Internet im Auto – wer braucht denn so was? Diese Frage weckt bei Jon Stephenson von Tetzchner, einem Pionier der Tech-Branche, Erinnerungen an die Nullerjahre. Damals entwickelte sein Unternehmen Opera, das er mitgegründet und geführt hat, einen ersten Browser für Mobiltelefone. Er stiess auf Unverständnis, berichtet der Isländer: «Die Leute sagten: ‹Warum wollt ihr auf eurem Handy surfen?›» Das lohne sich höchstens für Börsenkurse, ausserdem sei der Funkstandard WAP zu schwach. «Wir dachten damals anders», sagt von Tetzchner – und fühlt sich durch das Smartphone bestätigt.

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Einen ähnlichen Siegeszug des mobilen Internets sagt der 55-Jährige jetzt für das Auto voraus. Tatsächlich ermöglichen erste Hersteller den Fahrern den Zugang ins Netz über den Bordcomputer, wenn das Auto geparkt ist. Zu ihnen zählen Polestar, Audi, Renault und Mercedes-Benz. Alle vier nutzen künftig den Browser, für den von Tetzchner heute steht: Vivaldi. 

Jon Stephenson von Tetzchner ist Gründer von Vivaldi Technologies.

Jon Stephenson von Tetzchner hat mit seiner Firma Vivaldi den bisher einzigen Auto-Browser entwickelt – abgesehen von Teslas Programm.

Quelle: Vivaldi Technologies

Nach der Trennung von Opera vor zehn Jahren hatte er unter diesem Namen in Oslo ein neues Browser-Unternehmen gegründet. Sein Programm ist das bisher einzige dieser Art, das auch im Auto läuft – abgesehen von Teslas eigener Lösung. Von Google, auf dessen Android-Software ein Grossteil der Auto-Benutzeroberflächen aufbaut, gibt es keinen solchen Browser. «Wir waren etwas überrascht, denn wir sind nun schon seit über einem Jahr dort und immer noch die Einzigen», sagt von Tetzchner.

Ein grosser Schritt für das Auto-Internet wird der Start des App-Stores von Volkswagen in diesem Sommer. So wie im Apple App Store oder bei Google Play können sich dann die Nutzer Programme direkt aufs Auto-Display laden, auch Vivaldi. Zunächst soll der Store bei Audi verfügbar sein, später in der gesamten Flotte des VW-Konzerns. Freilich könnten die Tech-Riesen dann Browser für das Auto entwickeln und in den VW-Store stellen. Nur zum Start wird das wohl nicht passieren. 

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Teslas Webbrowser ist wiederum nicht mit den gängigen Programmen vergleichbar. Konzernchef Elon Musk hat ihn im vergangenen Jahr selbst als «mies» bezeichnet. «Wenn man versucht, den Webbrowser im Auto zu benutzen, dauert es sehr lange, bis er geladen ist, und es ist ein Schrottbrowser. Er ist um einiges schlechter als ein iPad von vor fünf Jahren», sagte er in einem Interview.

Konkurrenz für Tesla? 

Von Vivaldi kann man das nicht behaupten. Von Tetzchner, der in seiner Zeit als Opera-Chef die juristischen Kämpfe der EU-Kommission gegen Microsoft um die Bevorzugung des Internet Explorer hautnah miterlebt hat, verspricht neben cleveren Funktionen auch maximalen Datenschutz. «Als Unternehmen sind wir sehr gegen das Sammeln von Daten. Also sammeln wir auch keine Browsingdaten», sagt er.

Auf Tesla sieht der Tech-Pionier ein Problem zukommen, wenn die Konkurrenten zunehmend App-Stores im Auto eröffnen. Mit seinem geschlossenen System drohe Tesla dann hinterherzuhinken, meint von Tetzchner. «Sie haben eine wirklich gute Software entwickelt. Aber es stellt sich die Frage, wie man an Anwendungen herankommt. Ich wüsste nicht, wie wir unsere Software heute in einen Tesla bekommen könnten.» Ein «Ökosystem» mit vielen Programmen sei einem geschlossenen Angebot schlicht überlegen.

Der Internetzugang im Auto werde schliesslich «alles verändern», meint der Vivaldi-Chef. Man kann darüber Videos sehen, Spiele spielen oder arbeiten – alles, was auf einem Smartphone oder einem Computer auch möglich ist. 

Denkbar ist, dass man an den Bordcomputer eine Tastatur anschliesst und über die Innenraumkamera und den Bildschirm an Videokonferenzen teilnimmt. Noch funktioniert das alles nur, wenn das Auto steht. Aber autonome Fahrzeuge können so zum rollenden Büro werden. Oder zum Wohnzimmer.

Dieser Artikel erschien zuerst auf welt.de unter dem Titel «Das neue Auto-Internet von VW und Co. wird für Tesla zum Problem».