Mehr als 2% aller im SPI vertretenen Unternehmen haben in den letzten zwei Jahren ein Going Private angekündigt und durchgeführt. Drei der prominentesten Industrieunternehmen, welche ihre Aktien bzw. Partizipationsscheine dekotieren liessen, sind Zellweger Luwa, Hero und Hilti. Die Gründe für einen Rückzug von der Börse sind dabei vielfältig. Einerseits haben der schleppende Gang an den Kapitalmärkten der letzten Jahre sowie sinkende Aktienkurse dazu geführt, dass das Handelsvolumen von gewissen Aktien von Small- und Mid-Cap-Gesellschaften sehr klein ausfiel und schliesslich deren Aktien verhältnismässig günstig bewertet wurden, andererseits sind auch die hohen Kosten zu beachten, welche eine Kotierung mit sich bringt. Aber auch offensivere Strategien wie Umstrukturierungen und Konzernbildungen können eine Going- Private-Transaktion initiieren. Als Beispiel sei die Abspaltung des Bereiches Prüf- und Mess-Systeme für Textilien mit einem Umsatz von rund 160 Mio Fr. im Rahmen des Going Private von Zellweger Luwa an das Management, Capvis und die deutsche Beteiligungsgesellschaft Quadriga genannt.
Going Private mit Chancen und Risiken
Grundlage jeder Going-PrivateTransaktion bildet die Änderung der Aktionärstruktur. In der Regel versuchen Mehrheitsaktionäre mittels eines öffentlichen Übernahmeangebotes die Publikumsaktionäre auszukaufen und anschliessend die verbleibenden Minderheitsaktionäre mittels eines Kraftloserklärungsverfahrens auszuschliessen, um schliesslich die Aktien dekotieren zu können. Es kann jedoch auch sein, dass die Gesellschaft selber mittels eines öffentlichen Kaufangebotes die Publikumsaktien zwecks Kapitalherabsetzung zurückkauft. Ebenfalls denkbar sind Kombinationen der erwähnten Möglichkeiten.
Jede Going-Private-Transaktion ist, basierend auf den spezifischen Gegebenheiten (Aktionariat, Grösse der Gruppe, Struktur, Rechtsformen der beteiligten Parteien usw.), einzigartig, was insbesondere aus steuerlicher Sicht enorme Chancen und Risiken mit sich bringt. Dabei geht es nicht nur um die sorgfältige Planung des zukünftigen Schuldendienstes und der zukünftigen Finanzströme, sondern speziell auch um die steuerliche Optimierung einer allfällig notwendigen Umstrukturierung (vor oder nach dem Going Private) sowie um eine möglichst steuereffiziente Gestaltung der Übertragung der Aktien aus Sicht der auszukaufenden Aktionäre. Letzterer Punkt hat an Bedeutung gewonnen, zählen doch heute für Investoren vor allem steuerbereinigte Erträge als Messgrösse. Die steuereffiziente Übertragung der Aktien ist in der Praxis insofern komplex, als sich hinter dem Begriff Aktionariat verschiedenste Investoren vereinigen (natürliche Personen, juristische Personen, Inländer, Ausländer usw.), welche wiederum unterschiedlichen steuerlichen Gegebenheiten unterliegen. Diese Gegebenheiten gilt es aus steuerlicher Sicht möglichst optimal aufeinander abzustimmen, um schlussendlich steuerlich eine optimierte Transaktion für alle involvierten Parteien zu gewährleisten. Aus den nachfolgenden Ausführungen wird ersichtlich, wie gegensätzlich die Standpunkte und wie mögliche Lösungen ausgestaltet sein können.
Der klassische Privatinvestor (welcher nicht als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler tätig ist) kann bei einem direkten Verkauf seiner Aktien von der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne profitieren. Er hat deshalb ein grosses Interesse, dass ein Rückkauf in Form eines öffentlichen Übernahmenangebotes, beispielsweise durch einen der bisherigen Mehrheitsaktionäre, stattfindet. Das für den Privatinvestor steuerlich unattraktivste Szenario stellt demgegenüber ein Rückkauf der Aktien durch die Zielgesellschaft selber dar, da in solch einem Fall im Bund und in den meisten Kantonen die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Nennwert der verkauften Aktie der Einkommenssteuer unterliegt. Als Folge wird der Privatinvestor nur bereit sein, seine Aktien im Rahmen eines Going Private zu veräussern (ausgenommen «Kraftloserklärungsverfahren»), wenn er entweder einen steuerfreien privaten Kapitalgewinn erzielen kann oder aber der Verkaufspreis im Falle eines für ihn steuerpflichtigen Verkaufes so hoch angesetzt wird, dass der Verkaufserlös auch nach Steuern noch die gewünschte Rendite erbringt.
Steuerliche Aspekte berücksichtigen
Beim anderen klassischen Investor, einer schweizerischen juristischen Person, stellt sich die Situation genau gegenteilig dar. Ein Verkauf über die Börse resultiert in der Differenz zwischen dem Buchwert und dem Veräusserungserlös grundsätzlich in steuerbarem Ertrag. Falls der Investor einen Anteil von mehr als 20% der Gesellschaft veräussert (welchen er zudem länger als ein Jahr gehalten hat), würde dieser dem Beteiligungsabzug unterliegen; eine Hürde, welche jedoch in den wenigsten Fällen erreicht wird. Kauft hingegen die Zielgesellschaft selber Aktien zwecks Kapitalherabsetzung zurück, so gilt dies für den Investor nicht mehr als Kapitalgewinn, sondern als Liquidationsdividende, welche zwar grundsätzlich ebenfalls steuerbaren Ertrag darstellt, jedoch bereits ab einer Beteiligungshöhe von 2 Mio Fr. dem Beteiligungsabzug unterliegt und damit mehrheitlich von der Besteuerung befreit ist.
Im vorliegenden Fall könnten die Interessen der beiden Investorengruppen durch den Rückkauf von Aktien über eine zweiten Handelslinie sowie ein anschliessendes öffentliches Übernahmeangebot gelöst werden. In solch einer Konstellation könnten Privatinvestoren ihre Aktien weiterhin über die Börse (an institutionelle Investoren, welche ihre Beteiligung vor dem Verkauf über die zweite Handelslinie auf über 2 Mio Fr. aufstocken) oder im Rahmen des öffentlichen Rückkaufangebotes verkaufen und so einen steuerfreien privaten Kapitalgewinn erzielen. Die institutionellen Investoren wiederum könnten ihre Aktien über die zweite Handelslinie zwecks Kapitalherabsetzung verkaufen und eine Liquidationsdividende erzielen, welche dem Beteiligungsabzug unterliegt. Für den grössten Teil der Aktionäre würde somit die Möglichkeit bestehen, sich steueroptimiert aus der Gesellschaft zurückzuziehen.
In der Praxis finden sich neben den zwei beschriebenen Aktionärsgruppen natürlich noch weitere Investoren, mit nochmals unterschiedlichen steuerlichen Hintergründen. Basierend auf all diesen Gruppen und ihrer Beteiligungshöhe an der Gesellschaft gilt es nun die Transaktion so zu gestalten, dass schlussendlich für alle beteiligten Investoren ein Optimum erreicht wird. Dabei können weitere Instrumente, wie beispielsweise Put-Optionen zwecks Kapitalherabsetzung, eingesetzt werden, um die erwünschten Resultate zu erzielen.
Sorgfältige Planung erspart spätere Probleme
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die verschiedenen steuerlichen Aspekte der beteiligten Parteien eine Herausforderung darstellen, welche jedoch bei frühzeitiger und sorgfältiger Planung gelöst werden kann. Aus Sicht des Käufers ist insbesondere zu beachten, dass sich eine steuerliche Optimierung auch für ihn auszahlt, da der Angebotspreis für die auszukaufenden Aktionäre im besten Fall deren Ertrag nach Steuern darstellt und somit entsprechend tiefer angesetzt werden kann, ohne dass die Erträge der Investoren steuerlich geschmälert werden. Bei Annahme eines Transaktionsvolumens von mehreren 100 Mio Fr. und einer Steuerbelastungen von bis zu 40% (Verkäufer) kann die Ersparnis, welche der Käufer erzielen kann, beträchtliche Dimensionen annehmen,
Going-Private-Transaktionen sind heute für kleinere bis mittlere Unternehmen nach wie vor interessant. Das vermutlich auf den 1. Juli 2004 in Kraft tretende Fusionsgesetz unterstützt dabei die vielen Möglichkeiten, mittels eines Going Private neue Strukturoptimierungen zu finden, da Reorganisationen steuerlich vereinfacht werden. Dieses neue Potenzial gilt es zu nützen. Falls Going-Private-Transaktionen auch aus steuerlicher Sicht frühzeitig und sorgfältig geplant und begleitet werden, kann eine echte «Win-Win»-Situation für Käufer und Verkäufer geschaffen werden, welche den Rückzug aus dem «Schaufenster» für alle Beteiligten versüssen kann.
Barbara Brauchli, Partnerin Steuer- und Rechtsberatung, PricewaterhouseCoopers Zürich; Jürg Niederbacher, Manager Steuer- und Rechtsberatung, PricewaterhouseCoopers, Zürich.
Megamergers der letzten zehn Jahre
Wichtigste Fusionen und Übernahmen im Industriebereich 1993-2003
Jahr Käufer Übernommenes Umsatz1 Beschäf-
Unternehmen (in Mio Fr.) tigte
2003 Xstrata 2873 5400
MIM-Bergbaukonzern * *
2003 Nestlé 89160 254199
Dreyers Grand Ice 1985 *
2003 Zimmer Corp. 2015 3600
Centerpulse 1470 3407
2003 Rewe AG 37000 131765
Bon-appétit-Gruppe 3172 5018
2002 Nestlé 84698 229765
Chef America Inc. 1080 1700
2002 Texas Pacific Group * *
Gate Gourmet (SAir) 3200 26000
2002 Candover Investment * *
Swissport 1200 13000
2001 Nestlé 81422 224541
Ralston Purina 4400 *
2001 Groupe Fabrication 5000 30000
Sulzer Infra 1500 5100
2001 Compass Group 18000 250000
Selecta-Gruppe 827 3790
2000 Carlsberg 5194 21906
Feldschlösschen-Gruppe 1093 2600
2000 Richemont 23155 28774
Les Manufactures Horlogères 350 1363
1999 Adecco 15308 16000
Olsten Group/USA 4495 4200
1999 Swisscom 10461 21946
Debitel/D 2365 2040
1998 Deutsche Post 22251 266823
Danzas 6910 15933
1997 Roche 15966 48972
Boehringer-Mannheim/D 1500 9300
1997 Migros 16097 52327
Globus-Konzern 1803 6159
1996 Ciba 20699 84077
Sandoz 15244 49882
1996 Adia 3700 5000
Ecco 4900 5000
1995 Elektrowatt AG 4943 18209
Landis & Gyr 2400 15868
1994 Hoffroche 14315 56082
Syntex/USA 2730 9000
1993 Alusuisse-Lonza 6547 25249
Lawson Group/CND 1470 7400
1 im jeweiligen Jahr der Übernahme; *keine Angaben
Quelle: «HandelsZeitung»
Steueraspekte bei M&A
Jede Going-Private-Transaktion ist, basierend auf den spezifischen Gegebenheiten, einzigartig, was insbesondere aus steuerlicher Sicht enorme Chancen und Risiken mit sich bringt. Dabei geht es nicht nur um die sorgfältige Planung des zukünftigen Schuldendienstes und der zukünftigen Finanzströme, sondern speziell auch um die steuerliche Optimierung einer allfällig notwendigen Umstrukturierung sowie um eine möglichst steuereffiziente Gestaltung der Übertragung der Aktien aus Sicht der auszukaufenden Aktionäre.