Knapp acht Monate nach dem Markteintritt verfügt Tchibo in der Schweiz bereits über acht Filialen in Basel, Biel, Emmenbrücke, Luzern, Rapperswil, Solothurn, Wetzikon und Winterthur. In den nächsten Monaten soll es in ähnlichem Tempo weitergehen, bis ein Netz von 50 bis 60 Läden über die ganze Schweiz gestrickt ist. «Wir wollen nur die besten Standorte», erklärt Harald J. Meyer, Direktor der Tchibo Schweiz und zieht eine positive Zwischenbilanz. «Die Umsätze entwickeln sich nach Plan.»
Das Tchibo-Konzept beruht auf drei Säulen: Dem Verkauf von Röstkaffee und von wöchentlich wechselnden Non-Food-Artikeln einerseits sowie einer Kaffeebar andererseits. Beim Betreten eines Tchibo-Geschäfts etwa am Schwanenplatz in Luzern stechen dem Kunden die mit Sportwäsche, Küchenzubehör, Uhren und Schmuck, Gartenartikeln und Unterhaltungselektronik prall gefüllten Gestelle zuerst ins Auge. Er wähnt sich in einem bunten Gemischtwarenladen und weniger in einer Kaffeebar. Tatsächlich sind die zu Schleuderpreisen angebotenen Non-Food-Artikel weitaus das wichtigste Standbein von Tchibo und steuern zwei Drittel zum Umsatz bei.
Das Tchibo-Konzept erinnert an die einstigen, jedoch wieder von der Bildfläche verschwundenen Eduscho-Shops, und dies nicht ganz zufällig: Eduscho ist nämlich vor einigen Jahren von Tchibo geschluckt worden. Hinter dem fernöstlich klingenden Namen steckt brave deutsche Tradition und Gründlichkeit. 1949 hatte Tchibo-Gründer Max Herz die Idee, ein Pfund Kaffee mit der Post zu verschicken. Daraus wurde von Hamburg aus ein Weltkonzern. Zur Tchibo Holding AG gehört heute neben der Sparte Kaffee auch eine 30%-Beteiligung am Nivea-Hersteller Beiersdorf.
Ein weiteres starkes Bein war bis vor kurzem das Tabakgeschäft. Im März dieses Jahres wurde aber eine 76%-Beteiligung an den Reemtsma-Zigarettenfabriken an die britische Imperial Tobacco Pic verkauft. Der Tchibo-Konzern bis heute zu 100% im Familienbesitz der zweiten und dritten Herz-Generation tätigte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,39 Mrd Euro und einen Gewinn von 687 Mio Euro, was einer fetten Umsatzrendite von 12,9% entspricht.
Erfolgreich auch im Online-Geschäft
Tchibo verfügt heute über ein dichtes Netz von 850 Kaffeehäusern in Deutschland und 160 in Österreich. In diesem Jahr wurden mit England und der Schweiz zwei neue Länder ins Visier genommen. Darüber hinaus beliefert Tchibo den Fach- und Lebensmittelhandel in Deutschland und Osteuropa mit Röstkaffee. Unter anderem vertreibt Tchibo die Kaffeemarke des Weltlabels Davidoff. Erfolgreich läuft auch das Versandgeschäft über traditionelle Kanäle und das Internet.
Die Tchibo-Filialen mögen dem strengen Vergleich mit trendigen neuen Kaffeeketten nicht ganz standhalten. Gastroexperte Michael Hostmann will bei Tchibo gar nicht erst von einer Kaffeebar reden. «Die Tasse Kaffee ist da bloss Mittel zum Zweck, den Kunden länger an den Laden zu nageln.» Doch gerade in diesem Mix aus Kaffee und Kaufen scheint das Erfolgsgeheimnis der Deutschen zu liegen. Jedenfalls erfüllt Tchibo damit genau jenes Kriterium, das Hostmann bei anderen Kaffeeketten bemängelt. «Die Kosten sind einfach zu hoch in der Schweiz, um an Top-Standorten den ganzen Tag nur Kaffee zu servieren», gibt er mit Blick etwa auf Starbucks zu bedenken.
Auch Johanna Bartholdi, Geschäftsführerin des Schweizer Cafetier-Verbandes, taxiert Tchibo nicht als Kaffeehaus. Zu den echten Cafés zählt sie jene Betriebe, die mindestens 40% ihres Umsatzes mit dem Kaffeeausschank erzielen, in der Schweiz also rund 2100 Lokale. Tchibo könnte trotzdem Mitglied beim Verband werden. «Willkommen ist bei uns jeder, der die Kaffeekultur pflegt», begründet Bartholdi. Die traditionellen Cafetiers könnten von Tchibo bestens lernen, zum Beispiel wie man Zusatzumsätze generiere. Trotzdem hat Bartholdi ihre Bedenken, ob Tchibo die deutsche Erfolgsstory in der Schweiz wiederholen kann. Eduscho sei mit ähnlichem Konzept vor gar nicht so langer Zeit klar gescheitert.
Solche Skepsis kümmert Tchibo-Chef Meyer wenig. Er stützt sich auf eigene Marktforschungen und sagt: «Die Schweiz ist heute reif ist für das Tchibo-Konzept.»
Lehrbeispiel für Cafetiers
Fragt sich nur, ob auf dem gesättigten Markt prinzipiell noch Platz ist für weitere Kaffeeketten. Während Hostmann diesbezüglich eher schwarz sieht, räumt Bartholdi die besten Chancen jenen Kaffeeketten ein, die ein starkes Mutterhaus im Rücken haben. Starbucks etwa erschliesse ein trendiges, junges Publikum und sorge in diesem Sinne für Markterweiterung, von der auch die traditionellen Cafetiers profitieren könnten.
Am erfolgreichsten aller Kaffeeketten operierte bisher Spettaccolo von der Valora-Gruppe. Sie avancierte mit inzwischen 22 Lokalen schnell zum grössten Player. Die Kioske, an welche die Spettacoli in den Bahnhöfen und in den Einkaufszentren gekoppelt werden, erleichterten die Standortsuche. «Wir konnten von allem Anfang an schwarze Zahlen schreiben», so Valora-Sprecherin Stefania Misteli. Jetzt soll auch Deutschland und Luxemburg erobert werden, und in der Schweiz sind bis 2005 fünfzig Lokale geplant.
Auch starbucks und Nannini im Vormarsch
Optimismus herrscht auch bei Starbucks. Christoph Richterich von der Medienstelle erklärt, das Schweizer Publikum reagiere sehr gut auf das amerikanische Konzept. Zu den jetzt 12 Lokalen sollen in den nächsten Monaten 5 weitere hinzukommen.
Auch Nannini, die Kaffeekette des italienischen Autorennfahrers Alessandro Nannini, die in der Schweiz von Globus aufgezogen wird, ist in Fahrt gekommen: In Luzern, St. Gallen, Wädenswil und Wil sind vier Lokale in Betrieb, allesamt in ehemaligen ABM-Häusern, zusammen mit der Modekette Oviesse. Bis Ende Jahr sollen 8 Nannini offen sein. Ziel seien 20 Cafés, erklärt Geschäftsleiter Felix Christen. Er räumt ein, dass die Standortsuche einfach sei, solange man auf ehemalige ABM-Häuser setzen könne.
Ganz ähnlich wie Spettacolo zielt auch Nannini auf Italianità, während Starbucks und Aroma, die Kaffeekette von McDonald's, auf der amerikanischen Linie liegen. Mit erst drei Lokalen in Zürich, Basel und Bern ist Aroma bisher nicht richtig vom Fleck gekommen. «Wir sind eben nicht bereit, für neue Standorte jeden Preis zu bezahlen», begründet McDonald's-Sprecherin Andrea Hemmi das gemächliche Tempo.
Entscheiden könnte sich der Wettbewerb der Kaffeeketten letztlich mit der Frage, ob das Schweizer Publikum mehr der italienischen oder der amerikanischen Kaffeekultur zuneigt. Vielleicht werden Prosecco, Dolci, Panini und Gelati den Ausschlag geben. Oder ganz einfach Alkohol und Nikotin, auf die bei Starbucks verzichtet werden muss.