«Ach, Sie interessieren sich für Mode?», fragt Anthea Davis jeweils die Interessenten. «Erzählen Sie mir doch einmal, wer Creative Director bei Dior ist.» Und wenn dann nicht der Name Kris van Assche wie aus der Pistole geschossen kommt, kann es mit dem Interesse nicht weit her sein. Schliesslich geht es hier um einen der begehrten Plätze in der Ausbildung zum MBA International Luxury Brand Management an der Essec Business School in Paris. Und wem bei Burberry nicht Christopher Bailey einfällt, der hat in der 28  000 Euro kostenden Managementweiterbildung nichts verloren. «Wer zu uns kommt, muss eine Leidenschaft für die Luxusindustrie und ein Gespür für Ästhetik haben», sagt Anthea Davis, die für die Karriereberatung im Rahmen des MBA Luxe verantwortlich ist.

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Das Programm wurde zu Beginn der neunziger Jahre unter der Mitwirkung von Luxuskonzernen wie LVMH und L’Oréal gegründet und bildet Manager aus, die auf die Luxusbranche spezialisiert sind, egal ob es sich um Mode, Schmuck oder Kosmetik handelt.

ALLROUNDER. Auf dem Programm stehen neben einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung die Feinheiten der Branche: Kurse in Önologie oder Gemmologie, Vorlesungen über Luxus und Merchandising Management, Lektionen in Konsumentenverhalten und Brand-Kommunikation. «Die Ausbildung ist so breit, dass unsere 40 Absolventen in jedem Bereich der Luxusindustrie arbeiten können», sagt Davis.

Denis Morisset ist der Executive Director des MBA Luxe und Armani-Mann. Nicht weil er von Kopf bis Fuss entsprechend gekleidet wäre, sondern weil er als gestandener Manager mehrere Jahre im Sold der italienischen Edelmarke stand. Vor fünf Jahren hat er an die Essec gewechselt und bringt dort die Praxissicht ein. «Wir wollen, dass die Studierenden lernen, wie die Luxusindustrie funktioniert», sagt er. Deshalb schickt er sie aus dem Hörsaal in die vollen Läden. So etwa zur «Fieldwork» in die verschiedenen Armani-Boutiquen von Paris. Fieldwork – das Wort ist dem Jargon der Verhaltensforscher entlehnt – bedeutet die Beobachtung eines Studienobjektes in der Realität, egal ob es sich dabei um Affen oder Armani handelt. Die Studenten haben, getarnt als amerikanische oder japanische Touristen, am Wochenende die Luxusboutiquen abgeklappert, um die Markengeheimnisse zu ergründen. Am Montag fragt Morisset in der Vorlesung dann scharf nach: «Was, glauben Sie, ist die höchstpositionierte Marke? Giorgio Armani, Collezione Armani oder Emporio Armani?», «Welche Produkte gibt es in allen Läden?» Bleibt eine Antwort aus, wird Morisset ernst: «Machen Sie Ihre Hausaufgaben, und bereiten Sie sich vor, sonst wissen Sie nicht, worauf Sie achten müssen.» Die Studenten sollen lernen, dass die flotten Marketingstorys der Branche nur die eine Seite sind, dahinter stecken Businessmodelle und Strategien. Morisset erklärt, wie Tom Ford mit Lizenzen aus seinem Namen Gold macht und Ralph Lauren mit seinem Brand rund um den Globus zieht und weshalb die Marke Pierre Cardin im Sinkflug ist.

ENGE KOPERATION. «Wir sorgen dafür, dass die Studenten die Grundlagen des Luxus und die Mechanismen dieses Marktes verstehen», sagt Simon Nyeck, der akademische Direktor des Programms. Die Theorie dazu wird allerdings in engen Grenzen gehalten. «Wir wollen das Programm nicht akademisch überfrachten, sondern es soll praxisbezogen sein», sagt er. Luxusunternehmen, deren Zentralen nur ein paar Metrostationen entfernt sind, arbeiten eng mit dem Studiengang zusammen. Sie schicken Referenten: Jedes Jahr gibt es zwischen dreissig und vierzig Präsentationen oder Diskussionsrunden mit CEO, HR- oder Marketingverantwortlichen. Die Unternehmen schicken nicht nur Leute, sondern präsentieren auch Probleme, die dann von den Studenten in einem zweimonatigen Beratungsprojekt analysiert werden. Die Lösungsvorschläge zählen auch gleich als Abschlussarbeit – und schlagen bisweilen voll ein. Von der Arbeit zweier Absolventen etwa war der Lancel-Chef Marc Lelandais so beeindruckt, dass er sie gleich anheuerte.

«Ein MBA Luxe hat Sinn, weil es kaum eine andere Gelegenheit gibt, in so kurzer Zeit so viel und so konzentriert über die Luxusindustrie zu lernen», sagt Gerald Mazzalvo. Der ehemalige Bally-Boss, der heute als unabhängiger Berater für Markenmanagement in Lugano arbeitet, hat selbst an der Essec unterrichtet und in seiner Zeit als Chef des Schweizer Edelschuhherstellers Leute zur Ausbildung dorthin geschickt.

Tatsächlich kann man die Angebote an Managementweiterbildungen, die auf die Bedürfnisse der Luxusindustrie ausgerichtet sind, an den Fingern einer Hand abzählen. Einen MBA in Luxus gibt es an der Universität von Monaco – stark auf Finanzen und weniger auf das Branding ausgerichtet. An den Eliteunis von Columbia und Harvard kann man einen MBA mit Spezialisierung auf Luxus machen wie auch an der italienischen Universität Bocconi. Der grosse Vorteil des Essec MBA Luxe ist seine Einbindung in die Industrie im Mutterland des Luxus. Die wichtigsten Unternehmen in unmittelbarer Nähe geben den Studenten Einblick in die Realität hinter dem schönen Schein. «Wir sind in der Luxuswelt sehr gut vernetzt», sagt Denis Morisset. Wer es in dieser Welt zu etwas bringen will, sollte seinen MBA in Paris gemacht haben. Das überzeugt selbst Luxusbegeisterte aus den USA. «Weil der MBA bei uns erfunden wurde, hatte ich als Amerikaner erst ein schlechtes Gefühl, dafür extra nach Paris zu kommen», sagt Essec-Student Travis Haglin. Aber man müsse ihn dort machen, wo die wichtigsten Unternehmen seien und man Zugang zu ihnen habe.

Die Nachfrage nach dem MBA Luxe ist gross. Jährlich melden sich 120 Bewerber an, dreimal so viele, wie angenommen werden. Wer es in das Programm schafft, hat im Durchschnitt sieben Jahre Berufserfahrung und ist hoch motiviert.

Nina Schnitter zum Beispiel, die im September die Ausbildung begonnen hat, ist begeistert von der Luxusindustrie. Dabei sind für sie weniger Glanz und Glitter als die Tradition vieler Luxusgüter und deren handwerkliche Qualität wichtig. «Ich finde es faszinierend, Menschen den Traum zu verkaufen, für den Luxusgüter stehen», sagt sie. Auf ein für sie neues Metier will sich Rose Jeong einlassen, die in den letzten Jahren als Händlerin in der Finanzindustrie gearbeitet hat. Jetzt macht sie an der Essec ihren zweiten MBA. «Den will ich haben, damit ich mich auf dem neuen Gebiet auch wirklich sicher fühle», sagt sie.

GESÄTTIGTES EUROPA. Die meisten Studierenden haben bisher in Management, Marketing oder Sales gearbeitet. Nur jeder Siebte kommt aus einem kreativen Beruf und ist etwa Designer, Grafiker oder Architekt. Einige von ihnen wollen sich auf der Finanz- und Marketingseite fit machen, um ihre Freude für gutes Design, Handwerkskunst und hohe Qualität in ein erfolgreiches Geschäft einfliessen zu lassen – sei es ein eigenes oder, wie bei den meisten, ein grosser Konzern, an dessen Erfolgsgeschichte sie mitschreiben wollen. Während in anderen Studiengängen die Begeisterung für eigene Start-ups riesig ist, sind hier die Firmengründer weniger zahlreich. «Ich möchte lieber in einem grossen Unternehmen arbeiten, als die Unsicherheit einer eigenen Firma in Kauf zu nehmen», sagt Sonoko Ando, die im September ihr Studium begonnen hat.

Der nächste Karl Lagerfeld, Giorgio Armani oder Wolfgang Joop hat wahrscheinlich keinen MBA Luxe. Vielleicht aber seine rechte Hand, die für den pekuniären Erfolg verantwortlich ist. «Wenn ich mich selbständig mache, dann sicher als Consultant für die Luxusindustrie», sagt Jérome Baudou, der Bauingenieur ist und sich auf die Einrichtung von Läden konzentrieren will.

Obwohl der Luxusmarkt rasant wächst, sind die Jobaussichten für die Absolventen, die im Schnitt 65  000 Euro verdienen, nicht immer rosig. «Das Angebot an Stellen ist regional sehr unterschiedlich», warnt Anthea Davis. Es hängt stark davon ab, in welchem Zustand sich der lokale Luxusmarkt befindet. Europa gilt als längst gesättigt. Entsprechend angespannt ist auch der Arbeitsmarkt. Selbst in Frankreich sind die Stellen eher dünn gesät, für die frischgebackene Absolventen in Betracht kommen. «Es gibt genügend qualifizierte Leute mit einschlägiger Industrieerfahrung, die sofort voll einsetzbar sind», sagt Davis. In Frankreich wird aber immerhin gut bezahlt, in England hingegen lausig.

Ziemlich gut sehen die Jobaussichten für Luxusmanager in den boomenden Märkten aus. In Dubai, China und Russland explodiert der Luxusmarkt förmlich. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Leuten, die vor Ort helfen, das Wachstum zu stemmen. Kein Wunder, dass unter den Studenten aus 18 Nationen, die im diesjährigen MBA-Luxe-Kurs vertreten sind, jene aus den Boomregionen dominieren.

In diesen Regionen haben jene Europäer, die nicht über Zürich, Basel, Rom oder Frankfurt hinausgekommen sind, schlechte Karten. Es kommen vor allem einheimische Bewerber zum Zuge, welche die Sprache fliessend sprechen und die Kultur verstehen. Nicht sinnvoll ist es, einen Schweizer, Deutschen oder Franzosen, der gerade mal einige Brocken Chinesisch oder Arabisch aufgeschnappt hat, direkt nach dem MBA ins Morgenland oder ins Reich der Mitte zu schicken. «Gerade bei Luxuswaren, bei denen es auf Werte und sehr stark auf das Gefühl ankommt, ist es wichtig, dass man Leute hat, die ein tiefes Verständnis für den Markt mitbringen», sagt Davis. So heuerte etwa Montblanc dieses Jahr einen Absolventen der Essec an, der das Geschäft in China aufbauen hilft, ebenso wie Prada, die dort ebenfalls einen hohen Managementbedarf hat. Die neuen Luxusmärkte im Osten wachsen so stark, dass die Unternehmen händeringend nach Leuten suchen, die das Geschäft und die Regionen verstehen. Wobei Sprachkenntnisse sogar noch wichtiger sind als einschlägige Berufserfahrung. Vor kurzem hatte Davis die Anfrage eines grossen Luxuskonzerns auf dem Tisch, ob es nicht einen Studenten für das Geschäft in Dubai gebe: Der solle Arabisch können und am besten auch aus einem arabischen Land kommen. Und dass er weiss, wer der Creative Director von Dior ist, gilt als selbstverständlich.