Adam Smith hätte gut in die heutige Zeit gepasst. «Konzentriere dich auf das, was du am besten kannst», tönt es von Beratern und Coaches allenthalben. Smith hat diese Botschaft radikal umgesetzt für ihn gab es nur eine persönliche Kernkompetenz und sonst nichts. Smith dachte nach und schrieb auf, führte über Jahre ein Eremitenleben.

Auf diese Weise brachte er eine Meisterleistung zu Stande, die heute noch Gewicht hat: Sein Buch «The Wealth of Nations». Das 800-Seiten-Werk erschien 1776. Wie sehr die Gedanken aus dem Plädoyer für Marktwirtschaft und Freiheit noch geschätzt werden, zeigt die Fan-Industrie der Gegenwart. Smith- Anhänger schmücken sich ihr Revers mit Anstecknadeln, die den grossen Denker ehren, und tragen eine Adam-Smith-Krawatte. Selbst eine Büste des Schotten hat das britische Adam-Smith-Institute im Angebot, online bestellbar!

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Denn, so der Ökonom, all das verhindert, dass es dem Land richtig gut geht. Politik habe sich allein der Agenda «Das grösste Glück der grössten Zahl» zu verpflichten also den Wohlstand aller Menschen zu mehren. Arbeitende aber, denen das besondere Augenmerk des Denkers galt, werden durch Einfuhrzölle benachteiligt, weil sie für Waren aus inländischer Produktion wegen des Schutzes unnötig viel bezahlen.

So hätte Smith auch an der Schweizer Schutzzollpolitik wenig Gefallen gefunden. Ein Beispiel: Ein Bauer aus Tunesien müsste heute für Sellerie, den er hier zu Lande verkaufen will, kräftig Zoll bezahlen. 800% des Weltmarktpreises, so hoch liegt der Aufschlag, der an der Grenze fällig würde, ermittelt die Forscherin Dina Pomeranz von der Harvard University. Die Folgen des Protektionismus hätte schon Smith schlüssig erklärt: Die Einfuhr unterbleibt, der Bauer aus Tunesien verdient nichts und der Schweizer Konsument zahlt überhöhte Preise.

Deshalb rät Smith: «Macht den Markt stets möglichst gross, mit vielen Anbietern und Nachfragern.» Das schafft Wettbewerb, der allen dient und erleichtert Arbeitsteilung, die Wohlstand schafft. Mit seinem Stecknadel-Beispiel wies er das nach; es wird heute noch in Ökonomie-Vorlesungen zitiert: «Ein Ungelernter allein kann am Tag allenfalls eine Stecknadel herstellen, sicher aber nicht mehr als 20», sagt der Altmeister. Aber zehn Arbeiter, die jeder nur auf wenige Handgriffe spezialisiert sind, kommen in einer Fabrik auf eine Tagesleistung von 48000 Stecknadeln und das noch zu einem günstigeren Preis. Doch diese Produktion findet nur dann Nachfrage, wenn der Markt gross genug ist. Zölle behindern diesen Markt aber und verkleinern ihn unnötig.

Die unsichtbare Hand

Smith schrieb mit seinem Buch gegen den Merkantilismus an, der damals gerade in Mode war. Das Credo des Opponenten lautete: «Der Markt, nicht die Regierung ordnet die Geschäfte am besten.» Ohne Regulierung von oben bricht keineswegs das Chaos aus. Der Markt führt zu einer Ordnung der Verhältnisse es wirkt das «Prinzip der unsichtbaren Hand», das noch heute jeder Wirtschaftsstudent im ersten Semester lernt.

Das erklärte Smith so: Der Produzent von Hosen betreibt sein Geschäft nicht aus Nächstenliebe, sondern um Profit zu machen. Aber sein Eigennutz geht keineswegs so weit, dass er für seine Beinkleider Wucherpreise verlangen würde. «Er muss Preise machen, die mit denen der Konkurrenz mithalten können», sagte Smith. So werden durch den freien und wettbewerblichen Austausch alle zufrieden die Kunden, weil sie die Ware günstig bekommen, und die Hersteller, weil sie verdienen.

Steigende Nachfrage treibt zwar die Preise hoch. Aber das in Smith' Augen nur vorübergehend. Denn die hohen Preise ziehen neue Unternehmer an, angelockt durch die guten Verdienstchancen. So entsteht ein Zustrom an Mehrangebot, der die Preise wieder sinken lässt: Wenn der Markt enger besetzt ist, gibt es mehr Wettbewerb, der die Forderungen der Unternehmer nach unten drückt.

Acht Jahre dauerte es, bis Adam Smith all seine Thesen beisammen hatte. In dieser Zeit kam er vom Schreibtisch kaum weg, was er nicht einmal bedauerte: «Der Kontakt mit Fremden war ihm immer zuwider», beschreiben Zeitgenossen sein Eremitendasein. Der Schotte suchte nicht das öffentliche Leben, er lebte die meisten Jahre zurückgezogen in seinem Geburtsort Kirkcaldy, einem 1500-Seelen-Flecken.

Unter Zeitgenossen kursierten Anekdoten über seine weltfremde Zerstreutheit: In Gesprächen schaltete er oft ab und dachte derweil über seine eigenen Themen nach. Einmal sei er, wie die Legende sagt, Stunden im Schlafrock durch Edinburgh gelaufen, ehe er es gemerkt habe. Sein Pferd wurde von einem Freund gefüttert, weil es unter Smith' Obhut sicher verhungert wäre.

Lebenslange Rente

Seit 1764 konnte sich der Moralphilosoph diesen Lebensstil leisten. Damals erreichte ihn ein Angebot des britischen Schatzkanzlers, mit dessen 18-jährigem Stiefsohn eine Bildungsreise zu machen. Für die zwei Jahre in Frankreich gab es einen Jahreslohn von 300 Pfund. Weil das das Doppelte dessen war, was Smith bis dato als Professor verdient hatte, hängte er seine akademische Laufbahn an den Nagel. Mit diesem Deal hatte Smith ausgesorgt: Nach Erledigung der Pflicht mit dem Minister-Sprössling wurde die Apanage weitergezahlt lebenslang.

Mit diesem Beitrag startet die «HandelsZeitung» eine zehnteilige Serie über die grossen Köpfe der Ökonomie und ihren Einfluss auf das heutige Denken. Lesen Sie nächste Woche: David Ricardo und der komparative Vorteil.



Zitate: Das sagt Adam Smith ...

... zum Prinzip der unsichtbaren Hand: «Jeder glaubt, nur sein eigenes Interesse im Auge zu haben, tatsächlich aber erfährt so indirekt auch das Gesamtwohl der Volkswirtschaft die beste Förderung. Verfolgt er nämlich sein eigenes Interesse, so fördert er damit indirekt das Gesamtwohl viel nachhaltiger, als wenn die Verfolgung des Gesamtinteresses unmittelbar sein Ziel gewesen wäre.»

... zum offenen Welthandel: «Wenn uns nämlich ein anderes Land mit einer Ware billiger versorgen kann, als wir sie selbst herzustellen im Stande sind, so ist es vorteilhafter, dass wir dem betreffenden Lande diese Ware gegen Produkte unseres eigenen Gewerbefleisses, in denen wir vor dem Auslande etwas voraus haben, abkaufen.»

... zur Arbeitsteilung: «Es ist die Arbeitsteilung, die den Reichtum eines Landes vermehrt. Es wäre deshalb ein Glück, wenn alle nationalen Vorurteile ausgerottet wären und ein freier und ungestörter Handel sich einstellen würde.»

... zur Staatsverschuldung: «Sobald Staatsschulden einmal ein bestimmtes Ausmass erreicht haben, gibt es, glaube ich, kaum ein einziges Beispiel dafür, dass sie ehrlich und vollständig zurückbezahlt worden wären.»