Die Warnung ist immer deutlicher zu vernehmen: Die Rohstoffhausse der vergangenen Jahre nähert sich ihrem Ende. Mehr als das Strategen weisen sogar unverhohlen darauf hin, dass die Party mit einem grossen Knall enden könnte.

«Wenn die Preise erst mal ins Rutschen kommen, wird das Ausmass dramatisch sein», äussert sich etwa Alain Bokobza, Stratege bei der französischen Grossbank Société Générale (SG). Seiner Einschätzung nach könnte der Rohstoffboom ähnlich verheerend mit einem Crash enden wie die Hightech-Rally an der Nasdaq zur Jahrtausendwende. «Die Rohstoffnotierungen legten zuletzt einen ähnlich exponentiellen Wertzuwachs an den Tag wie die Aktienkurse an der Nasdaq vor der Jahrtausendwende», merkt Bokobza an. Bereits jetzt erinnert die Preisentwicklung bei Kupfer fatal an die Kursentwicklung der Technologieaktien im Frühjahr 2000. Und analog zur Nasdaq rechnen die Profis auch hier mit Preiseinbrüchen von bis zu 62%.

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Der längste Zyklus in 30 Jahren

Nachdenklich stimmt den Auguren auch, dass die Zukunftserwartungen an die Rohstoffpreise immer überschwenglicher geworden seien. Für ein böses Ende spricht nach seiner Meinung, dass der derzeitige Rohstoffzyklus mit einer Dauer von 55 Monaten der längste und neben der Verdopplung der Preise über alle Rohstoffklassen hinweg der kräftigste seit drei Jahrzehnten ist. Anleger sollten die Einschätzung der SG-Strategen nicht auf die leichte Schulter nehmen, haben die Franzosen doch auf dem Gebiet einen Ruf zu verlieren.

Schliesslich gehörten sie zu den Ersten, die korrekt ein dauerhaft höheres Ölpreisniveau vorhersagten. Nun blasen sie langsam zum Ausstieg, zumal Rohstoffe auch ihre Rolle als Depot-Diversifikator eingebüsst haben. «Aktuell bieten Rohstoffe keine nennenswerte Risikoreduzierungen mehr für ein diversifiziertes Portfolio», konstatiert Bokobza. Seine Begründung: «Rohstoffe weisen heute eine so hohe Korrelation mit anderen Asset-Klassen auf wie noch nie.» Tatsächlich ist dieser Gleichklang der Wertentwicklung steil angestiegen und liegt nach seinen Angaben mittlerweile bei rund 40%. Vor fünf Jahren rangierte er noch bei null oder war sogar negativ damals stiegen die Rohstoffpreise, wenn die Aktienkurse fielen und umgekehrt.

Auch die hohe Schwankungsanfälligkeit der Rohstoffnotierungen trägt nicht dazu bei, Ruhe ins Depot zu bringen. Vielmehr sind Commodities nach SG-Berechnungen von 18 Asset-Klassen die zweitriskanteste, nur übertroffen von hochvolatilen Schwellenland-Aktien. Die jüngsten Turbulenzen an den Börsen scheinen dies zu bestätigen. Von dem Abwärtstrend wurden seit Mitte Mai nicht nur Dividendentitel erfasst, sondern auch Rohstoffe, allen voran Gold und Silber. Die einzige Beruhigung für Rohstoffanleger: Der grosse Crash steht nach Überzeugung der SG-Experten nicht unmittelbar bevor, sondern ist vielmehr erst für 2007 zu erwarten. Nach der Korrektur im Frühjahr dürften die Preise zunächst sogar noch einmal eine Zwischenerholung erleben. Erst kommendes Jahr dürften die Metalle Palladium, Nickel, Silber und Zink dann zwischen 40 und 60% an Wert verlieren. Bei Gold und Rohöl könnte der Kurszerfall immerhin rund 30% betragen.

Rohstoff ist nicht gleich Rohstoff

Doch nicht alle Strategen sind davon überzeugt, dass die Rohstoffmärkte einen Kollaps erleben: «Sicherlich kann es bei Kupfer und anderen Industriemetallen 2007 zu einem Preisrückgang kommen. Es wäre aber ein Fehler, sämtliche Commodities über einen Kamm zu scheren», meint Michael Lewis von der Deutschen Bank. Während Lewis im Hinblick auf eine drohende Rezession in den USA mit Schwächen auf dem Markt für Industriemetalle rechnet, sieht er die Kurse der Edelmetalle weiter steigen. Auch Erdöl sieht er nie mehr auf 20 Dollar pro Fass fallen: «Man mag es Superzyklus nennen oder nicht das strukturelle Umfeld hat sich geändert. Das spricht für dauerhaft hohe Rohstoffpreise.»