Einzig die surrenden Elektromotoren der Erntefahrzeuge brechen die Ruhe im Gewächshaus. Zu Tausenden ranken die Gurkenstauden bei den Gemüseproduzenten Fritz und Markus Meier in Hinwil ZH nach oben. Die slowakische Erntearbeiterin fährt durch die Reihen. Mit geübtem Blick pflückt sie die Gurken, die an diesem Tag reif geworden sind. Es sind perfekte Gurken: 400 Gramm schwer, saftig, ohne Krümmung und dazu in einem satten Grün. Unter normalen Umständen landen sie spätestens in zwei Tagen geschnitten in einem Salat oder Sandwich.
Doch in den letzten Tagen wurde jede dritte entsorgt. Das in Deutschland gestreute Gerücht über die mit Killerbakterien EHEC verseuchten spanischen Gurken liess den Markt auch in der Schweiz einbrechen. «Von den 15000 täglich geernteten Gurken mussten wir jeweils 5000 in der Biogasanlage entsorgen», sagt Fritz Meier. Der finanzielle Schaden geht in die Zehntausende von Franken, der Verband prüft Forderungen an den Staat. Da hilft es nichts, dass inzwischen nicht mehr Gurken, sondern Sojasprossen als EHEC-Träger gelten. Die Misere ist angerichtet.
Hohe Investitionen sind nötig
Das geht auch Grossproduzenten wie den Gebrüdern Meier mit ihren über zwei Millionen jährlich produzierten Gurken an die Substanz. «Glücklicherweise sind die Cherrytomaten im anderen Abteil des Gewächshauses nicht von der EHEC-Hysterie betroffen», sagt Fritz Meier. Zudem bewirtschaften die beiden Brüder auf einem zweiten Betrieb in Buchs-Dällikon auf 82 Hektaren Freilandfläche viele Salate, Brokkoli, Fenchel oder Radieschen. Dort laufe das Geschäft normal, und so liessen sich die Einbussen bei den Gurken besser verkraften. Einen positiven Aspekt gewinnt der Produzent dem EHEC-Albtraum trotzdem ab: «Die Kundschaft sollte eigentlich gerade jetzt merken, dass die streng kontrollierte Gemüseproduktion aus der Schweiz für sie nur Vorteile bringt.»
Die Produktion von Gemüse ist kostenintensiv. Nur schon die 85 000 Gurken- und die 30 000 Tomatensetzlinge für das Gewächshaus kosten in Hinwil rund 350 000 Franken. Bis zur ersten Ernte dauert es nach dem Pflanzen elf Wochen. «Die Löhne müssen in dieser Zeit trotzdem bezahlt sein», sagt Meier. Dazu kommen Kosten für Dünger, Maschinen oder Kühl- und Lagerräume. Planung ist deshalb alles: Jede Fläche sollte wenn möglich immer mit einer Kultur bepflanzt sein. Im Winter produziert man im Hinwiler Gewächshaus Wintersalate und Radieschen.
Mit ihren beiden Betrieben zählen die Brüder zu den Grösseren der rund 2000 Gemüseproduzenten in der Schweiz. Grösse ist wichtig, um dem steigenden Preisdruck gewachsen zu sein. Doch raumplanerische Hindernisse, das hohe Kostenumfeld in der Schweiz, knappes Land sowie strenge Auflagen hinderten viele Betriebe daran, sich weiterzuentwickeln, so der Gemüseproduzent.
CO2-neutrale Gurken
Die Gurken aus dem Gewächshaus in Hinwil sind die ersten offiziell anerkannten CO2-neutral produzierten Schweizer Gurken. «Wir beziehen die Wärme für die 40 000 Quadratmeter Gewächshausfläche von der benachbarten Kehrichtverbrennungsanlage», sagt Fritz Meier. Vor drei Jahren haben die beiden Brüder das Gewächshaus mit der umweltfreundlichen Heizung in Betrieb genommen. Anfang Jahr wurden sie dafür mit dem Prix Watt d’Or des Bundesamtes für Energie ausgezeichnet. Der Preis wurde ihnen ausgerechnet von Bundesrätin Doris Leuthard überreicht. Diese hatte sich in der Gemüsebranche besonders unbeliebt gemacht, weil sie als Volkswirtschaftsministerin ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU forsch vorantrieb. Die Gemüseproduzenten gelten in der Landwirtschaft zwar als besonders unternehmerisch und marktorientiert denkende Köpfe. Doch gegenüber billigem ausländischem Gemüse sind sie trotzdem kaum konkurrenzfähig. Sie sind darauf angewiesen, dass die Importe während der Saison mit hohen Zöllen belegt werden. Mit einem Agrarfreihandelsabkommen würde dieser Grenzschutz wegfallen. «Dann können wir nur hoffen, dass der Schweizer Konsument bereit ist, den höheren Preis für unser Qualitätsgemüse zu bezahlen», sagt Meier.
Gemüseproduktion
Harte Konkurrenz
In Holland kostet eine Gurke umgerechnet 25 Rappen. «Wir brauchen 70 bis 75 Rappen, um die Kosten zu decken», sagt Gemüseproduzent Fritz Meier. Ein Grund für die Differenz seien Subventionen in der EU: «Wir mussten die Millionen für das Gewächshaus selber aufbringen.» In Holland hätte die EU die Hälfte bezahlt. Zudem bezahlen die Brüder Meier den 112 Arbeitern mindestens 15 Franken pro Stunde. Deutsche Konkurrenten vergüten zum Teil weniger als 5 Franken.