Eine Pandemie verbreitet sich um die Welt. Was beschäftigt die Finanzmärkte sonst noch?
Die Märkte werden de facto von drei Themen beherrscht. Das Augenmerk liegt aktuell besonders auf den durch das Coronavirus ausgelösten Entwicklungen und der damit einhergehenden Frage nach den konjunkturellen Perspektiven. Da es keine historische Blaupause hierfür gibt, bleiben die Wirtschaftsprognosen sehr unsicher. Das zweite Thema sind die Spannungen zwischen der OPEC und Russland. Dass der Ölpreis deshalb zurzeit eher einem Jo-Jo gleicht, kann nicht verwundern. Das dritte Thema sind die Vorwahlen in den USA und die Frage, wie sich die Demokraten aufstellen.

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Franz Wenzel ist Anlagestratege für Institutionelle Kunden bei AXA Investment Manager.

Quelle: Danny Mejia

Die Staaten reagieren mit Konjunkturhilfen auf die Corona-Krise. Werden diese Stützpakete nachhaltig Wirkung zeigen?
In der aktuellen Krise sind die Regierungen zur Hilfe aufgerufen. Der Bogen wird sich von regulatorischen Lockerungen in Bezug auf die Eigenkapitalhinterlegung der Banken bis zu fiskalpolitischen Hilfestellungen für einzelne Regionen bzw. Branchen erstrecken. Eine nachhaltige Wirkung sollte man davon allerdings nicht erwarten. Dies kann nicht Aufgabe der Regierungen sein. Jedoch hätten derartige Hilfestellungen eine bedeutende Signalwirkung sowohl für die Haushalte wie insbesondere auch für die Unternehmen. Insofern käme derartigen Hilfsmassnahmen eine zentrale Rolle zu.

Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins weiter gesenkt, die Europäische Zentralbank hat ein Hilfspaket in die Wege geleitet. Wie lange wird diese Ära des billigen Geldes und der Negativzinsen anhalten?
Angesichts des schwachen Wachstums und der niedrigen Inflationsrate bleibt das Zinsniveau in den kommenden Quartalen wohl sehr niedrig bzw. negativ. Der schwache Welthandel, gekoppelt mit einem Produktivitätswachstum um die 1 Prozent sowie Lohnsteigerungen um die 1 Prozent, ist Garant dafür, dass die Inflation weiterhin deutlich unter der Zielmarke der Zentralbanken bleiben wird. In diesem Umfeld sind höhere Zinsen unvorstellbar. Selbst höhere Fiskalausgaben der Regierungen, um die aktuelle Wirtschaftsschwäche abzufedern, werden daran nichts ändern.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Angesichts ihres eher defensiven Charakters hat sich die Schweizer Börse relativ gut geschlagen. Trotz des Kursrückgangs bleiben Aktien mit einem KGV um das 20-Fache eher teuer. Das gilt umso mehr, als die Gewinne der Unternehmen sicherlich deutlich zurückgehen werden. Andererseits bieten attraktive Dividenden eine echte Alternative zu festverzinslichen Wertpapieren. Vor diesem Hintergrund erwarten wir eine Seitwärtsbewegung des Schweizer Aktienmarkts.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Ein sehr verhaltenes, aber noch positives Weltwirtschaftswachstum und eine noch expansivere Geldpolitik, die insbesondere den Schweizer Franken wieder verstärkt im Visier hat, sind die zentralen Determinanten für ein Gewinnwachstum von um die 5 % in den kommenden zwölf Monaten. Das sollte sich schlussendlich in den Börsenkursen widerspiegeln. Angesichts der aktuellen hohen Unsicherheit sind Investoren gut beraten, im Moment Vorsicht walten zu lassen. Die Volatilität wird mit hoher Wahrscheinlichkeit anhalten. Das Virus, der Ölpreis und die Vorwahlen sorgen sicherlich für Irritationen und Kursdämpfer.

Russland und Saudi-Arabien liefern sich einen Preiskampf beim Öl. Wie dürfte sich der Markt entwickeln?
Der Ölpreis wird im Moment fast ausschliesslich von den gescheiterten Gesprächen zwischen Saudi-Arabien und Russland bestimmt. Insbesondere Russland kann sich auf Dauer einen Ölpreis unter 40 US-Dollar pro Barrel nicht leisten. Hinzu kommt, dass sich in den USA in den vergangenen Jahren die Förderung von Ölschiefer stark entwickelt hat. Allerdings ist diese Produktion sehr teuer. Die Schätzungen für den Break-even-Preis liegen wohl eher über  50 US-Dollar pro Barrel. In einem Wahljahr kann sich der aktuelle US-Präsident keine schlechten Nachrichten leisten. Ein höherer Ölpreis wird die Folge sein.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird diesen Sommer eine neue Strategie beschliessen. Erwarten Sie eine Kursänderung unter der neuen EZB-Chefin Christine Lagarde?
Die EZB hat sich unter der neuen Leitung eine Revision ihrer strategischen Ziele auferlegt. Was dies konkret heissen mag, bleibt abzuwarten. Eine kurzfristige Kursänderung kommt aber angesichts der aktuellen Wirtschaftslage nicht in Frage. Vielmehr wird die Notenbank gehalten sein, die Zügel weiter locker zu halten und/oder weiter mit Liquidität den Banken zu Hilfe zu kommen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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