Die kleinen Produktionshallen erinnern an Schaufenster teuerster Uhrenboutiquen, liegen doch renommierte Namen Seite an Seite eng nebeneinander. Statt Uhren sind es allerdings Zifferblätter, die da zu finden sind. Zudem trügen die aufgedruckten Herstellernamen, denn die Produktion der Zifferblätter ist weniger Sache der Uhrenfabriken, sie liegt vielmehr fest in den Händen von spezialisierten Zulieferern.
Zifferblätter müssen vor allem ästhetischen Kriterien genügen, sodass bei allen Herstellern visuelle Effekte im Vordergrund stehen, welche sie mit ihren Produktionsmethoden erreichen können. Und wenn auch praktisch überall dieselben Grundtechniken, Décalque und Appliken verwendet werden, gibt es dennoch eine faszinierende Vielfalt von Fertigungsverfahren, um die Grundplatine, meist aus Kupfer oder Messing, zu formen und zu beschichten.
Bei der Décalque werden Minuteneinteilung, Ornamente und Beschriftungen aufs Zifferblatt gedruckt. Der dabei verwendete Tampon, ein abgerundeter, weicher Zylinder, nimmt die Farbe aus den gravierten Vertiefungen des Klischees auf und druckt diese aufs Zifferblatt. Da der Tampon weich und flexibel ist, ist er perfekt geeignet, feine Strukturen auf die unebene Oberfläche eines Zifferblatts zu drucken.
Preise: Von 2 Franken bis zum Tausendfachen
Appliken sind feine, meist mit Verankerungsfüssen versehene Striche, Zahlen und Zeichen, welche aufs fertige Zifferblatt geklebt oder gestanzt werden. So entstehen auch Zifferblätter mit reliefartig hervorstehenden, goldenen Stundenzahlen.
Einfachere Zifferblätter, wie sie beispielsweise in Uhren Verwendung finden, die Namen amerikanischer Designer tragen, werden in Asien hergestellt und kosten ab Fabrik maximal 2 Fr. Als Beispiel vom anderen Ende der Preisskala kann ein kompliziertes, handgemachtes Cloisonné-Zifferblatt dienen, welches ab Manufaktur knapp tausenmal mehr kostet.
Schweizer und ausgewählte deutsche Zifferblatthersteller besetzen eine enge Nische: Zifferblätter für Uhren aus dem oberen und höchsten Preissegment. Da es aber auch in dieser Nische enger wird, spezialisieren sich die Anbieter, wie drei Beispiele zeigen.
Gerhard Schätzle: Es geht nichts über Klassik
Die Zifferblattfabrik Gerhard Schätzle, unmittelbar hinter der deutschen Grenze bei Basel domiziliert, produziert weit gehend in klassischer Manier. Das ausgestanzte Messingblech wird mit Füsschen versehen, welche das Zifferblatt im Uhrwerk verankern. Wenn nötig wird hydraulisch ein Relief gepresst, die Oberfläche grundiert, mit dem Tampon bedruckt und gegebenenfalls mit Appliken verziert. Die Spezialität des Hauses sind mit einer 300-t-Presse hergestellte Reliefzifferblätter, die aussehen, als ob sie von Hand guillochiert worden wären. Zudem ist man stolz darauf, auf Wunsch auch sehr flexibel und schnell ganze Sondereditionen zu fertigen.
Liss: Nicht mehr alles allein aus der Schweiz
Bei Liss AG Grenchen, Pieterlen, wurde eine ganz eigenständige Methode entwickelt, um Platinen für Zifferblätter auf den Nanometer exakt herzustellen. Die Firma verbindet das fehleranfällige, aufwendige Kunsthandwerk, die Herstellung der Mutterwerkzeuge in der Schweiz, mit Hightech-Massenfertigung in der tschechischen Tochtergesellschaft. Die Fertigungsmethode besticht nicht nur durch ihre Feinheiten, sie produziert auch vollkommen verschleissfrei, sodass das erste und das letzte Zifferblatt einer noch so grossen Serie absolut identisch sind.
Donzé Cadrans: Liefert auch Einzelanfertigungen
Donzé Cadrans SA in Le Locle geht ganz eigene Wege, sie ist eine reine Manufaktur, die auch Einzelanfertigungen herstellt. Die hauseigene Spezialität sind traditionelle Emailzifferblätter für Armbanduhren und äusserst aufwendige Cloisonnées. Als einzigartiger Spezialist kann man es sich zudem leisten, dass ein Kunde einige Monate wartet, bis seine Zifferblätter geliefert werden.
In der Schweiz werden vor allem im teureren Sektor immer weniger Uhren hergestellt. Das zeigen die offiziellen Statistiken. Die Uhrenhersteller können die sinkenden Stückzahlen hingegen oftmals mit besseren Margen kompensieren. Da sie herauszuhören ist eine leise Kritik an den Hauptmarken den Mehrumsatz aber nicht an ihre Zulieferer weitergeben, stehen die Zifferblatthersteller unter starkem Margendruck. Dennoch ist es beeindruckend, wie sich die stark spezialisierten Zulieferer behaupten, um den Uhren ihrer Kunden zu einem unverwechselbaren Gesicht zu verhelfen.
Vielleicht wäre auch eine Vorwärtsstrategie der Zulieferer angebracht, etwa ein gemeinsamer Marktauftritt. Die Zifferblatthersteller brauchen ihre Spezialitäten nicht zu verstecken, ein etwas offensiverer Marktauftritt könnte helfen, die Probleme der Zulieferer besser zu verstehen.
Zeitzeichen
«Die Zeit ist ein guter Arzt, aber ein schlechter Kosmetiker.»
William Somerset Maugham, 1874-1965, englischer Dramatiker
Zulieferer: Wichtig, aber fast allesamt unbekannt
Die wichtigsten Hersteller von Zifferblättern sind zum Teil kleine oder kleinste Unternehmen. Die hier aufgeführte Zusammenstellung (Quelle: Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie FHS) deckt alle Sparten der Zifferblätter ab, sie erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
ArteCad SA, Tramelan; Cadrans Design SA, La Chaux-de-Fonds; Donzé Cadrans SA, Le Locle; Erma SA, Boécourt; Eurocadres Sàrl, Vevey; Fabbrica Quadranti SA, Novazzano; Fehr & Cie SA, La Chaux-de-Fonds; Fraporlux Swiss SA, Pruntrut; Gemmes-Tech SA, Chavannes-près-Renens; Les Cadraniers de Genève SA, Genf; Liss SA Grenchen, Pieterlen; Maître Frères SA, Glovelier; Métallique SA, Biel; Montremo SA, La Chaux-de-Fonds; Natéber SA, La Chaux-de-Fonds; Pierre Galli, La Chaux-de-Fonds; RvK Guillochage SA, Chézard; Siamcad SA, La Chaux-de-Fonds; Stern Créations SA, Branch of Richemont International SA, Genf-Meyrin; Taratec SA, La Chaux-de-Fonds; Vaucher Manufacture SA, Fleurier; Vicro, Pruntrut; Wintraders SA, Chêne-Bourg. (mk)
Zeitzeichen
«Die Zeit heilt alle Wunden aber wer hat heute noch Zeit?»
Gerhard Uhlenbruck, 75, deutscher Immunbiologe
Zifferblätter: Vom alten Handwerk zur hochtechnischen Serienfertigung
Hightech-Zifferblätter
Auf eine Mutterform wird Plastik gespritzt, sodass eine Negativform entsteht. Auf deren Oberfläche werden eine Schicht aus Silber und eine aus Kupfer aufgedampft. Beide Schichten sind wenige Nanometer dünn und bilden die oberste Schicht des Zifferblattes. Um die nötige Stabilität zu erreichen, wird deren Rückseite in galvanischen Bädern mit Kupfer verstärkt. Wird der Boden auf der Drehbank geglättet und das Plastiknegativ von seiner Oberfläche entfernt, ist die Form des Zifferblattes fertig.
Die Oberfläche des Zifferblattes wird mit den üblichen Techniken, Tampondruck, Galvanik oder Appliken verziert. Die Kunst dieses industriellen Herstellungsprozesses liegt in der Entwicklung der jeweiligen Mutterform; dies ist ein anspruchsvolles, diffiziles Kunsthandwerk.
Email-Zifferblätter
In Handarbeit werden die rund geschnittenen Kupferplättchen gewölbt, die Füsse gesetzt und angelötet. Die Wölbung ist notwendig, damit sich das Zifferblatt nicht verformt, wenn es den hohen Temperaturen im Brennofen ausgesetzt wird.
Fürs Emaillieren werden Vor- und Rückseite mit Leim bestrichen und der kieselsaure Sand durch ein feines Sieb aufgestäubt. Bei 800 Grad verbrennt der Leim mit einer Stichflamme und der Sand schmilzt zu einer glasigen Emailschicht. Bevor man die letzte der drei bis fünf Schichten brennt, werden alle Verunreinigungen, die durch Russ und Staubpartikel entstanden sind, aus der Oberfläche des Zifferblattes ausgekratzt und mit Sand gefüllt, sodass nach dem vorläufig letzten Brennvorgang eine perfekte, spiegelglatte Fläche entsteht.
Mit einem Tampon wird die Minuteneinteilung aufgedruckt und im Ofen fixiert. Vor dem Auskühlen kann das Zifferblatt noch flach gedrückt werden.
Bei einfacheren Zifferblättern werden anschliessend mit Diamantbohrern die nötigen Löcher und Fenster gebohrt und ihr Rand abgeschliffen, bis der gewünschte Durchmesser erreicht ist. Neben kreisrunden werden auch eckige Formen hergestellt. Wenn nötig werden Indexe und Zahlen oder Edelsteine aufs fertige Zifferblatt aufgetragen.
Für ein Chronographen-Zifferblatt kann für den Minutenzähler ein zweites, kleineres Zifferblatt in die entsprechende Aussparung des grösseren montiert und angelötet werden. Sehr aufwendige Emailzifferblätter bestehen sogar aus mehreren, sich überschneidenden Zifferblättern.
Cloisonnées
Die Cloisonnage ist eine Spezialform des Emaillierens. Mit der Pinzette werden mit Draht die Umrisse der Dekoration geformt und in einer ersten Emailschicht fixiert. Die entstandenen Felder können nun mit farbigem Email gefüllt werden. Die Oberfläche des entstandenen Bildes wird mit Bimsstein geschliffen und mit einer durchsichtigen Emailschicht versiegelt. So entsteht ein farbiges Bild mit klaren, abgesetzten Konturen.
Für die Grundplatine und Drähte der Cloisonnées kommen Kupfer, Silber oder Gold zum Einsatz. Diese kann mit Reliefs und Mustern verziert werden, welche zusammen mit transparenten Emailschichten schillernde Lichteffekte hervorrufen. Die Schritte zur Verzierung und Fertigstellung, Tampondruck und Appliken, sind dieselben wie bei den Emailzifferblättern. (mo)