Welches sind für Sie die wichtigsten Erfahrungen als Unternehmer?
Dieter Meier: Dass man als Unternehmer spontan in Sachen hineingeht und dann oft mit grossen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Ich musste lernen, dass vieles anders ist, als man sich das vorstellt - dass es wie beim Bergsteigen plötzlich Steinschlag, Wetterumstürze und Temperatureinbrüche gibt. Ich habe mich als Unternehmer oft wie ein Zauberlehrling gefühlt, der das, was er ausgelöst hat, durchziehen muss.
Zauberlehrling in der Wirtschaftswelt: Wo erlebten Sie Highlights und wo Tiefschläge?
Meier: Ein Highlight ist mein Farmbetrieb mit nachhaltiger Bewirtschaftung in Argentinien, und dass ich es geschafft habe, unsere Produkte unter dem Brand «Ojo de Agua» zu vermarkten. Eine Investition in Internettechnologie führte zu Verlusten, aber es liegt in der Natur der Sache, dass solche Investitionen durchschnittlich nur in einem von fünf Fällen zum Erfolg führen.
Was hatten Sie falsch gemacht?
Meier: Ich hatte in eine Firma und eine Technologie investiert, die viel versprechend waren. Nachträglich musste ich feststellen, dass die Technologie nicht marktreif war. Geblendet von möglichen grossen Gewinnen, hatte ich gegen mein Gefühl investiert.
Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?
Meier: Dass ich auch als Unternehmer meinem Gefühl vertrauen muss und mich nicht von Experten blenden lassen darf.
Sollten Manager und Unternehmer generell mehr aus einem Bauchgefühl heraus entscheiden?
Meier: Unternehmertum bedeutet zu einem grossen Teil nicht nur die Analyse von Fakten, sondern auch Irrationalität. Ein Unternehmer muss, um Erfolg zu haben, mit dem Risiko umgehen können. Der Umgang mit dem Chaos, mit dem Ungewissen zeichnet den Unternehmer aus. Als Unternehmer segelt man mit einem Boot aufs offene Meer hinaus und weiss nicht, wie sich das Meer verhält und ob man in Stürme kommt.
Aber man braucht gute Fachkenntnisse, um mit unternehmerischen Risiken umzugehen.
Meier: Ja, und man muss mutig sein, um sich überhaupt mit dem Ungewissen zu konfrontieren. Das ist quasi das Chaos. Aufgrund der Fachkenntnisse kann der Unternehmer das Chaos überwinden. Dennoch muss man als Unternehmer immer auch mit dem Chaos leben.
Was ist dabei lernbar?
Meier: Gute Fachkenntnisse sind lernbar. Doch ein Unternehmen zu steuern auf diesen sich schnell verändernden Weltmärkten, etwas Neues zu wagen, das kann man nicht aus Büchern lernen. Ökonomen erklären immer das Wetter von gestern. Der Unternehmer muss hingegen in der Praxis mit dem Wetter von morgen umgehen.
Und dabei spielen Erfahrungen in der Unternehmerpraxis eine entscheidende Rolle.
Meier: Absolut. Das Wichtigste ist, dass man innerhalb des Betriebes eine Mannschaft hat, welche die Strategie versteht und mitträgt.
Sie meinen Leidenschaft für eine Idee und für ein Unternehmen?
Meier: Ja genau. Ein erfolgreicher Unternehmer muss die Fähigkeit haben, seine Leidenschaft für seine Idee und das Unternehmen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben. Dann kommt etwas in Bewegung.
Doch viele Leute sind ängstlich, lassen sich nicht so schnell motivieren.
Meier: Bei allen Veränderungen in einer Firma regiert zuerst die Angst. Diese Angst zu überwinden und dafür zu sorgen, dass alle am gleichen Strick ziehen im Wissen um die Risiken, das ist wahre unternehmerische Leistung.
Welches sind Ihre Chaosstrategien?
Meier: Man muss sich der unternehmerischen Risiken genau bewusst sein. Nur Idioten haben keine Bedenken. Jedes Unternehmen und jeder Weg ins Neue ist mit Unsicherheit, mit Angst verbunden. Da muss man wissen, wie viel man von dem erträgt, damit man nicht selbst chaotisch wird.
Wie gehen Sie selbst mit unternehmerischem Risiko um?
Meier: Indem ich den Dialog pflege. Ich bin in den meisten Gebieten kein Fachmann, nicht einmal auf dem Gebiet der Tonmischung und Tonerzeugung, weil ich kein Techniker bin. Ich bin daher auf den Dialog mit Spezialisten angewiesen. Da erkenne ich manchmal Entwicklungen und Märkte, welche die Fachleute so nicht sehen.
Sie waren auch Pokerspieler: Erleben Sie die Wirtschaft manchmal als Pokerspiel?
Meier: Da gibt es tatsächlich viele Parallelen. In der Wirtschaft wie im Pokerspiel garantieren gute Karten allein noch keinen Sieg. Man kann selbst mit relativ schlechten Karten Geld verdienen. Und man kann mit sehr guten Karten sehr viel Geld verlieren. Sowohl im Geschäftsleben wie im Poker sollte man immer nur ein Spiel spielen, das dem eigenen Charakter entspricht. Der erfolgreiche Pokerspieler ist der, der weiss, wer er ist und seine eigenen Stärken und Grenzen kennt.
Sie sind Künstler, machen Musik und Filme, sind aber gleichzeitig Unternehmer: Ist für Sie Unternehmertum auch eine Kunst?
Meier: Zwischen Kunst und Unternehmertum gibt es viele Gemeinsamkeiten. In beiden Bereichen macht man eine Reise ins Unbekannte. Sich mit dem Chaos in der Wirtschaftswelt auseinanderzusetzen und etwas Neues zu schaffen, ist eine Kunst. Wahre Kunst hat eigentlich mit Technik nur sehr wenig zu tun. Der Satz «Kunst kommt von Können» ist etwas vom Dümmsten. Auch in der Wirtschaft führt erst die Kombination von Fachwissen und unternehmerischer Intuition zum Erfolg.
Nun sind Sie auch begeisterter Golfer. Was haben Sie als Unternehmer aus dem Golf gelernt?
Meier: Golf gibt mir die hermetische Abgeschiedenheit von der Welt. Ich gehe, wenn ich Golf spiele, unter eine unsichtbare Glocke und konzentriere mich nur auf diese wenigen Sekunden, in denen ich diesen Schwung mache, der den Ball von A nach B bringt. Man ist wie weg von allem. Man ist eigentlich wie in einer Trance, wenn man eine richtige Partie Golf spielt, man geht auf einer anderen Ebene. Es ist eine völlig eigene Welt. Ich glaube das ist auch ein Grund, wieso es so viele Leute gibt, gerade auch Unternehmer, die dieses Spiel so schätzen, weil sie eben wirklich in einen anderen Zustand kommen durch dieses Spiel.
Golf als Meditation?
Meier: Golf hat sehr viel zu tun mit einem inneren Zustand. Man hat diese hoch komplizierte Bewegung verinnerlicht, sodass man eben nicht mehr mit diesem westlichen Approach des kraftvoll auf irgend-etwas Einhämmerns arbeitet, sondern fast mit dem Zen-Buddhistischen-Begriff «Nicht ich schiesse, sondern es schiesst». Dieser Gegensatz zwischen dem Verfolgen eines Ziels - der Ball muss ja dahin fliegen, wo man will - und der letzten Lockerung, aus der heraus das nur geschehen kann, das hat sehr viel zu tun mit Unternehmertum.
Haben Sie im Golf auch verlieren gelernt?
Meier: Im Golf habe ich Demut erfahren. Das ist als Unternehmer wichtig. Golf ist das Spiel, das einem den Umgang mit Demut und Niederlage lehrt.
Sie sind Musiker, Filmer, Autor, Inhaber einer Firma für Mischpulte im Silicon Valley, doch die grösste Leidenschaft gehört, so hat man den Eindruck, Ihrer Bio-Grossfarm in Argentinien. Ist die Farm faktisch der Schrebergarten des Unternehmers Dieter Meier?
Meier: Ich führe den Betrieb streng nach unternehmerischen Grundsätzen. Die Farm ist für mich ein unternehmerisches Risiko. Weil ich aber Biolandbau betreibe, habe ich immer die Absicherung, dass die Substanz, das Land, die Erde und das Wasser erhalten bleiben.
Biobauer in Argentinien: Was reizt Sie daran - das unternehmerische Abenteuer?
Meier: Vielleicht ein Kindheitstraum. Ich habe als Knabe sehr glückliche Tage verbracht auf Bauernhöfen, war als Kleiner auf dem Traktor und habe bei einem Bauern Jauche ausgefahren. Es ist fast ein Urglück für mich, etwas auf einem Acker wachsen zu sehen. Dann gibt es aber auch unternehmerische Überlegungen: Ich bin überzeugt, dass gute Erde und gutes Wasser in 50 oder 100 Jahren rar sein werden. So gesehen ist meine Bio-Grossfarm in Argentinien eine Investition in die Zukunft.
Welche Hoffnungen knüpfen Sie an Ihr argentinisches Unternehmen?
Meier: Ich will zeigen, dass man auch auf sehr grossen Landwirtschaftsflächen, wie wir sie in Argentinien besitzen, biologisch anbauen kann. Ich will auch zeigen, dass man Bioprodukte attraktiv vermarkten kann. Und ich will beweisen, dass man damit gutes Geld verdienen und somit als Unternehmer erfolgreich sein kann.