Es sieht aus wie Kerosin, riecht so, funktioniert so – aber stösst keine Treibhausgase aus: nachhaltiger Flugkraftstoff, der statt aus Erdöl aus Bio-Abfall wie zum Beispiel Speiseölen hergestellt wird. Ist das der Trick für «guilt free flying»? Kann ich bald endlich wieder schamlos jene Kurzstreckenflüge buchen, die ich in den letzten Jahren tunlichst vermieden habe – wenn nur genügend Airlines das Frittenfett statt den Fossilen in den Tank schütten?
Die Idee klingt bestechend. In dieser zweiten Ausgabe von «Netto Null» schauen wir uns einmal an, wie sie bei einer Schweizer Airline konkret umgesetzt wird.
Grundsätzlich: Der Antrieb der Flugzeuge verursacht den grössten Teil der CO2-Emissionen der Luftfahrt. 71,9 Prozent der Gesamtemissionen waren es 2022 bei der Lufthansa Group, zu der auch die Swiss gehört.Die Flugesellschaften sind in den vergangenen Jahren international unter Druck gekommen. Seit 2021 müssen sie einen Teil ihrer CO2-Emissionen kompensieren; seit diesem Jahr all jene, die 85 Prozent des Werts von 2019 überschreiten.
Als erste Schweizer Airline hat die Swiss darum vor knapp drei Jahren den nachhaltigen Flugkraftstoff eingeführt – kurz «SAF» für «Sustainable Aviation Fuel».
Nachhaltig ist SAF aus biogenen Reststoffen (zum Beispiel eben: Pommes-Öl) deshalb, weil bei seiner Verbrennung «nur so viel CO2 ausgestossen wird, wie zuvor durch die Ausgangsmaterialien der Atmosphäre entzogen wurde». So erklärt es die Swiss auf ihrer Webseite. Auch wenn bei Herstellung und Transport aktuell noch Emissionen freigesetzt werden, schafft es SAF im Vergleich zum herkömmlichen Kerosin mit 80 Prozent den allergrössten Teil der Treibhausgase zu reduzieren. Brüssel verlangt beim Tanken an europäischen Flughäfen ab 2025 einen SAF-Mindestanteil von zwei Prozent.
Die Swiss ordnet dem SAF eine «zentrale Rolle» zu, um bis 2050 CO2-neutral zu werden.
Der Vorteil: Die Technik ist sicher und kann schon heute eingesetzt werden. Im Herbst vergangenen Jahres bewiesen das eine Reihe Ausgewählter rund um den Milliardär Richard Branson und Grossbritanniens Verkehrsminister Mark Harper, die den ersten komplett mit SAF betriebenen Langstreckenflug unternahmen.
Zurück von New York nach London flogen sie allerdings mit herkömmlichem Kerosin.
Und auch der Swiss-Mutterkonzern Lufthansa hat es mit dem nachhaltigen Treibstoff beispielsweise im vergangenen Jahr geschafft, 43’900 Tonnen CO2 einzusparen – mit 0,19 Prozent allerdings nur ein Mini-Bruchteil der Gesamtemissionen.
Der Problem ist nicht nur der Preis, der aktuell mindestens drei bis fünfmal höher als bei herkömmlichem Kerosin liegt.
Der Haken ist auch: Woher kommen ausreichende Mengen SAF für die kraftstoffhungrige Luftfahrtbranche?Dass wir noch nicht die ganze Fliegerei mit SAF betreiben können, liegt nämlich schlicht auch daran, dass wir gar nicht so viel altes Frittieröl produzieren können. Expertinnen und Experten befürchten: Wird am Ende extra Bio-Masse für die SAF-Produktion der Passagier- und Transportmaschinen angebaut, bräuchte das einen Haufen Platz, und es könnte sich auf Lebensmittelpreise auswirken und so am Ende sogar die Armut in bestimmten Ländern erhöhen.
Eine grosse Hoffnung der Swiss liegt darum auf der nächsten Generation der nachhaltigen Treibstoffe. Bei den «SAF 2.0» sollen zum Beispiel zusätzlich Treibhausgase bei der Herstellung eingespart beziehungsweise abgefangen werden, bevor sie in die Atmosphäre gelangen (carbon capture), und sie sollen beispielsweise mit Wasserstoff kombiniert werden. Diese E-Fuels könnten bis 2030 die Emissionen um bis zu zehn Prozent reduzieren, benötigen aber im Gegensatz zu den jetzt bereits verfügbaren nachhaltigen Treibstoffen teilweise auch neue Flugzeuge und Triebwerke.
NETTO NULL – Das Klima-Update für die Schweizer Wirtschaft. In den nächsten Wochen liefern wir Ihnen immer am Freitagmorgen eine relevante Geschichte aus einem Unternehmen oder der aktuellen Klimapolitik.