Rund 20% aller Familienunternehmen werden in den nächsten fünf bis sechs Jahren übertragen, verkauft oder liquidiert. Eine immense Zahl, wenn man bedenkt, dass allein in der Schweiz rund 300000 KMU tätig sind. Erstaunlicherweise steht aber bei den meisten Unternehmern nicht die Frage der Nachfolge geregelt oder unerwartet im Vordergrund, sondern die Sorge um die (zu) hohe Bindung der eigenen Mittel im Unternehmen und das Risiko eines schlechten Geschäftsgangs.
Die klassische Nachfolgeregelung, wenn sie überhaupt systematisch erfolgt, setzt meist beim Unternehmen und dessen Optionen ein. Fein säuberlich werden dabei die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen aufgelistet. Sehr oft ist eine der Varianten offensichtlich oder ist so weit vorgespurt, dass die anderen Optionen nur beiläufig untersucht werden. Verschiedene Spezialisten erarbeiten dann Unternehmensbewertungen, Finanzierungsvorschläge und Verträge. Dabei ist das «System» Familie viel komplexer als gemeinhin angenommen. Es besteht aus den drei Themenkreisen:
- Besitz/Finanzen/Beteiligungen/ Interessen;
- Unternehmen/Markt.
Es wird massgeblich mitgeprägt durch die existierenden Wertvorstellungen, die Haltung des Patrons und den Zeitfaktor.
Der Neuanfang ist schwierig
Der einzig richtige Ansatzpunkt liegt beim Patron selbst und dessen persönlicher Strategie. Der Patron muss sich klar sein, welche Rolle er nach der Übertragung spielen will und kann. Er muss sich auch klar sein, wie er mit zukünftigen Veränderungen in «seinem» Unternehmen umgehen kann. Er muss loslassen können, und er muss schlussendlich wieder einen Lebensinhalt und eine soziale Position haben, welche seinen Fähigkeiten und seinem Naturell entspricht. Und daneben muss die finanzielle Situation geregelt und gesichert sein.
Der Neuanfang ist schwerer als das Loslassen. Der Sprung ins Ungewisse, der Mut und die Bereitschaft, Neues zu lernen sind anspruchsvoll. Und das alles in einem neuen Umfeld mit neuen Beziehungsmustern zum persönlichen Kontext, zum Freundeskreis oder zum Lebenspartner. Ein externer Begleiter kann in einer solchen Phase wertvolle Dienste leisten. Er wird Themen ansprechen, welche bis anhin tabu waren:
- Womit beschäftige ich mich nach dem Rückzug aus dem Unternehmen und wo hole ich mir meine persönliche Befriedigung?
- Wie gehe ich damit um, wenn meine Nachfolger das Unternehmen in einer ganz anderen Form führen, als ich das getan habe oder wenn sie gar erfolglos sind?
- Welche persönlichen Netzwerke (Freunde, Klubs, Vereinigungen) tragen mich auch in Zukunft und mit wem habe ich freundschaftliche Kontakte?
- Wie gestalte ich die Zukunft zusammen mit meiner Frau und meiner Familie?
- Was hätte ich immer schon gerne einmal gemacht?
- Welche «Baustellen» sollte ich endlich aufräumen und «Frieden machen»?
- Wie sieht die finanzielle Situation (Einkommen/Ausgaben, Vermögen/Verpflichtungen) aus?
- Welche Vorstellungen vom Vermögenserhalt oder von der Übertragung zu Lebzeiten habe ich?
- Wer berät mich umfassend und unabhängig, und wer ist auch in kritischen Zeiten für mich und meine Familie da?
Klärung von Positionen und Konflikten
Wer jetzt gleich in Optionen und deren Vor- und Nachteilen denkt, wird erleben, dass sich diese zwar auf dem Papier darstellen, in der Realität aber nicht umsetzen lassen. Das «System» Familie benötigt meistens noch eine Zwischenphase: Die Klärung. Positionen der einzelnen Protagonisten müssen geklärt und bestehende Spannungen und Konflikte gelöst werden. Es lohnt sich, darüber zu sprechen. Sonst entladen sich diese dann beim Streit um einzelne Paragraphen in den Verträgen.
Die Zwangsgemeinschaft «Familie» und deren oft unterschiedliche Interessenten, gepaart mit Emotionen, erschweren rein sachliche Lösungen. Spezialisten aus den Bereichen Recht, Steuern und Finanzierung neigen in dieser Phase dazu, sehr rasch auf die sachlichen Themen zu kommen. Und wundern sich dann, wenn der Notariatstermin platzt oder die Tochter sich in letzter Minute doch weigert, zu unterschreiben. Ein externer Moderator kann diesen Prozess viel besser steuern und wenn nötig auch kontrolliert eskalieren lassen.
Nachfolgeoptionen und deren Vorbereitung
Wenn die Positionen bezogen und geklärt sind und wenn die einzelnen Parteien ihre Vorstellungen geäussert haben, können erste Optionen erarbeitet werden. Spätestens in dieser Phase muss klar kommuniziert werden, wenn Sohn oder Tochter als nicht geeignet für die Nachfolge oder die Ansprüche der nicht im Betrieb tätigen Geschwister an den zukünftigen Inhaber als überrissen betrachtet werden. Die Konstruktion von Optionen um halbherzige Lösungen herum ist wenig sinnvoll. So wird es weder für den ungeeigneten Sohn resp. die Tochter noch für das Unternehmen sinnvoll sein, wenn diese die Nachfolge übernehmen. Sehr viel zweckmässiger ist es, für alle eine gute Lösung zu finden auch wenn diese im Moment schmerzt. Eine Unternehmensbewertung zu diesem Zeitpunkt mag zweckmässig sein. Zu oft aber verführen die Zahlen zu unsinnigem Feilschen.
In diese Phase gehört auch die strategische Vorbereitung des Unternehmens auf die Übergabe. So sind Mittelentnahmen langfristig zu realisieren, Pensionskassenlösungen sorgfältig aufzusetzen und allfällige neue Geschäftsfelder gezielt aufzubauen oder vorzubereiten. Wünsche und Realitäten sind sorgfältig auseinander zu halten. Zu oft sind die Vorstellungen des Seniors und seiner Gattin nicht deckungsgleich mit denen der Nachfolgegeneration. Es empfiehlt sich auch, verschiedene Alternativen zu erarbeiten und diese allenfalls parallel weiterzuentwickeln.
Das Spannungsfeld von langfristiger Planung und kurzfristig notwendigen Sofortmassnahmen ist dem Unternehmer bestens bekannt aus seiner Firma. Er wird dort alles daran setzen, eine gute Balance zu finden. Mit der Umsetzung im persönlichen Umfeld tut er sich aber oft schwer. (Unangenehme) Entscheide werden immer wieder aufgeschoben oder Alternativen nicht weiterverfolgt. Am Tag X muss dann das Unternehmen weit unter seinem Preis an einen unsympathischen Nachfolger veräussert werden. Und in der Familie herrscht dicke Luft, weil sich alle gegenseitig die Schuld zuschieben. Der Unfalltod eines Patrons, so unwahrscheinlich er ist, muss von Anfang an geregelt sein im Interesse des Unternehmens und der Familie.
Die Zeit danach
Die erfolgreiche Übertragung eines Unternehmens an die nachfolgende Generation oder einen anderen Nachfolger eröffnet dem bisherigen Unternehmer oft völlig neue Möglichkeiten. Nicht selten verfügt dieser nun über beträchtliche finanzielle Mittel und eine zeitliche und geografische Ungebundenheit. Er sucht nach neuen Lebensinhalten, welche auch nicht zwingend Erwerbseinkommen generieren müssen. Philanthropische Überlegungen kommen ins Spiel, der Wunsch etwas «Gutes zu tun» oder «Spuren zu hinterlassen». Natürlich gibt es auch die Rastlosen, welche sich als «Neuunternehmer» versuchen oder den Traum vom eigenen Restaurant oder Hotel realisieren. Eine zunehmende Anzahl von vermögenden Privatpersonen verspürt aber einfach den Wunsch, mit ihren Mitteln noch etwas Besseres zu tun, als nur Aktien zu kaufen und Golfferien zu finanzieren. Sie wollen Talente fördern, jungen Unternehmern helfen, Benachteiligte oder spannende Projekte unterstützen.
Wertschriftenanlagen für den Vermögenserhalt
Bei den reinen Wertschriftenanlagen steht der Vermögenserhalt im Vordergrund, kombiniert mit einer Prise Spass und Unternehmertum. Je nach Einkommens- und Vorsorgesituation umfassen solche Portfolios neben einem sicheren Modul mit Immobilien und Festverzinslichen auch ein Wachstumsmodul mit klassischen, gut diversifizierten Aktien. Ein kleiner Teil des Vermögens wird dann aber auch sehr aktiv angelegt: In Privatbeteiligungen, Tradingtiteln oder anderen Anlagen mit höherem Risiko. Bei diesen steht oft der pure Spass im Vordergrund, verbunden mit dem Wunsch, erfolgreich zu sein. Die unternehmerischen Erfahrungen und Beziehungen aus den letzten Jahren widerspiegeln sich in den Anlagen, im Reporting und in der Zusammenarbeit mit den Finanzdienstleistern. Die strategische Vermögensallokation muss zwingend alle Anlagen umfassen und regelmässig angepasst werden.
Viele erfolgreiche Unternehmer sind oft von einer Vielzahl qualifizierter Spezialisten umgeben. Diese lösen ihre Fachaufgaben einwandfrei. Nur sind die wenigsten auch Spezialist für den Unternehmer als Mensch. Hier kann ein Generalist mit einem Netz von Spezialisten gute Dienste leisten. Der Generalist als «persönlicher CFO» übernimmt die Rolle eines engen Vertrauten oder wächst in diese hinein. Er koordiniert die Spezialisten, entlastet den Unternehmer, begleitet diesen und seine Familie durch den Prozess und ist auch in Notsituationen da. Und dabei ist er völlig unabhängig und wird ausschliesslich durch den Unternehmer entschädigt. Diese Kosten macht er aber mehr als wett, indem er für seinen Mandanten günstige Konditionen aushandelt.
Peter Schuppli, Managing Partner, Cotton Field Family Office AG, Zürich.
Risikofallen («Traps») bei der Unternehmensnachfolge
Familie
- Alleinentscheide des Unternehmers.
- Verdrängung der Thematik und der damit verbundenen Fragen.
- Unrealistische Lösungen (und personelle Besetzungen) ohne Alternativen.
- Falsche Einschätzung der Fähigkeiten möglicher Nachfolger.
- Persönliche oder finanzielle Partikularinteressen.
- Nicht «loslassen» können.
- «Schwarzes Loch» nach dem Ausscheiden aus der Unternehmung.
Finanzen
- Ungenügende Vorsorgeplanung.
- Ungenügende oder übertriebene Steuer- und Vermögensplanung.
- Schlechte Ertragslage des Unternehmens.
- Unrealistische Preisvorstellungen.
Beratung
- Langjährige Bekannte statt unabhängige Externe.
Unternehmen
- Wenig zukunftsgerichtete Organisation/keine nachfolgefähige Lösung.
- Ungenügende, verfrühte oder verspätete Kommunikation.
- Verschiedene bereits erfolgte, aber unzweckmässige Nachfolgelösungen.