderlös von USD 465 Mio.

Historisches Fahrzeug, Oldtimer, Youngtimer, Classic-, Antique- oder Vintage Car, die Liste der Begriffe für eine bestimme Klasse von Fahrzeugen ist lang und kann hier nicht abschliessend dargestellt werden. Für diesen Artikel meint Oldtimer ein historisches Fahrzeug. Die Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) und die Fédération Internationale des Véhicules Anciens (FIVA) definieren ein «historisches Fahrzeug» als ein «mechanisch angetriebenes Strassenfahrzeug, das mindestens 30 Jahre alt ist, in einem historisch korrekten Zustand erhalten ist, regelmässig gewartet wird und nicht für den täglichen Gebrauch genutzt wird und somit ein Teil unseres technischen und kulturellen Erbes» ist. Die Schweiz spiegelt die Definition im Grossen und Ganzen im Begriff und Status des «Veteranenfahrzeugs». Veteranen erhalten spezielle Kennzeichen oder Plaketten, die ihren Status als historisches Fahrzeug anzeigen und in einigen Kantonen können Eigentümer von Veteranenfahrzeugen von Steuervergünstigungen profitieren, bspw. niedrigeren Steuersätzen oder Steuerbefreiungen.

Ein wichtiges definitorisches Element ist, dass solche Fahrzeuge von ihren Eigentümern in einer Weise erhalten wurden, die ihre historische Korrektheit bewahrt hat. Die Eigentümer und Sammler investieren viel Zeit, Mühe und Geld, um diese historischen Fahrzeuge in erstklassigem Zustand zu erhalten. Dies beinhaltet die Restaurierung von alten, verfallenen Fahrzeugen, die Wartung und Reparatur von Teilen, die oft nicht mehr hergestellt werden, und die Suche nach Originalersatzteilen. Die Pflege eines Oldtimers erfordert auch spezielle Kenntnisse, da moderne Werkstätten und Mechaniker möglicherweise nicht mit den alten Technologien und Konstruktionen vertraut sind. Dies hat zur Entstehung einer Gemeinschaft von Experten geführt, die sich auf die Restaurierung und Wartung von Oldtimern spezialisiert haben, was einen eigenen globalen Wirtschaftszweig mit Tausenden Arbeitsplätzen darstellt. Marktteilnehmer sind bspw. Händler, Garagisten, Restauratoren, Mechaniker, Polsterer, Lackierer bis hin zu persönlichen Sammlungskustoden. Es gibt Fachzeitschriften, Websites, Influencer und nicht zu vergessen spezialisierte Versicherungen. Eine Umfrage der FIVA aus dem Jahr 2019 zeigte, dass Sammler im Schnitt EUR 4'640 pro Jahr pro Fahrzeug investieren und das gesamte Ökosystem «Historische Fahrzeuge» vorsichtig geschätzt eine Grösse von USD 31.6 Mrd. hat. Die wichtigsten Märkte sind die USA, Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich. Auf der Liste der Top 100 Sammler weltweit (hinsichtlich Wertes der Sammlung), seit 2018 jährlich herausgegeben vom Magazin "The Key" des "The Classic Car Trust" (TCCT), finden sich 59 Amerikaner und 32 Europäer, acht amerikanische Sammler, angeführt vom Modedesigner Ralph Lauren, ein niederländischer und ein Schweizer Sammler bilden die «Top 10». Bei den Marken sind es in erster Linie zwei, welche die Liste anführen: Ferrari und Porsche. Jedes vierte Auto stammt von einem italienischen Hersteller, jedes zehnte von einem deutschen.

Historische Fahrzeuge werden nur wenig bewegt. Oldtimer-Enthusiasten begrüssen aber die Möglichkeit, ihre Schätze bei zahlreichen Veranstaltungen und Treffen zu zeigen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Autoshows, Ausstellungen und Rennen bieten die Gelegenheit, diese Fahrzeuge auch der Öffentlichkeit zu präsentieren. Einige der berühmtesten Oldtimer-Events weltweit sind das Pebble Beach Concours d'Elegance in Kalifornien und die Mille Miglia in Italien. 

Es stellt sich zum Schluss noch die Frage nach dem Wert eines Oldtimers. Die Gründe, warum Sammler historische Fahrzeuge schätzen, sind gleichzeitig auch die Faktoren, die den Wert definieren: Bedeutung des Herstellers, der Marke und der Markengeschichte, Bedeutung des Ingenieurs oder Designers, Seltenheit und die Bedeutung für die Automobilgeschichte. Je herausragender ein Hersteller ist und je weniger Massenproduktion es gab, desto interessanter ist ein Fahrzeug. Die teuersten Marken sind sicherlich Ferrari, Bugatti, Aston Martin, Bentley, Rolls-Royce oder Porsche. Wie bei Kunstwerken auch ist der Zustand ein wichtiges Wertkriterium, je mehr Originalteile und je weniger Veränderung, desto höher ist der Marktwert anzusetzen. Die Provenienz, also die Frage der Herkunft und der individuellen Geschichte eines Fahrzeugs, lässt den Preis teils massiv steigen, aber auch, ob ein Fahrzeug ein Merkmal hat, welches es zu einem Unikat machen kann. Das aktuell teuerste Auto ist der Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut Coupé, der 2022 für EUR 135 Mio. bei einer Auktion an einen privaten Käufer verkauft wurde.