Nachhaltigkeit umfasst ein breites Spektrum von Themen, deren Bedeutung schwankt. Mit Blick auf die Zukunft ist aber klar, dass die Bandbreite der Herausforderungen stetig zunimmt und stärker in den Fokus rücken wird. Dazu zählen die Forderungen von Aufsichtsbehörden nach mehr Transparenz in den Lieferketten. Das veranlasst Unternehmen dazu, ihre Betriebsabläufe und Berichterstattung zu überdenken. 

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Die Autorin

Jessica Ground, Global Head of ESG, Capital Group

Weitreichende Auswirkungen dürfte eine aktuelle EU-Initiative haben: die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (CSDDD). Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte im eigenen Betrieb, in Tochtergesellschaften und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu mindern. Die genauen Details sind zwar noch nicht bekannt, doch die neue Richtlinie könnte bereits ab 2027 schrittweise eingeführt werden und zunächst auf grosse Unternehmen abzielen.

 

Energiewende wird anspruchsvoller

Mit Blick auf die Dekarbonisierung ist es für viele Unternehmen nicht einfach, weitere Fortschritte zu erzielen. Die niedrig hängenden Früchte haben sie bereits geerntet, indem sie ihre eigenen Scope-2-Emissionen hauptsächlich mithilfe von sauberem zugekauftem Strom reduziert haben. Anspruchsvollere Energieeffizienzmassnahmen rücken nun in den Fokus. An der UN-Klimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 einigten sich die teilnehmenden Länder auf das ehrgeizige Ziel, das Tempo der jährlichen Energieeffizienzsteigerungen zu verdoppeln. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich die durchschnittlichen jährlichen Investitionen in Energieeffizienz verdreifachen und bis zum Ende des Jahrzehnts auf 1,8 Billionen US-Dollar ansteigen müssen, um ihre volle Wirkung zu entfalten.

Wegen der höheren Strompreise haben sich die typischen Amortisationszeiten für Energieeffizienzlösungen von einigen Jahren auf weniger als 18 Monate verkürzt. Weitere Bereiche für Energieeffizienzsteigerungen sind Elektrofahrzeuge, die Abkehr von Erdgas zum Heizen und die verstärkte Elektrifizierung der Schwerindustrie. In dieser nächsten kritischen Phase dürften hohe Anschaffungskosten nicht mehr als Grund für Untätigkeit akzeptiert werden – vor allem, weil Regierungen Anreize zur Kostensenkung bieten.

 

Innovative Finanzierungsansätze

Auch die innovativen Ansätze zur Finanzierung von staatlichen Nachhaltigkeitsbemühungen lohnt es sich im Blick zu behalten. In Schwellenländern machten Anleihen mit ESG-Kennzeichnung in den letzten Jahren etwa 20 Prozent der gesamten Hartwährungsemissionen aus. Ecuadors innovativer «Debt for Nature»-Swap von vergangenem Jahr hat das Interesse von Regierungen geweckt, die dem Naturschutz eine höhere Priorität einräumen wollen.

Diese Vereinbarungen reduzieren einen Teil der Schulden eines Landes, sofern sich dieses im Gegenzug verpflichtet, die Umwelt in einer festgelegten Weise zu schützen. Ecuador konnte auf diese Weise 1,6 Milliarden US-Dollar Schulden zu einem hohen Abschlag zurückkaufen. Anschliessend gab der lateinamerikanische Staat neue «blaue Anleihen» aus, deren Erlöse mindestens 12 Millionen US-Dollar pro Jahr für den Erhalt des einzigartigen Ökosystems der Galapagos-Inseln bereitstellen sollen.

Angesichts zunehmender Besorgnis über den Verlust von Naturkapital, also den globalen Bestand an Boden, Luft, Wasser und lebenden Organismen, gewinnt die Biodiversität auch für Anleger an Bedeutung. Die Veröffentlichung des Berichtsrahmens der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) im Jahr 2023 verstärkt das Bewusstsein für die Bedeutung der biologischen Vielfalt. Bis Januar 2024 hatten sich 320 Organisationen aus 46 Ländern verpflichtet, naturbezogene Finanzdaten gemäss den TNFD-Empfehlungen offenzulegen. Es wird erwartet, dass diese Empfehlungen in den kommenden Jahren in globale Rechnungslegungsstandards integriert werden.  

Es dürften weitere Richtlinien folgen, um die naturbezogenen finanziellen Risiken besser zu verstehen. Klar ist, dass politische Entscheidungen zum Schutz des Naturkapitals in den nächsten ein bis zwei Jahren tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und Berichterstattung vieler Unternehmen haben werden.